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Zorngeboren - Die Empirium-Trilogie (Bd. 1). Claire Legrand
Читать онлайн.Название Zorngeboren - Die Empirium-Trilogie (Bd. 1)
Год выпуска 0
isbn 9783038801207
Автор произведения Claire Legrand
Издательство Bookwire
»Vater«, begann sie, »ehe wir hinuntergehen –«
Er ignorierte sie. »Im Augenblick lechzen alle im Schloss nach Klatsch und Tratsch. Sprich von nichts Wichtigem, während sie uns nach unten bringen.«
»Sie?«, fragte sie, aber sobald sie das Wohnzimmer betreten hatten, begriff sie.
Zwanzig Soldaten der königlichen Wache warteten mit gezückten Schwertern auf sie.
Rielle wankte nur kurz, als die Wachen sie aus Ludivines Gemächern in den Korridor mit den zahlreichen Fenstern brachten, wo das morgendliche Sonnenlicht den geschliffenen Stein in einen goldenen Glanz tauchte.
Sie reckte das Kinn und biss die Zähne zusammen. Audric lebte noch. Sie bereute nicht, was sie getan hatte.
Gut, ertönte die Stimme und klang erfreut. Du sollst auch nichts bereuen. Es war allerhöchste Zeit.
Sie fieberte. Sie war erschöpft und bildete sich Sachen ein.
Dennoch …
Wer bist du?, dachte sie.
Es kam keine Antwort.
Das Schweigen machte sie nervös, und obwohl es kindisch war, konnte sie sich nicht verkneifen, zu ihrem Vater zu sagen: »Ich fürchte mich nicht.«
»Meine Tochter«, antwortete er mit einem neuen, verstörten Unterton in der Stimme, »das solltest du aber.«
8 ELIANA
»Sie nennen ihn den Wolf. Unsere Informanten berichten, dass er der Liebling des Propheten ist. Sie behaupten, dass er nicht gefangen werden kann, aber seid versichert, Mylord: Wir werden diesen Wolf finden, seinem Körper jedes Geheimnis entreißen und ihn dann ausbluten lassen.«
Bericht von Lord Arkelion an seine heilige Majestät, den Kaiser der Unsterblichkeit
21. Juni im Jahr 1018 des Dritten Zeitalters
Der Wolf fesselte ihre Hände ans Treppengeländer und befahl ihr, sich auf die unterste Stufe zu setzen. Dann nahm er zu ihrer Überraschung seine Maske ab und schob die Kapuze zurück.
Elianas Madame hatte stark übertrieben.
Seine Narben liefen in silberfarbenen Streifen über Stirn, Nase und Wangen. An einigen Stellen war seine Haut geschädigt, von Feuer oder Wind, doch das Gesicht selbst, das von zerzausten, aschblonden Haaren eingerahmt wurde, war ernst und klar. Attraktiv.
Aber mit den Augen hatte die Madame recht gehabt: eisblau und hart wie ein Diamant.
»Gefällt dir, was du siehst?«
Eliana blickte kurz zu ihm auf. Dann beugte sie sich zu ihm, bog aber den Rücken so weit durch, dass er keine falschen Vorstellungen bekam.
Der Wolf kniete sich vor sie. »Du bist gut.«
Grinsend musterte sie ihn von oben bis unten – groß und schlank, schmal geschnittene Hose und Weste, ein Hemd mit Manschetten, Waffenhalfter an einer Schärpe um seinen Oberkörper und ein tief sitzender Gürtel, der auf seiner Hüfte lag. »Das bist du auch, Wolf. Es ist ein Jammer, dass ich dich töten muss. Wenn wir uns unter anderen Umständen begegnet wären, hätte ich gern dein Schwert gesehen.«
»Das ist gewiss eine herbe Enttäuschung.« Jetzt ließ er seinen Blick über ihren Körper wandern. »Du bist viel witziger, als ich gedacht habe.«
»Witzig?« Sie lachte kehlig. »Du hast ja keine Ahnung, wie witzig ich wirklich sein kann.« Sie lehnte sich so weit zurück, wie es ihre gefesselten Hände zuließen, und tat gelangweilt. »Also gibt es dich doch. Den mächtigen Wolf. Den gefürchteten Feldherrn der Roten Krone, den unaufhaltsamen Soldaten. Die rechte Hand des Propheten höchstpersönlich. Wenn du mich fragst, mehr Hund als ein Wolf. Ihr Rebellen seid doch alle gleich.«
»So, sind wir das?« Sein leichtes Lächeln ließ sie frösteln.
