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Seewölfe Paket 1. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe Paket 1
Год выпуска 0
isbn 9783954394906
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Daß Hasard die Flaschen für die Mannschaft von sich aus spendiert hatte, brauchte Tucker den anderen ja nicht gerade unter die Nase zu binden. Und so erhielt der rothaarige Riese noch so manchen Schluck gratis, nachdem er seine beiden Flaschen als erster ausgetrunken hatte.
Hasard hatte sich in die Kapitänskammer zurückgezogen. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag die lederne Kassette, die ihn beinahe das Schiff und das Leben seiner Männer gekostet hätte.
Hasard Killigrew wußte nicht, was er in dieser geheimnisvollen Kassette finden würde. Er glaubte irgendwie nicht an die Vermutung Ben Brightons, daß es sich um den persönlichen Schatz Capitan Romero Valdez’ handelte. Für ein paar Schmuckstücke ging kein Mann ein Risiko ein, wie Valdez es getan hatte.
Hasard hob den Deckel der schweinsledernen Kassette an. Er sah graues Leinen. Er zog es heraus. Nichts mehr. Keine Smaragde, Diamanten oder Rubine.
Nur ein Stück zusammengefaltetes Leinen.
Hasard wischte die Kassette mit einer wütenden Handbewegung vom Tisch. Hatte er sich von Capitan Valdez zum Narren halten lassen? Hatte er das Schiff und seine Mannschaft aufs Spiel gesetzt, nur um dieses lächerliche Stück Leinen in den Händen zu halten?
Nein, es mußte noch etwas anderes in der Kassette sein.
Hasard bückte sich und hob die Lederkassette wieder auf. Er untersuchte sie sorgfältig, doch sie hatte weder einen doppelten Boden noch war etwas in vernähten Seitentaschen zu finden.
Hasard warf die Kassette gegen die Wand. Er beruhigte sich nur langsam. Dann besann er sich auf das Stück Leinen und faltete es auseinander. Es war nicht nur ein Stück. Mehrere kleinere Leinenstücke fielen ihm entgegen.
Er wußte sofort, daß es sich um Seekarten handelte, als er die feinen Linien und mit spitzer Feder geschriebenen Namen sah. Er schob die kleineren Karten beiseite und glättete die große auf dem Schreibtisch. Er kannte sich in den Gewässern an der europäischen Westküste aus, und er war überzeugt, daß er auf Anhieb erkannte, welchen Küstenabschnitt die Karte zeigte.
Er hatte sich getäuscht.
Er suchte nach vertrauten Namen, aber er fand nicht einen. Er sprach die ihm unbekannten spanischen Namen halblaut vor sich hin.
Eine innere Erregung packte ihn mit der Wucht eines Orkans. Seine Finger, die die Karte hielten, begannen zu zittern.
Ja, das war es!
Die „Isabella von Kastilien“ war aus dem spanischen Eldorado gekommen, gemeinsam mit der Flotte, mit der Hasard und seine Männer gezwungenermaßen nach Cadiz gesegelt waren.
Philip Hasard Killigrew hielt nichts anderes in den Händen als die Seekarten der Neuen Welt, aus der die Spanier ihren ungeheuren Reichtum bezogen!
Das Zittern seiner Hände hörte nicht auf. Zu groß war der Schock, der Hasard getroffen hatte. Seit den Zeiten Christopher Columbus’ galten die Seewege nach der Neuen Welt als das bestgehütete Geheimnis der Alten Welt. Spaniens Casa wollte um jeden Preis verhindern, daß die anderen europäischen Seefahrtsnationen den Weg ins Eldorado fanden und Spaniens Macht und Reichtum beschnitten.
Hasard kannte die Bulle des Papstes Alexander von 1493 genau. Der oberste Kirchenfürst hatte der spanischen Krone alles Land, das mehr als hundert Meilen westlich der Azoren lag und von den Spaniern entdeckt und erobert wurde, zugesichert. Und die Casa hatte seitdem das ihre getan, um zu verhindern, daß andere Nationen den Weg in die Neue Welt fanden.
Nur die größten und sichersten Schiffe führten Seekarten mit sich, und die spanischen Kapitäne waren angehalten, Bordbücher und Karten sofort zu vernichten, wenn Gefahr bestand, daß ein Schiff von Korsaren gekapert wurde.
Fasziniert betrachtete Hasard immer wieder die. einzelnen Karten. Vor ihm eröffnete sich in diesem Augenblick tatsächlich eine „Neue Welt“. Er sah zum erstenmal die Formen der westindischen Inseln, von denen er bisher nur gehört hatte.
