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Jungs verpisst euch jetzt besser«, hatte Lauters geantwortet.

      Jeder der Männer trug ein Gewehr und jedes Gewehr war auf den Sheriff gerichtet.

      »Du kapierst das nicht«, hatte der Anführer entgegnet. »Wir wollen diese meuchelnde Rothaut haben, und wir bringen dich um, wenn nötig.«

      Lauters hatte nach seinem Revolver gegriffen, aber die Männer stürzten sich bereits auf ihn. Sie schlugen ihn mit ihren Gewehren bewusstlos und fesselten ihn an einen Stuhl. Als er später wieder zu sich kam, war bereits alles vorbei. Sein Deputy Alden Bowes kam damals von einem Gefangenentransport aus Virginia City zurück und hatte ihn losgebunden.

      Red Elk war an einer Eiche auf dem Dorfplatz gehängt worden.

      Es hatte danach ein paar Fragen gegeben, jedoch keine, die Lauters nicht beantworten konnte. Die Männer hatten Masken getragen, weshalb er sie nicht identifizieren konnte. Sie hatten ihn übermannt, was er mit seinen blauen Flecken beweisen konnte. Und warum er seinen Deputy auf einen Gefangenentransport nach Virginia City geschickt hatte, wenn die Lage so prekär und die Stimmung gegen Indianer so gefährlich war? Er hätte niemals gedacht, dass so etwas passieren würde.

      Die Fragen waren zu jedermanns Zufriedenheit beantwortet worden.

      Außerdem war der Mann, den sie aufgeknüpft hatten, lediglich ein Indianer gewesen, ein Blackfoot. Und er hatte eine Weiße ermordet. Damit war der Fall abgeschlossen. Die Einzigen, die sich wirklich Gedanken machten, waren die Blackfoot, und die zählten nicht.

      Alle andern glaubten Lauters.

      Niemand kam je auf den Gedanken, dass er gelogen hatte.

      Mit diesem Wissen trank Lauters weiter. Diese Woche war es ein Jahr her, dass Red Elk gelyncht worden war und von der Eiche baumelte. In Gedanken konnte er das Knirschen des Astes hören, als der Strick darübergeworfen wurde. Es ließ ihn erschaudern.

      Kapitel 18

      Der Schneesturm hatte sich schon seit geraumer Zeit angekündigt. Gegen Mitternacht des Tages, an dem Nate Segaris' Leiche gefunden und in Wynona Spences Leichenwagen davongefahren wurde, um fernab aller Augen für die Beerdigung hergerichtet zu werden, schlug er zu. Von geiferndem, schreiendem Wind getrieben, der die Quecksilbersäule unter -15°C fallen ließ, kam er aus den Tobacco Root Mountains herunter. Schwerer Schnee fiel auf Wolf Creek, den der Wind zu anderthalb Meter hohe Verwehungen meißelte, die wie gefrorene Wellenbrecher an einer fremdartigen Küste aussahen.

      Gegen vier Uhr war der Sturm vorbei.

      Die Welt war weiß; rieselnd, wehend, gefroren. In den Ausläufern der Berge wartete Curly Del Vecchio in einem alten, nicht mehr genutzten Minenschacht und fragte sich, wann ihn wohl der Tod holen würde. In der Nacht zuvor hatte ihn unweit von hier sein Pferd abgeworfen, wobei er sich das Bein gebrochen hatte.

      Jetzt war es wieder Nacht.

      Er war allein.

      Gott sei Dank, hatte er den alten Schacht gefunden. Er war dankbar, dass ein kleiner Ofen darin stand und sogar ein wenig Feuerholz, das die Arbeiter zurückgelassen hatten, als sie nach ertragreicheren Stellen suchten. Genügend Holz, um drei, vielleicht vier Tage lang zu brennen. Er hoffte, dass ihn bis dahin vielleicht jemand finden würde.

      Vielleicht auch nicht.

      Curly legte nur Holz nach, wenn es sein musste. Er dachte, dass das Feuer auf diese Art einige Tage lang brennen würde. Seine einzige andere Beschäftigung war, sein Bein und das blutige Stück Knochen zu betrachten, das die Haut durchstoßen hatte. Wenn er sich zu viel bewegte, wurden die Schmerzen so unerträglich, dass er das Bewusstsein verlor.

      Und so saß er und fütterte das Feuer.

      Den Rest der Zeit verbrachte er in fiebrigem Halbschlaf, in dem sich Schatten um ihn bewegten. Schatten, die Klauen und Zähne hatten, die nach ihm griffen, während der Mond alles beschien … ein gelbes und totes, zwinkerndes Auge.

