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nicht mit Wut oder Gier.

      Brenne ruhig und treu, brenne sauber und hell.«

      Der Feuerritus

      Wie erstmals gesprochen von Sankt Marzana der Glorreichen, der Schutzheiligen von Kirvaya und den Feuerzeichnern

      Rielle sah, wie die sieben falschen Schiedsrichter Audric einkreisten. Ihre Schwerter glänzten. Es waren Männer aus Borsvall.

      Andere Reiter wichen aus und preschten weiter über den Pass, die Blicke auf die Strecke gerichtet und auf das Preisgeld, das am Ende winkte.

      Audric sah sich um, während sich die feindlichen Soldaten hinter ihm V-förmig aufstellten. Einer hatte ein Schwert, das lange Spiralen aus Schwärze aus der Luft zog – ein Schattenwerfer, der Dunkelheit um sich verbreitete und Audric in Nebel hüllte.

      Rielle sah das alles und sah doch keinen von ihnen.

      Es gab nur Audric. Belanglos waren die Verlobung und Ludivine, und der gesamte königliche Hof sollte in der Verdammnis verschwinden.

      Audric gehörte ihr, und diese Männer wollten ihn töten.

      Messerscharfe Wut wallte in ihr auf. Wie konnten sie es wagen? Sie packte Maliyas Zügel und stieß einen wilden Schrei aus. Die Stute raste mit ihr hinter den anderen her.

      Nicht einmal Audric konnte es mit ihnen allen aufnehmen, nicht unbewaffnet – und Rielle wusste, dass er heute unbewaffnet war. Als sie ihm vorgeschlagen hatte, er solle wenigstens seine zweitrangigen, weniger mächtigen Urformen irgendwo am Körper versteckt mitnehmen, hatte er protestiert. Waffen sind gegen die Regeln, Rielle. Selbst meine Dolche. Das weißt du.

      Hätte er sein Schwert Illumenor bei sich, wäre es kein Problem gewesen. Doch Audric konnte ohne seine Urformen das Sonnenlicht nicht herunterholen. Das war nicht einmal den Heiligen gelungen.

      Niemand konnte das – außer ihr.

      Im Handumdrehen war das jahrelange Training vergessen, das sie gelehrt hatte, jeden Instinkt zu unterdrücken. Eine tief in ihrem Herzen verschlossene Tür flog auf.

      Sie streckte eine Hand aus, als könnte sie die Mörder allein durch ihre Wut stoppen. Eine gewaltige Hitzewelle fuhr durch ihren Körper und an ihren Fingerspitzen saßen zehn Feuerpunkte.

      Flammen loderten vor ihr auf und jagten in zwei brennenden Spuren den Pass hinauf.

      Die Welt bebte. Ein heißes Fauchen riss die Luft entzwei. Rielle musste fliegenden Erdklumpen ausweichen. Maliya kam unter ihr ins Straucheln und stieß einen schrillen Schrei aus, während Rielle sich kaum im Sattel halten konnte.

      Sie vernahm einen Angstschrei und blickte zurück, auf den Weg, den sie gekommen war. Das rußgeschwärzte Land hinter ihr sah aus, als wäre es von Monsterklauen aufgerissen worden. Andere Reiter brachten ihre Pferde zum Stehen und lenkten sie weg von dem zerfetzten Erdreich.

      Unter Rielle hoben und senkten sich Maliyas glitzernde Flanken. Sie forderte zu viel von ihrem Pferd. Sie sollten nicht so schnell reiten.

      Doch Rielle wollte nicht anhalten.

      Dort, direkt vor ihnen, waren die Attentäter aus Borsvall. Sie ritten jetzt zum Pass, preschten durch die Berge in Richtung Stadt zurück, um Audric den Weg abzuschneiden. Riesige Felsen rollten zu beiden Seiten des Passes hinab und prallten aufeinander, sodass Erde und Steine aufflogen. Die anderen Reiter versuchten dem Geröll auszuweichen, was nur manchen gelang. Einige Männer stürzten und standen nicht wieder auf.

      Rielle erwog, stehen zu bleiben, um dem Nächsten zu helfen, doch dann sah sie den Speer eines der Attentäter aufblitzen, der klebrige Feuerklumpen auf Audric schleuderte. Ein Feuerzeichner. Die Flammen hefteten sich an Audrics Umhang und Stiefel. Er duckte sich unter einem Feuerstreifen, der über seinen Kopf flog, und lenkte sein Pferd nach rechts. Die Luft um ihn herum leuchtete und prasselte. Brannte seine Macht als Sonnenbändiger nicht darauf, loszubrechen?

      Rielle trat Maliya in die Flanken. Schneller, schneller.

