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würde.

      Doch das tat er nicht.

      Er fuhr herum, schnappte ihr Bein und schleuderte sie auf den Treppenabsatz. Mit ihrem freien Fuß trat sie gegen sein Schienbein, wand sich aus seinem Griff und sprang auf. Seine behandschuhte Faust schoss auf sie zu; sie duckte sich und er traf stattdessen die Wand.

      Das hielt ihn ein wenig auf. Sie verpasste ihm einen Tritt in die Kniekehle. Sein Bein gab nach, aber er war schnell. Er drehte sich zur ihr und schubste sie kräftig. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel die Treppen ein Stockwerk weit hinunter.

      Der Wolf setzte ihr nach, packte sie am Oberarm und warf sie übers Geländer.

      Sie stürzte in die Diele und landete hart auf dem Rücken. Mit dem Kopf schlug sie auf die Bodenfliesen und für einen kurzen Moment sah sie Sterne. Aber dann biss sie die Zähne zusammen und sprang wieder auf.

      Der Wolf war ihr nachgeeilt, er war noch immer in Kampfbereitschaft. Er musste gewusst haben, dass so ein Sturz sie nicht ernsthaft verletzte – oder gar umbrachte – wie vielleicht jemand anderen.

      Eliana packte erneut das Grauen. Plötzlich schien ihre Haut nur noch schlecht über ihren unzerbrechlichen Knochen zu sitzen.

      Er war ihr also gefolgt. Er hatte sie arbeiten sehen. Oder aber er hatte zumindest die Gerüchte über den unverwundbaren Fluch von Orline gehört und ihnen Glauben geschenkt – egal wie lächerlich sie auch zu sein schienen. Jetzt jedenfalls war er hier. Er hatte sie überrumpelt.

      Interessant. Und beunruhigend.

      Sie wich seinem Schlag hier unten auf dem Treppenabsatz aus, wirbelte herum und trat zu. Er griff nach ihrem Mantel und riss sie zu sich. Sie rammte ihm den Ellenbogen in den Magen und hörte ihn ächzen. Sie zog Arabeth von ihrer Hüfte und zielte auf sein Herz –

      Aber er war zu schnell, ihr Dolch traf ins Leere. Sie taumelte, war aus dem Gleichgewicht gebracht. Er stieß sie an die Wand neben der Küchentür. Ihr Kopf schlug gegen den Backstein, die Diele schwankte und kippte weg.

      Er schnappte ihr Handgelenk und drehte es, bis sie Arabeth fallen ließ. Die Klinge stieß er außer Reichweite in die Diele und nahm Eliana in den Schwitzkasten. Sie zog Pfeifer von ihrem Oberschenkel und holte nach ihm aus. Keine tödliche Wunde, aber er fluchte dennoch und ließ sie los.

      Dann riss sie Sturmwind aus ihrem Stiefel – jetzt würde sie ihn kriegen – und sah auf.

      Genau in die Mündung eines Revolvers, mit dem der Wolf auf ihr Gesicht zielte.

      Es war totenstill.

      »Lass die Messer fallen.« Seine Stimme klang tief, vornehm und kalt wie Eis. »An die Wand. Langsam.«

      »Das ist unfair«, sagte sie aufgebracht. »Du hast eine Pistole dabei.« Aber sie gehorchte und wich zurück, bis sie mit den Schultern an die Holzregale stieß.

      Der Wolf folgte ihr, sein Körper überragte sie. Er riss Nox und Tuora von ihrem Gürtel und drückte ihr Tuoras Klinge gegen die Kehle, dann ließ er seine Pistole fallen und trat sie beiseite.

      Eliana starrte in das ausdruckslose metallene Gesicht, das drohend näher kam, suchte hinter dem Gitter nach den Augen und fand keine.

      »Nimm deine Maske ab«, befahl er.

      Das tat sie, und dann fixierte sie ihn mit dem besten Lächeln, das sie zustande brachte.

      »Ein Fluch«, murmelte er und sein Atem strich über ihre Wange, »ist bloß ein Gefühl, das man ganz leicht zermalmen kann. Aber Wölfe, meine Liebe, haben Zähne.«

      7 RIELLE

      »Hüte dich vor dem Lächeln der Sauvilliers –

      Schön wie die Nacht, wenn der Mond aufgeht,

      Frisst sich tief in die Knochen, bis dein Auge bricht,

      Sagt ein Mann vom Fluss, der die Wahrheit spricht.«

      Celdarisches Reiselied

      Rielle schoss in die Höhe, aus feuerumrahmten Träumen in eine Welt plötzlicher Panik.

