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so dunkel wie sein Vater noch so bleich wie seine Mutter, die Königin. Dunkelbraune, hitzefeuchte Locken umrahmten sein Gesicht. Sprenkel von Sonnenlicht drangen durch den Netzstoff des Zelts und ließen seine Haut strahlen.

      Als er zu ihr aufsah, errötete sie unter der Wärme seines Blicks. »Ist mit Lu alles in Ordnung?«, fragte er.

      »Bestimmt genießt sie die Aufmerksamkeit. Und was ist mit deiner Mutter?«

      »Ich habe ihr gesagt, ich würde mich um Lu kümmern, und sie soll nur ganz beruhigt sein und das Rennen genießen.« Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Sie hält mich für einen gehorsamen Sohn …«

      »Und stattdessen schleichst du dich davon und riskierst Leib und Leben.« Rielle warf ihm ein verschmitztes Grinsen zu. »Deine Lüge war eine gute Tat. Sie wäre außer sich, wenn sie wüsste, wo du wirklich bist.«

      Audric lachte. »Mutter kann gelegentlich einen Schrecken vertragen. Sonst wird ihr langweilig, und wenn ihr langweilig wird, fängt sie an, sich einzumischen, und wenn sie sich einmischt, fängt sie an, Lu und mich unter Druck zu setzen.«

      Was den Termin unserer Heirat betrifft. Die unausgesprochenen Worte hingen in der Luft, und Rielle konnte ihm nicht länger in die Augen sehen.

      Sie trat hinter den Wandschirm, den Odo bereitgestellt hatte, öffnete ihr Kleid und zog es aus. Nur noch im Unterkleid, griff sie nach der Hose, die Audric ihr zuwarf.

      »Wenn ich es nicht besser wüsste«, sagte sie, indem sie einen lockeren Ton beibehielt, »würde ich sagen, du klingst ganz schön rebellisch. Dabei dachte ich immer, du wärst keiner, der gegen die Regeln verstößt.«

      Er lachte erneut. »Du bringst mich dazu.«

      Allmählich dämmerte ihr, dass das hier eine schlechte Idee gewesen war. Sie hätte Odo um ein separates Zelt bitten sollen. Sich anderthalb Meter von Audric entfernt umzuziehen, war genau die Art von prickelndem Wahnsinn, auf den sie nicht vorbereitet war.

      Guter Gott, jetzt hörte sie, wie der Stoff der Reittunika über seinen Oberkörper glitt. Ja, sie konnte es beinahe spüren, als stünde er direkt neben ihr, zöge ihr das Gewand über den Kopf und befreite sie von der letzten verbliebenen Barriere zwischen ihnen.

      Während sie sich mühsam in ihre eigene schwarze Tunika zwängte und sich und ihre lästige lebhafte Fantasie verfluchte, blieb sie mit dem Arm in dem reich bestickten Kragen stecken.

      »Rielle?«, hörte sie Audrics Stimme. »Beeil dich, sie kündigen schon die Reiter an.«

      Verdammt, verdammt, verdammt. Rielle wand sich verzweifelt und zerrte an ihrem Hemd.

      Auf der anderen Seite des Wandschirms öffnete sich die Zeltklappe. »Das Rennen beginnt, und meine zwei Reiter sind nirgends zu entdecken«, ertönte Odos sonorer Bariton mit einem Hauch von Verärgerung. »Darf ich euch daran erinnern, dass ich ein hübsches Sümmchen auf euch beide gesetzt habe, ganz zu schweigen von meinem eigenen Kopf, falls einer von euch dumm genug sein sollte, sich erkennen zu geben? Oder schlimmer noch, sich den Hals zu brechen.«

      »Wir sind gleich da«, rief Rielle. »Habe ich dir je einen Grund gegeben, an mir zu zweifeln?«

      »Ehrlich gesagt, des Öfteren«, versetzte Odo. Dann hielt er inne. »Soll ich dir die einzelnen Male aufzählen?«

      »Einen Moment noch, Odo«, rief Audric mit einem Lachen in der Stimme.

      Die Zeltklappe schloss sich.

      »Kann ich rüberkommen?«, fragte Audric.