      Wenn ihm irgendetwas zustieß, wenn er starb, bevor sie ihm sagen konnte …

      Zu beiden Seiten von ihr platzte der Boden auf. Frische Flammen loderten aus dem Erdreich, das sie aufgerissen hatte, und tauchten ihr Gesicht in Hitze. Steine flogen in alle Richtungen. Einer prallte gegen die Schulter eines anderen Reiters, während der Mann versuchte, Rielle auszuweichen, und stürzte.

      Schuldgefühle überkamen sie, doch auf einmal brüllte Maliya, die jede Orientierung verloren hatte. Irgendetwas stimmte nicht. Ihr Gang war ungleichmäßig.

      Rielle kam ins Rutschen und wäre beinahe vom Sattel gefallen. Mühsam zog sie sich wieder hinauf und atmete einen Mundvoll Rauch ein.

      Maliya stieß ein weiteres schreckliches Schnauben aus. Sie keuchte. Rielles Beine brannten. Alles war zu heiß.

      Ein Stück vor ihr hatte Audric es bis zum Pass geschafft.

      Rielle trieb Maliya härter an, und sie folgten ihm dorthin. Die Luft war voller Rauch und Flammen und dem Poltern fallender Steine. Das berauschende Hochgefühl der Macht, die durch Rielles Körper brauste, war so überwältigend, dass sie sich kaum im Sattel halten, kaum denken, kaum atmen konnte.

      Und irgendwo ganz in der Nähe brannte etwas.

      Hinter den Attentätern ein Farbblitz und der Schrei eines Mannes: Audric, gerade noch außer Reichweite seiner Angreifer, trieb sein Pferd immer schneller an. Doch die Männer aus Borsvall waren ihm dicht auf den Fersen.

      Rielle leckte sich die Lippen, schmeckte Schweiß.

      Sie hatte keine Waffen dabei. Warum hatte sie keine Waffen mitgenommen?

      Der borsvallianische Reiter, der ihr am nächsten war, drehte sich im Sattel um und schrie entsetzt auf. Er schleuderte seine Axt in die Luft und riss sie wieder zurück. Rielles Pferd machte unter ihr einen Satz, stieß einen schrillen Schrei aus und strauchelte. Der Mann war ein Metallmeister; seine Kraft flog durch seine Urform aus seinem Körper heraus und zerrte Maliyas Trense nach links und rechts und dann wieder nach links. Ein säuerlicher metallischer Geruch in der Luft ließ Rielle würgen. Sie griff nach unten und warf alles, was sie fühlte, nach dem Reiter.

      Hitze schoss durch ihren Körper, vom Bauch bis in die Finger. Ein weiß glühendes Geschoss flog auf den Reiter aus Borsvall zu und umhüllte ihn mit Gold. Einen Moment lang verkrampfte er sich und seine Umrisse waren von Licht gezeichnet. Dann wälzte er sich am Boden, während seine Axt neben ihm zu Asche zerfiel.

      Rielle jagte an ihm vorüber. Sein Geruch verursachte ihr einen Brechreiz, genau wie der Anblick des verkohlten Haufens, der einmal ein lebendiger Mensch gewesen war.

      Wie ihre Mutter.

      Sie waren an jenem Tag zu Hause gewesen, umgeben von Kerzen. Ein Abendgebet, ein dummer Streit – und eine Explosion.

      Rielle blickte auf ihre Hände. Die Reithandschuhe waren versengt, blutige Streifen zogen sich über ihre Handflächen. Sie drehte eine Hand nach links und dann nach rechts. Ein weißgoldener Schimmer blitzte unter ihrer Haut und verblasste wieder.

      Sonnenlicht.

      Wäre Magistra Guillory nicht stolz auf sie? Eine echte Sonnenbändigerin, die die Sonne mit bloßen Händen herunterholen konnte.

      Sie lachte, ein gebrochener Laut. Was geschah mit ihr? Ihr Körper war ein Leuchtfeuer, das sich immer weiter ausbreitete, und sie konnte es nicht aufhalten.

      Sie ließ die Zügel fallen, während ihr Instinkt ihr befahl, nach einer Waffe zu greifen, und obwohl sie nur in leere Luft griff, knisterten ihre Handflächen vor Hitze. In blinder Panik schleuderte sie ihre Hände nach den borsvallianischen Angreifern. Eine unsichtbare Macht warf die Männer zu Boden. Ihre reiterlosen Pferde brachen aus, verrückt vor Angst.

      Benommen sah Rielle sich um. Die bebende Welt hinter ihr war ein Spinnennetz aus Rissen. Ihr Verstand fühlte sich ähnlich zerrissen an, als hätte ihre Macht alles in ihr zum Einsturz gebracht.

      Wo war Audric? Hektisch hielt

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