      »Audric«, krächzte sie. Das Wort kratzte an ihrer wunden Kehle. Er musste in der Nähe sein. Wenn er gestorben war, wenn er gestorben war …

      »Still.« Kühle Hände hielten ihr einen Becher Wasser an die Lippen, halfen ihr trinken. »Er ist am Leben und wohlauf.«

      Rielle blinzelte und konnte allmählich Ludivines Gesicht erkennen. Ludivine trug das lange gewellte goldene Haar offen. Ihre hellblauen Augen leuchteten, der einzige Spalt in ihrer Rüstung aus Gelassenheit. Mit dem offenen Haar und dem frischen Gesicht hätte man sie für wesentlich jünger halten können als neunzehn Jahre. Dennoch war sie die Tochter eines hohen Lords, eine Lady aus dem Haus Sauvillier, Cousine und Verlobte des Kronprinzen und Celdarias zukünftige Königin – und selbst im Morgenrock erfüllte sie genau ihre Rolle.

      »Du bist wach«, sagte sie lächelnd. »Zwei Tage lang warst du immer wieder bewusstlos. Wir konnten dir nur ein paar kleine Häppchen geben und dir manchmal einen Schluck Wasser einflößen.« Ludivine runzelte die bleiche Stirn und umfasste Rielles Hände mit ihren. »Du hast mir Angst gemacht, Liebes.«

      »Sag mir, was passiert ist«, forderte Rielle und versuchte sich aufzusetzen.

      Ludivine zögerte. »Du brauchst Ruhe.«

      Doch da fiel Rielle ein, wie Maliya zusammengebrochen war, und schlagartig wurde ihr so übel, dass sie sich heftig übergeben musste. Ludivine hielt ihr die widerspenstige dunkle Mähne aus dem Gesicht und rieb sie zwischen den Schultern, während Rielle ihren Mageninhalt auf den Fußboden entleerte.

      Eine von Ludivines Zofen eilte herüber, um die Sauerei wegzuwischen, ehe sie einen ängstlichen Blick auf Rielle warf. Das Mädchen putzte die Lache weg und flüchtete so rasch ins Wohnzimmer, wie es der Anstand erlaubte.

      Rielle sah ihr nach. Sobald sie wieder mit Ludivine allein war, verlangte sie nach Aufklärung. »Erzähl es mir.«

      »Die Attentäter sind tot«, sagte Ludivine leise. »Fünfzehn der Reiter sind tot. Wir … wir wissen nicht, wie jeder einzelne von ihnen umgekommen ist, aber wir schreiben die Schuld an ihrem Tod den Attentätern zu und den Umständen des Rennens selbst.«

      Rielle konnte Ludivine nicht in die Augen schauen. Sie ertrug es kaum, ihre eigene körperliche Existenz zu spüren. Fünfzehn Reiter tot. Fünfzehn.

      In ihrem Blut dröhnte die Erinnerung daran – die herabfallenden Felsbrocken und die in Flammen stehende Erde, die gestürzten Reiter und das Gebrüll ihrer Pferde.

      Sie ballte die Fäuste, schloss die Augen und zählte ihre Atemzüge. »Lu, es tut mir leid.«

      »Alle anderen sind in Sicherheit«, fuhr Ludivine fort. »Tal und seine Tempeldiener haben das Feuer unter Kontrolle gebracht, ehe es sich bis zu den Rennställen und den Feldern ausbreiten konnte.«

      Das Feuer. Ihr Feuer.

      Rielle wusste nicht einmal mehr, wie es begonnen hatte. Das ganze Geschehen, seit sie die Mörder gesehen hatte, die sich um Audric geschart hatten, war nichts als ein wirrer Nebel.

      Scham packte sie wie eine heiße Faust. »Gut. Ich werde mich wohl persönlich bei ihnen bedanken müssen.«

      »Das ist das Mindeste«, sagte Ludivine, doch ihre Stimme klang sanft. »Dein Pferd …«

      Rielle stieß einen erstickten Laut aus. Sie spürte noch immer das Fleisch des armen Tieres, das unter ihrer Berührung Blasen geworfen hatte. Die Attentäter hatten den Tod verdient, aber nicht Maliya und nicht die fünfzehn anderen Reiter.

      Sie schloss die Augen. »Odo wird wütend sein.«

      »Er ist nur froh, dass du noch lebst.«

      »Und Audric?«

      Ludivine legte eine Hand über die von Rielle. »Audric geht es gut.«

      »Er

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