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Brighton beachtete den Jungen nicht weiter, aber Hasard glaubte den Bootsmann gut genug zu kennen, um zu wissen, daß auch ihm die Reaktion Dans nicht entgangen war.

      Brighton schloß die Tür, nachdem Hasard und er die Kammer betreten hatten.

      Romero Valdez hockte zusammengesunken auf seiner Koje. Er blickte auf, als er bemerkte, daß jemand seine Kammer betreten hatte. In seinen dunklen Augen war das Feuer des Widerstandes erloschen. Er hatte hoch gespielt, und er hatte verloren.

      „Was wollen Sie?“ fragte er heiser, und Brighton übersetzte es für Hasard.

      „Sag ihm, daß ich kein Interesse daran habe, ihn und seine Mannschaft mit nach England zu nehmen“, antwortete Hasard ruhig. „Bei der ersten Gelegenheit werde ich ihn an Land setzen lassen. Frag ihn, ob er eine Möglichkeit sieht, ohne daß wir dabei in Gefahr geraten, daß Schiff zu verlieren.“

      Ben Brighton übersetzte, und als der Spanier antwortete, hörte Hasard das Wort Berlenga heraus. Er nickte Brighton kurz zu, daß er verstanden hätte. Die Berlengas waren eine öde Inselgruppe etwa dreiundvierzig Seemeilen nördlich von Kap da Roca, das sie im Augenblick ansteuerten.

      Allerdings waren die Berlenga-Inseln nicht ungefährlich. Die Küste war mit gefährlichen Klippen bestückt, an denen ein Schiff bei auflandigem Wind im Handumdrehen zerschmettert werden konnte.

      Capitan Romero Valdez’ Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse des Schmerzes, als er sich von seiner Koje erhob und Hasard anblickte. Sein verletzter rechter Arm hing in einer Schlinge.

      „Haben Sie es entdeckt?“ fragte er heiser.

      Hasard spielte den Erstaunten, als Brighton ihm die Frage übersetzte. Er zuckte mit den Schultern und antwortete: „Sag ihm, daß ich nicht weiß, was er meint.“

      Während der Bootsmann dem Spanier auf seine Frage antwortete, öffnete Hasard die Tür der Offizierskammer und winkte Daniel O’Flynn herein.

      „Schneide dem Capitan die Fußfesseln durch“, sagte er, und an Ben Brighton gewandt: „Erklär ihm, daß ich jeden weiteren Flucht- oder Befreiungsversuch mit unnachgiebiger Härte ahnden werde.“ Er wartete, bis Ben Brighton seine Worte übersetzt hätte und trat dann mit dem Bootsmann auf den Gang hinaus. Auf dem Quarterdeck ließ sich Hasard die steife Brise aus Südost um die Ohren wehen.

      Die „Isabella“ lag prall vor dem Wind und segelte mit Steuerbordhalsen nach Nordnordwest.

      Ben Brighton hatte alle Leinwand, die nur möglich war, gesetzt. Am Großsegel und der Fock waren jeweils zwei Bonnets angereiht, am Lateinersegel des Besans eines. Die Blinde unter dem Bugspriet schien das Schiff förmlich nach vorn durch die Wellen zu ziehen.

      Die schwerfällige Galeone pflügte durch die höher werdende See. Sie lag gut im Wasser. Die schwere Ladung war jetzt von Vorteil. Hasard schüttelte den Kopf, als er an den Morgen dachte. So etwas hatte er noch nie erlebt. Es Wollte ihm nicht in den Sinn, wieso heute morgen auf einmal fast Windstille geherrscht hatte. Wenn der Wind hinterher umgeschlagen wäre und ihnen ins Gesicht geblasen hätte, wäre es etwas anderes gewesen. Aber er blies jetzt weiterhin aus Südost wie schon in der Nacht vorher.

      Die Stimme Ben Brightons riß ihn aus seinen Gedanken.

      „Wasser auf die Leinwand?“ fragte der Bootsmann.

      Hasard zog die linke Augenbraue hoch und musterte Brighton mißtrauisch. Der Bootsmann schien ihm sonst nicht der Typ zu sein, der ein Schiff bis zur Grenze seines Leistungsvermögens vorwärtsknüppelte.

      Wollte sich Brighton über ihn lustig machen?

      Hasard verneinte diese Frage sofort. Ben Brighton war ein Seemann durch und durch. Ihm bereitete diese scharfe Fahrt wahrscheinlich ebensoviel Spaß wie dem Seewolf. Hasard glaubte es in den Augen des sonst so unerschütterlichen Bootsmanns zu erkennen. Sie hatten einen Glanz, den Hasard heute zum erstenmal in ihnen entdeckte.