Eine Karte verzeichnete den Seeweg an der Ostküste des neuen Kontinents, bis hinunter zur Südspitze, die Magalhaes umsegelt und so den Weg von Osten in den Pazifik gefunden hatte.
Die nächste Karte zeigte die Umrisse, Buchten und Häfen der Westküste. Hasard versuchte, die in Spanisch abgefaßten Bemerkungen am Rand der Karten zu übersetzen, aber seine Kenntnisse der spanischen Sprache reichten dazu nicht aus. Er überlegte, ob er Ben Brighton hinzuziehen sollte, der des Spanischen mächtig war, aber dann schüttelte er den Kopf. Je weniger Männer wußten, was die Kassette enthielt, desto besser. Hasard entschloß sich in diesem Moment, den Leuten zu erzählen, die Kassette hätte Juwelen des Capitan enthalten. Er würde ihnen ein Prisengeld versprechen.
Langsam faltete Hasard die leinenen Karten wieder zusammen. Seine Erregung flaute nur allmählich ab. Er war sich darüber im klaren, daß er der erste Engländer war, der den Schlüssel zur Neuen Welt in den Händen hielt – vielleicht außer ein paar Freibeutern in Westindien, von denen in der Alten Welt gemunkelt wurde. Aber soviel Hasard gehört hatte, waren die nur auf die fette Beute der spanischen Schatzschiffe aus und nicht darauf erpicht, ihre Nasen in unbekannte Meere zu tunken und neues Land zu entdecken.
Hasard war entschlossen, niemandem als Francis Drake persönlich etwas von diesen Seekarten zu sagen. Von seinem Alten hatte Hasard genug über die gelackten Lords gehört, die sich anmaßten, als einzige befähigt zu sein, etwas für Englands Ruhm und Ehre zu tun.
Nein, ihnen wollte er den Triumph nicht gönnen, mit den Karten bei Hof zu erscheinen, nur um persönliche Vorteile herauszuschinden.
Francis Drake war genau der Mann, der dieses Geschenk des Himmels richtig einsetzen konnte. Hasard kannte keinen besseren Seefahrer als ihn. Und als einzigen Lohn für die Beschaffung der Karten erhoffte sich Hasard, daß er dabei sein durfte, wenn Francis Drake die Segel setzte, um in die Neue Welt aufzubrechen.
Hasard erhob sich und ging zur Koje hinüber, vor der die schweinslederne Kassette lag. Er hob sie auf und legte die Karten wieder hinein. Dann stopfte er die Kassette unter die Matratze seiner Koje und verließ die Kammer.
Auf dem Gang stand Batuti. Mit dem Rücken hatte er sich gegen die Tür der Offizierskammer gelehnt, in der Capitan Valdez gefangengehalten wurde.
„Hol den Bootsmann und O’Flynn her“, sagte Hasard. „Ich möchte euch drei sprechen.“
„Aye, aye“, sagte der Neger und lief los.
Hasard Killigrew konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der große Mann aus Gambia war erst seit kurzem an Bord seines Schiffes, aber er bewegte sich darauf, als hätte er bereits zwanzig Jahre Dienst auf einer britischen Kriegsgaleone hinter sich.
Hasard warf noch einen Blick auf die Kammertür, hinter der Capitan Valdez hockte. Er glaubte nicht, daß Valdez jetzt noch an Flucht dachte. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Wahrscheinlich verfluchte er sich jetzt, daß er die Kassette in der Nacht, als er geflohen war, nicht einfach über Bord geworfen hatte.
Hasard ging in seine Kammer zurück. Gleich darauf tauchten Ben Brighton, Dan O’Flynn und Batuti auf.
Hasard kam sofort zur Sache.
„Es geht um die Kassette von Valdez“, sagte er. „Die Mannschaft wird wissen wollen, was für Valdez so wichtig war, daß er sein Leben dafür riskierte. Es war sein Familienschmuck, Ich glaube, er ist ziemlich kostbar. Ihr könnt den Männern sagen, daß sie ein gutes Prisengeld erwarten können.“
Daniel O’Flynn und Batuti grinsten. Ben Brighton blieb ernst. Ihm schien diese Erklärung nicht ganz geheuer zu sein. Hasard sah es ihm an. Er nickte Batuti zu und sagte: „Ferris Tucker soll das Fenster der Offizierskammer von der Galerie aus verschalken, und Blacky soll ein Tau herrichten, mit dem wir Valdez so an seine Koje fesseln können, daß er sich selbst mit einem Enterbeil nicht befreien kann.“
Batuti brüllte sein „Aye, aye!“ und verschwand mit dem Blondschopf Dan O’Flynn.
Ben