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Zorngeboren - Die Empirium-Trilogie (Bd. 1). Claire Legrand
Читать онлайн.Название Zorngeboren - Die Empirium-Trilogie (Bd. 1)
Год выпуска 0
isbn 9783038801207
Автор произведения Claire Legrand
Издательство Bookwire
Mit klopfendem Herzen wandte Rielle sich ab. Ihre Augen brannten von der staubgeschwängerten Luft. Sie verließ den Wald kurz vor dem Weg zum zweiten Pass, der sie um den Mount Taléa herum und wieder in die Stadt führen würde.
Dort entdeckte sie schließlich die Schiedsrichter: sieben an der Zahl, ein Stück von ihr entfernt. Sie hatten die Masken abgelegt und ließen ihre blonden Zöpfe fliegen. Dabei stießen sie schrille Kriegsrufe aus, die Rielle aufgrund eines von Audrics endlosen Vorträgen über Borsvall auf der Stelle erkannte.
Immer dichter drängten sie sich um den Reiter, der ihnen am nächsten war – einen Mann in Schwarz und Gold, dessen Kappe und Tuch heruntergefallen waren, sodass ihm der Wind durch die dunklen Locken wehte.
Die ganze Welt zog sich zu diesem einzigen schrecklichen Moment zusammen. Das Entsetzen sog die Luft aus Rielles Lungen.
Die Schiedsrichter, wer auch immer sie sein mochten, waren keine Soldaten ihres Vaters. Sie kamen aus Borsvall.
Und nun umringten sie Audric, die Schwerter zum Töten erhoben.
4 ELIANA
»Als aber die Streitkräfte des Imperiums nach Orline, in die Hauptstadt von Ventera, kamen, wurden sie von einem strahlenden Licht geblendet. Es war die Sonnenkönigin, funkelnd und rachsüchtig. Mit König Maximilian an ihrer Seite führte sie den Angriff an, und in jedem, den sie berührte, erwachte eine längst vergessene Magie. Auf einmal waren sie wieder Sonnenbändiger, Feuerzeichner und Erderschütterer. Der Fluss war an diesem Morgen rot vor Blut, dem Blut des Imperiums.«
Der Siegeszug der Sonnenkönigin (Eine alternative Geschichtsschreibung des Königreichs von Ventera)
So aufgezeichnet im Tagebuch von Remy Ferracora
14. Juni im Jahr 1018 des Dritten Zeitalters
Nach den Hinrichtungen begleitete Eliana Harkan in seine winzige Wohnung, die im Dachgeschoss des Gebäudes neben ihrem Zuhause lag.
»El?«, sagte er leise, als sie gehen wollte.
Sie zögerte. Wenn sie blieb, würde sie das Bett mit ihm teilen, so wie sie es häufig taten. Seine Berührungen wären ihre Absolution – seine starken braunen Arme, die sanfte Art, wie er sie danach festhielt und ihr über die Haare strich. So würde sie für kurze Zeit vergessen, wer sie war und was sie getan hatte.
Aber danach würde Harkan reden wollen. Er würde ihr in die Augen blicken und nach dem Mädchen suchen, das sie einmal gewesen war.
Die Vorstellung erschöpfte sie.
»Bitte, El«, sagte Harkan gepresst. »Ich brauche dich.«
Er konnte sie kaum ansehen. War es ihm peinlich, dass er nicht allein sein wollte? Oder schämte er sich, weil er sich nach der Berührung eines Monsters sehnte?
Unwillkürlich tauchte eine Erinnerung auf: das trotzige, tränenüberströmte Gesicht des Jungen, kurz bevor das Schwert des Scharfrichters niedersauste.
Eliana zog sich der Magen zusammen. Sie drückte Harkans Hand. »In Ordnung, aber ich möchte nur schlafen.«
»Ich auch«, erwiderte er sanft.
Durch das Terrassenfenster kletterten sie in sein kleines Zimmer, überall lagen zerknitterte Kleider herum. Der Rest seiner Wohnung war einsam und verschlossen. Seit dem Tag vor zehn Jahren, als das Imperium einmarschiert war und seine Mutter und sein älterer Bruder an der Mauer starben, hatte Harkan keine ihrer Sachen berührt, sich nicht auf die Möbel gesetzt, auf denen sie gesessen hatten, oder die Pfannen und Töpfe seiner Mutter benutzt. Die Wohnung der Familie war wie ein Grab, und Eliana setzte keinen Fuß hinein, sonst würde sie womöglich noch einen Geist einatmen.
Doch Harkans Schlafzimmer war ein vertrauter Ort, wenn auch unordentlich. Im Laufe der Jahre hatte Eliana dort mindestens so viele Nächte verbracht wie in ihrem eigenen.