      „Kein Wasser, Ben“, sagte Hasard. Er mußte brüllen, denn der scharfe Südost riß ihm die Worte von den Lippen. „Die Männer sollen sich den Tag und die Nacht über noch ausruhen. Morgen will ich die Geschütze überprüfen und Probeschießen, damit wir für alle Fälle gerüstet sind.“

      „Aye, aye“, sagte Ben Brighton.

      Als über ihnen das Großmarssegel knatterte, brüllte der Bootsmann den Rudergänger an.

      Der Mann korrigierte hastig den Kurs um einen Strich, und das Marssegel stand wieder voll.

      Hasard hatte sich auf die Poop zurückgezogen. Er mußte über das enttäuschte Gesicht Ben Brightons lächeln, als er ihm den Wunsch abgeschlagen hatte, die Segel zu nässen. Das Wasser hätte die Leinwand noch luftundurchlässiger werden lassen, und der Druck des Windes auf die Segel hätte sich dadurch noch verstärkt. Gewiß, sie hätten noch schnellere Fahrt gemacht, und Hasard war wie alle anderen Mitglieder der Mannschaft daran interessiert, so schnell wie möglich in den Heimathafen Plymouth einzulaufen, aber er mußte mit den Kräften seiner Männer haushalten.

      Zuviel konnte auf der Fahrt nach Hause noch passieren.

      5.

      In der Nacht hatten sie ihren Kurs auf Nord geändert. Der steife Wind wehte immer noch aus südöstlicher Richtung. Sie segelten mit vollem Zeug unter Backstagswind. Hasard war aufgeblieben und hatte Ben Brighton unter Deck geschickt, damit auch der Bootsmann eine Mütze voll Schlaf nehmen konnte. Der vierschrötige Blacky schob Wache am Niedergang zum Lagerraum, wo die gefangenen Spanier untergebracht waren. Ab und zu holte er etwas unter seiner Segeltuchjacke hervor und setzte es an den Mund. Hasard vermutete, daß er sich etwas von dem Wein für die kühle Nacht aufgehoben hatte.

      Vor der Offizierskammer, in der sich der Capitan befand, war niemand mehr. Hasard hatte die Tür abschließen lassen. Das Fenster zur Heckgalerie hatte Ferris Tucker so verschalkt, daß Valdez nicht einmal mit einer Axt hindurchgekommen wäre Außerdem glaubte Hasard nicht, daß Valdez noch einmal den Mut fand, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Der Mann war zerbrochen. Die Gewißheit, daß er einen steifen Arm behalten würde, der seine Karriere als Seeoffizier der spanischen Marine beendete, setzte ihm sicher schwer zu.

      Im ersten Morgengrauen ließ Hasard Ben Brighton wecken. Der Bootsmann tauchte wenig später mit wehender Jacke und offenem Hemd neben dem Seewolf auf. Sein Gesicht war schuldbewußt.

      „Ich habe geschlafen wie eine Ratte. Ich …“

      Hasard winkte ab.

      „Du hast den Schlaf dringend gebraucht, Ben“, sagte er. „Du hättest dir auch noch die Zeit nehmen können, deine Hose zuzubinden und das Hemd am Kragen zu schließen.“

      „Entschuldigung …“ Brighton wurde tatsächlich noch rot. Aber Hasard wußte, daß es weniger seine Verlegenheit als seiner Wut zuzuschreiben war, daß er sich von einem grünen Jungen so etwas sagen lassen mußte.

      „Ich werde mich jetzt hinlegen, Ben“, sagte Hasard, ohne sich weiter um den Bootsmann zu kümmern, der hastig an seinem Gürtel herumfummelte. „Wenn die Sonne zwei Strich über der Kimm steht, weck mich bitte. Ich möchte dann alle Mann an Deck sehen. Bereite die Männer darauf vor, daß es heute was zu schwitzen gibt.“

      „Aye, aye“, brummelte Ben Brighton hinter Hasard her, der unter der Poop in dem Gang verschwand, der zu seiner Kammer führte. Fluchend riß er an dem Band, das vorn seine Hose zuhalten sollte und sich verheddert hatte, bis er die Geduld verlor und es einfach mit einem Messer auftrennte. Er war wütend bis in die Zehenspitzen. Schon lange hatte ihn keiner mehr so auf die Mastspitze gebracht wie dieser junge Teufel, der das unverschämte Glück hatte, von Francis Drake bemerkt worden zu sein.

      Lamgsam beruhigte sich Ben Brighton, und bald konnte er schon wieder grinsen. Es mußte wahrlich ein erhebender Anblick für den jungen Killigrew gewesen sein, wie der altgediente Bootsmann Ben Brighton mit halb heruntergelassener Hose vor ihm stand.

      Es war ein Tag wie Hasard ihn liebte.

      Der

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