      Er bewegte sich nicht einmal, um sich zu erleichtern. Er pisste in die Hose und sein Schoß dampfte von der sich ausbreitenden Wärme. Wenn er seinen Kopf nur ein paar Zentimeter bewegte, konnte er den Eingang des Schachts und die Welt dahinter sehen. Eine riesige Schneeverwehung drängte sich heran, sodass er nur ein paar Meter weit auf die Welt hinausschauen konnte. Er sah aufreißende, rollende Wolken und kalte Sterne; einen Mondsplitter, den der Tag fett werden ließ wie eine Spinne, die sich an Fliegen labte.

      Lange vor der Morgendämmerung trug der Wind ein wildes, urweltliches Heulen heran. Curly fragte sich erneut, wann ihn der Tod holen würde.

      Und dann, bevor die Sonne aufging, kam er ihn holen.

      Kapitel 19

      Es war zwei Tage später, als sich John Longtree Wolf Creek näherte.

      Er kam an einem Abend wirbelnden Schnees und eisigen Windes von Südosten über den Madison River. Auf einem Berggrat vor der Stadt hielt er seinen Rappen an und blickte auf die vielen Häuser, Gebäude und Gehöfte unter sich. Wolf Creek war eine Bergarbeiterstadt, das wusste er – das dicke Blut der Stadt wurde durch Metalladern hineingepumpt. Hier gab es Minenarbeiter und Rancher. Das und viel Hass zwischen den Weißen und dem örtlichen Blackfoot-Stamm. So viel hatte ihm Tom Rivers gesagt.

      Nicht, dass man ihm das hätte erklären müssen.

      Generell verabscheuten die meisten Weißen die Indianer.

      Und wie er wusste, waren die Blackfoot ein feindseliger Stamm. Sie hatten die Weißen bekämpft und vor ihnen andere Indianer; und das mit einer Besessenheit, gegen die selbst die Dakota wie Schwächlinge aussahen. Aber Longtree wusste, dass die Blackfoot keine schlechten Menschen waren. Nicht wirklich. Nur unbeugsam stolz und sehr darauf bedacht, ihr Gebiet zu verteidigen.

      Er hatte keine Vorurteile gegen sie.

      Bei seiner Arbeit konnte er sich keine erlauben, denn solche Gedanken verzerrten die Urteilskraft eines Mannes. Und das Allerletzte, was er wollte, war einen Mann festzunehmen und ihn nur aufgrund seiner Hautfarbe vor Gericht (und möglicherweise an den Galgen) gebracht zu sehen.

      Er hatte bereits vor langer Zeit akzeptiert, dass er, wenn er schon sehr viel nicht sein konnte, sich zumindest von niemandem vorwerfen lassen musste, unfair oder unehrlich zu sein. Denn wenn ein Gesetzeshüter das nicht von sich sagen konnte, war er kein Stück besser als die Kriminellen, die er jagte.

      Kapitel 20

      Joseph Smith Longtree wurde 1836 als Sohn des Bibertrappers William »Bearclaw« Smith und Piney River, einer Crow-Indianerin, geboren. Sein Vater starb 1842, als er gegen die Comanche kämpfte. Longtree hatte ihn kaum gekannt. 1845 hatten Krieger der Sioux das Dorf seiner Familie am Powder River angegriffen und alle außer ihm und ein paar anderen, die davongelaufen waren, getötet. Seine Mutter zählte zu den Toten. Er wurde von einem Missionar in eine Missionsschule nach Nebraska gebracht. Nach sieben Jahren strenger katholischer Erziehung verließ er die Schule.

      Er lief weg und machte sich auf den Weg nach Westen.

      Er schloss sich einem reformierten Revolverhelden namens Rawlings an, der in seiner neuen Rolle als Baptistenprediger auf der Suche nach einer Gemeinde durch die Wyoming und Montana Territories zog. Rawlings trug noch immer einen Revolver; in den Territories hatte nur ein Idiot keinen dabei. Während ihrer gemeinsamen Monate brachte ihm Rawlings, der von Longtrees Bibelwissen und seinem religiösen Allgemeinwissen sehr beeindruckt war, das Schießen bei. Er besorgte dem Jungen einen alten Colt Dragon Kaliber .44 und drillte ihn jeden Tag stundenlang so lange, bis Longtree schließlich mit einer schnellen, sicheren Bewegung aus fünfzehn Metern Entfernung einen Apfel aus einem Baum schießen konnte.

      Im südöstlichen Montana trennten sich ihre Wege. Longtree suchte nach seinem Onkel Lone Hawk, der an dem Tag, als die Sioux ihr Dorf überfielen, nicht dagewesen und nicht zurückgekehrt war, bis Longtree bereits in die Missionsschule gebracht

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