Sie legte sich auf sein Bett und wartete. Er zog die Vorhänge fest zu, ließ das Fenster aber offen. Dann zündete er die vier Stumpenkerzen an, die immer auf dem kleinen Tisch standen – für jedes Mitglied seiner verstorbenen Familie eine. Nachdem er sein Hemd und seine Stiefel ausgezogen hatte, legte er sich neben sie und zog sie in die warme Geborgenheit seiner Arme.
»Danke«, murmelte er an ihre Wange.
Sie lächelte und schmiegte sich enger an. »Wenn ich mit dir zusammen bin, komme ich besser zu Ruhe.«
Er lachte leise. Dann wurde es still. Unruhig spielte er mit ihren Zöpfen. »Eines Tages werden wir genug Geld haben, um diesen Ort zu verlassen.«
Eliana schloss die Augen. Das war der Anfang von Harkans Lieblingsgeschichte, er hatte sie schon unzählige Male erzählt. Sie brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass sie es nicht ertrug, sie noch ein weiteres Mal zu hören, nicht heute. Als sie noch jung gewesen waren und es nicht besser wussten, war die Geschichte tröstlich gewesen, jetzt aber war sie nur überflüssig und grausam.
Also wartete sie, bis sie sich so weit unter Kontrolle hatte, dass sie ihn nicht anbrüllte, und fragte, was sie immer fragte: »Wohin würden wir dann gehen?«
»Nach Norden über das Schmale Meer nach Astavar.«
Astavar. Eliana hatte sich oft vorgestellt, wie es dort wohl war – weiße Bergkuppen, üppig grüne Täler, eine Welt aus Schnee und Eis und der Nachthimmel voller bunter, sich windender Lichtbänder.
Im Augenblick war es nur ein Ort auf der Landkarte. Venteras nördlichster Nachbar und das letzte freie Land auf der Welt.
»Nach Astavar kommt keiner rein und von dort kommt auch keiner raus«, entgegnete Eliana und fiel damit in ihre eingeübte Routine aus Für und Wider.
»Wir suchen uns einen Schleuser«, fuhr Harkan fort. »Einen guten. Wir bezahlen, was immer er verlangt.«
»Auch Astavar wird eines Tages fallen. Dem Imperium widersetzt sich niemand. Sieh dir an, wie es uns ergangen ist.«
»Vielleicht. Aber bis dahin könnten wir dort ein paar Jahre in Frieden leben. Du, ich, deine Mutter, Remy.« Er drückte ihre Hand. »Eine richtige Familie.«
Genau wie die, die Eliana erst vor wenigen Stunden zerstört hatte. Mit einem Mal fiel ihr das Schlucken schwer. Mit einem Mal brannten ihre Augen und liefen fast über.
Verdammt. Das hatte man davon, wenn man eine gute Freundin sein wollte.
»Ich weiß nicht, ob ich das hinbekäme. Ist zu anständig«, neckte sie ihn. Was aber nicht einmal in ihren eigenen Ohren überzeugend klang.
»Denk darüber nach, El.« Harkan malte mit dem Daumen Kreise in ihre Armebeuge. »Das Meer ist nicht groß. Wir könnten in einer Stunde in Astavar sein, maximal zwei. Und dann suchen wir uns ein kleines, ruhiges Fleckchen, vielleicht an einem See. Ich könnte Gemüse anbauen. Remy könnte backen. Deine Mutter könnte weiter Sachen reparieren. Und du –«
»Und ich?« Eliana setzte sich auf. Sie wollte dieses Spiel nicht länger weiterspielen. »Wenn wir wirklich an den Truppen des Imperiums an unserer Grenze vorbeikämen und einen Schleuser fänden, der uns nicht an das Imperium verrät, und wenn wir die Astavaris überzeugen könnten, uns über ihre Grenze zu lassen … Wenn uns das wirklich alles gelänge, mit Geld, das wir nicht haben, was sollte ich dann deiner Meinung nach in diesem Wunschtraum tun?«
Harkan ignorierte den scharfen Unterton in ihrer Stimme. Er küsste ihr Handgelenk. »Was du willst. Du kannst Wild jagen gehen. Ich kann dir beibringen, wie man Tomaten zieht. Du könntest sogar einen Strohhut aufsetzen.« Er drückte seine Lippen auf ihre Schulter. »Den Hut könntest du aber auch weglassen. Allerdings träume ich schon so lange davon, dass es mir womöglich das Herz brechen würde, wenn du ihn nicht trägst.«
»Das wird nicht funktionieren«, sagte sie schließlich.
»Der Hut?« Harkan blickte sie sanft an. »Ganz im Gegenteil, ich glaube, er würde dir sehr gut stehen.«
In