      »Ja, aber … ach, warte mal.« Mit einer ruckartigen Bewegung konnte Rielle sich befreien. Sie zerrte die Tunika nach unten und machte sich an den goldenen Bändern am Hals zu schaffen. »Ja, in Ordnung, jetzt bin ich angezogen.«

      Audric ging um den Wandschirm herum, ihre lederne Reitjacke und die Kappe in der Hand. »Wenn wir uns jetzt in dieses lebensgefährliche Rennen stürzen – könnte es sein, dass du die Verzagte bist?«

      »Dabei warst du doch derjenige, der so oft versucht hat, sich aus der Sache rauszuwinden.« Rielle riss ihm die Kappe aus der Hand. »Und der in seinem ganzen Leben noch gegen keine einzige Regel verstoßen hat.«

      »Aber für mein erstes Aufbegehren ist es doch nicht schlecht, findest du nicht auch?« Er trat näher, um ihr dabei zu helfen, die Spange der Tunika zwischen ihren Schultern zu schließen. Seine Finger streiften ihren Nacken. »Ich meine, ich hätte meine rebellische Phase auch mit etwas Einfacherem beginnen können. Morgens zu spät zum Hof kommen, meine Gebete ausfallen lassen oder mit einer Dienstmagd ins Bett gehen …«

      Sie prustete vor Lachen los. Es klang schriller, als ihr lieb war. »Du? Mit einer Dienstmagd? Du hast doch keine Ahnung davon, wie man eine Frau umgarnt.«

      »Meinst du.«

      »Ich glaube nicht.«

      »Bin ich in deinen Augen ein hoffnungsloser Fall?«

      »Fürs Erste müsstest du mal gelegentlich deine Bücher beiseitelegen.«

      »Lady Rielle«, entgegnete er in spöttischem Tonfall, »möchtest du mir etwa anbieten, mich in der Kunst zu unterweisen, wie man eine Frau verführt?«

      Beklommenes Schweigen machte sich breit. Rielle spürte, wie sich Audric hinter ihr verspannte. Die Röte stieg ihr in die Wangen. Warum hatte sie sich ausgerechnet in ein solches Gespräch verwickeln lassen? Sie hatte keine Ahnung davon, wie man jemanden umgarnte.

      Dafür hatte ihr Vater gesorgt.

      Einmal, mit dreizehn, war Rielle nach Hause gekommen, nachdem sie dem fünfzehnjährigen Audric dabei zugesehen hatte, wie er sich im Kasernenhof in der Schwertkunst geübt hatte. Sie war so aufgekratzt gewesen, dass sie fast aus der Haut geplatzt wäre.

      Ihr Vater und seine Leutnants hatten Audric an diesem Tag viele Übungen durchexerzieren lassen. Magistra Guillory hatte daneben gesessen und Ratschläge erteilt, wann immer sie es für angebracht hielt. Als Großmagistra vom Haus des Lichts überwachte die grimmige alte Frau Audrics Ausbildung zum Sonnenbändiger schon seit Jahren. Sie und Rielles Vater hatten Audric geholfen, den manchmal überwältigenden Ansturm seiner Macht in die verlässlichere körperliche Arbeit mit dem Schwert umzulenken.

      Rielle hatte Audric schon oft beim Training zugesehen, doch dieses Mal war es anders gewesen. Er war ihr danach nicht mehr aus dem Kopf gegangen – wie er sich im Nachmittagslicht bewegt hatte, jeder Schritt sicher und gezielt, die Stirn konzentriert in Falten gelegt, während sein Schwert Sonnenblitze über seine Haut warf. An diesem Abend hatte sie ihrem Vater nach dem Essen sein gewohntes Getränk gebracht und war so aufgewühlt gewesen, dass sie den Becher fallen ließ.

      Ihr Vater hob eine Braue hoch. »Du bist heute nicht du selbst.«

      Sie hatte nichts erwidert, da sie nicht wusste, was sie sagen sollte.

      »Ich habe dich heute im Hof beobachtet«, bemerkte ihr Vater milde. »Du kommst in letzter Zeit oft vorbei.«

      Rielle bückte sich, um die verschüttete Flüssigkeit aufzuwischen, das Gesicht hinter ihren Haaren verborgen.

      Dann zog ihr Vater sie in die Höhe, so unsanft, dass er sie am Handgelenk verletzte.

      »Ich weiß, was du denkst«, hatte er gesagt, »und ich verbiete es dir. Du könntest eines Tages die Kontrolle verlieren und ihm wehtun. Er besitzt eine seltene Gabe, verstehst du? Die stärkste Kraft, die jemand seit einem halben Zeitalter besessen hat. Es ist wichtig für das Reich, dafür zu sorgen, dass er sie zu beherrschen lernt, und nicht umgekehrt. Es hätte Audric gerade noch gefehlt, dass jemand wie du um ihn herumschwirrt.«

      Rielles Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. »Jemand wie ich?«

      Ihr Vater hatte sie ungerührt losgelassen. »Eine Mörderin.«

      Danach hatte Lord Kommandant Dardenne seiner Tochter nicht mehr erlaubt, Audrics Training beizuwohnen.

      Bis jetzt hatte Rielle mit ihren achtzehn Jahren noch niemanden geküsst,

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