»Erzähl mal«, fuhr sie fort. »Wie ist das, wenn du dem Propheten Bericht erstattest? Kriechst du dann auf dem Bauch zu ihm und küsst seine Stiefel? Zieht er dir eins mit der Peitsche über, weil du den Kaiser noch immer nicht gestürzt hast? Wenn du mich fragst, solltest du jetzt lieber deinem Geschäft nachgehen. Tag für Tag sterben weitere Rebellen.« Sie lehnte sich wieder nach vorn und befahl ihrem pochenden Herzen, ruhig zu bleiben. »Dafür sorge ich.«
Er beugte sich ebenfalls vor. Obwohl er kniete, war er groß. »Falls du vorhast, mich wütend zu machen«, raunte er, ihre Lippen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, »muss ich dich leider enttäuschen.«
Mit jedem Moment, den er länger hier kauerte und sie anstarrte, mit jedem Moment, den sein Blick über alle Stellen und Kurven ihres Körpers wanderte, kam sie einem Panikanfall näher. Da war eine Ruhe an ihm – eine Art schreckliches Geheimnis, das zusammengerollt auf der Lauer lag und auf ihr lastete wie die Erinnerung an einen bösen Traum.
Kurz verlor sie die Nerven.
»Was willst du von mir?«, fragte sie.
Sein Lächeln wurde langsam breiter. »Tja, Madam Fluch, ich will dich.«
Die eigenartige Zärtlichkeit in seiner Stimme jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. »Wo ist meine Mutter?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
Eliana verdrehte die Augen. »Mir war nicht klar, dass die Rote Krone es sich zur Gewohnheit gemacht hat, wehrlose Frauen aus ihren Betten zu rauben«, sagte sie höhnisch. »Seid ihr nicht angeblich Helden? Kämpft gegen unsere Unterdrücker und rettet die Welt vor der Tyrannei?«
»Die Rote Krone ist für diese Entführungen nicht verantwortlich.«
»Wer dann?«
»Eine gute Frage. Ich habe meine Vermutungen.«
Es war sinnlos, ihn weiter zu beschuldigen. Schließlich hatte sie schon vor einer ganzen Weile ausgeschlossen, dass die Rote Krone etwas mit dem Verschwinden der Frauen zu tun hatte.
Aber sie wurde den Gedanken nicht los, dass ihre Mutter irgendwo gefangen gehalten wurde und sich alleingelassen und verängstigt fragte, wann ihre Tochter sie endlich dort herausholte.
Elianas Augen brannten. Wie gern hätte sie jetzt ihre Dolche in den Fingern. »Entweder du tötest mich«, sagte sie betont gut gelaunt, »oder du bindest mich los, damit ich dir deine falsche Zunge herausschneiden kann.«
»Mir liegt weder am einen noch am anderen.« Er unterdrückte ein Lächeln. »Ich habe dir ein Angebot zu unterbreiten, aber ich würde es vorziehen, an einem anderen Ort darüber zu reden, falls diejenigen, die deine Mutter mitgenommen haben, noch einmal zurückkommen. Was hältst du davon, wenn wir uns woanders um unsere Geheimnisse kümmern, kleiner Fluch?«
Klein? Sobald sich die Gelegenheit bot, würde sie ihm kräftig den Hintern versohlen.
»Spinnst du?«, blaffte sie ihn an.
»Das haben sich schon viele gefragt.« Er legte zwei Finger unter ihr Kinn, damit sie ihn ansah. Seine Berührung war wie ein Stromschlag, aber sie riss sich zusammen und lehnte sich in seine Hand.
»Solche Leute wie dich jage ich«, sagte sie und grinste leicht, aber unbeirrt.
»Ich weiß, und du machst deine Sache gut.« Jeglicher Humor war aus seiner Stimme verschwunden. »Sag mir eins, Madam Fluch: Wenn ich verspreche, dass ich dir bei der Suche nach deiner Mutter helfe, und du mich im Gegenzug unterstützt, wirst du dich mir dann anschließen?«
Eliana versuchte, schlau aus ihm zu werden, fand aber nichts, was ihn verriet. Sich ihm anschließen? Ein lächerlicher Gedanke. Sie konnte ihm ja wohl kaum vertrauen.
Aber wenn sie sich weigerte, wenn er aus der Stadt floh und sie mit leeren Händen bei Lord Arkelion erschien – was dann?
Wie gern hätte sie jetzt ihre Augen geschlossen und einen Moment in Ruhe darüber nachgedacht. Mutter,