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packte den Richtkeil, der zu seinen Füßen lag, und warf sich nach vorn. Mit einem kräftigen Stoß hieb er den Keil unter das linke Hinterrad der Lafette.

      Einen Moment lang sah es aus, als würde die Lafette umstürzen. Die Beschläge der Schildzapfen schienen sich zu biegen. Hasard betete, daß sie hielten.

      Blacky und zwei weitere Männer stürzten herbei und packten das lose Brooktau. Sie zerrten mit aller Kraft daran, und sie schafften es, die Lafette wieder auf alle vier Räder zu bringen.

      Die Galeone hatte die Halse beendet.

      Der Seewolf sprang auf und schrie die Männer an, die atemlos zugeschaut hatten.

      „An die Backbordgeschütze! Bei drei wird gefeuert! Eins – zwei – drei! Feuer!“

      Die „Isabella“ bebte unter den Kräften, die frei wurden, als die schweren Geschütze ihr Eisen aus dem Rohr fauchten, Wieder hüllten Pulverdampf Schwaden das Hauptdeck ein.

      Hasard packte mit an, um die losgerissene Kanone an die Stückpforte heranzubringen. Bei den anderen Kanonen waren die Männer bereits dabei, die Läufe mit der Handspake und dem Rohrwischer von glimmenden Pulver- und Kartuschenresten zu reinigen. Dan O’Flynn schob ein paar Yards von Hasard entfernt einen mit Seewasser getränkten Schwamm in das Rohr und stieß ihn hinein, um es zu säubern und abzukühlen. Ein anderer Mann kratzte mit dem Zündlochbohrer den Zündkanal aus.

      Während O’Flynn zum nächsten Geschütz hastete, um das Rohr zu reinigen, führte ein Mann die halbzylindrische Ladeschaufel, die mit Pulver gefüllt war, in das saubere Rohr, bis sie den Seelenboden berührte. Dann drehte er die Schaufel vorsichtig, um das Pulver in die Kammer des Stückes zu entleeren. Er zog die Ladeschaufel darauf fast bis zur Mündung wieder heraus und führte sie dann erneut ein, um die losen Körner aufzunehmen, die beim ersten Einführen verlorengegangen waren.

      Hasard wurde sich in diesem Augenblick klar, daß sie sich diesen Ladevorgang mit nur sechzehn Mann Besatzung, von denen einige noch das Schiff manövrieren mußten, nicht leisten konnten, wenn es zu einem Gefecht kam. Wenn sie ihr Probeschießen beendet hatten würde er alle verfügbaren Männer daran setzen, Kartuschen aus Segeltuch herzustellen, um das Pulver schneller in die Kammer zu bringen.

      Für die schweren Geschütze mußte der Mann die Ladeschaufel dreimal einführen, um die Kammer mit Pulver zu füllen.

      Ein dritter Mann begann danach, Werg und altes Tauwerk mit dem Ansetzer auf das Pulver zu rammen. Ferris Tucker hatte seinen Daumen in den Zündkanal gesteckt, damit das grobe Pulver nicht hineingepreßt wurde und ihn verstopfte.

      Ein Mann hob eine Kugel aus dem Grummet und schob sie in die Mündung. Langsam ließ er sie ins Rohr rollen. Der Mann mit dem Ansetzer stopfte abermals Dämmaterial nach und rammte es mit kräftigen Stößen fest. Dabei stand er seitlich vom Rohr. Zu oft schon war es passiert, daß im Kampfeseifer eine Kanone einmal zu früh losging und der Mann, der sie gerade lud, in alle Winde geblasen wurde.

      „Schneller, ihr Lahmärsche!“ brüllte der Schiffszimmermann und jagte die Leute zur nächsten Kanone, während er selbst aus einem Pulverhorn, das er an einem Seil um den Hals hängen hatte, das feine, „scharfe“ Pulver in den Zündkanal füllte. Kaum war er damit fertig, brüllte O’Flynn rechts von ihm: „Geschütz klar!“

      Jetzt ging es Schlag auf Schlag.

      Hasard lachte das Herz im Leibe, als er die Männer beobachtete. Ferris Tucker hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Sie waren aufeinander eingespielt, als hätten sie schon zehn Jahre lang auf einem Batteriedeck zusammengearbeitet.

      Ben Brighton hatte bereits wieder gehalst, und er war mit dem Manöver noch nicht ganz fertig, da brüllte Ferris Tucker: „Steuerbord bereit zur Breitseite!“

      Hasard wartete ab, bis die Galeone am Wind lag, dann schrie er: „Feuer!“

      Die Geschütze brüllten auf.

      Der Seewolf kniff die Augen zusammen, um durch die Pulverdampfschwaden den Einschlag der Eisenkugeln erkennen zu können. Dann sah er die Wasserfontänen in kurzen Abständen nacheinander hochspritzen.

      Hasard beglückwünschte sich dazu, daß er einen Mann wie Ferris Tucker an Bord hatte. Der Mann war nicht nur ein ausgezeichneter Schiffszimmermann – er war der geborene Stückmeister. Wenn Hasard nicht alles täuschte, lagen die Einschläge der Kugeln in der Entfernung kaum zehn Yards auseinander. Das Schiff, das diese Ladung hätte schlucken müssen, wäre in zwei Teile gerissen worden.

      Ben Brighton fuhr die nächste Halse. Die Backbordgeschütze waren bereits wieder gereinigt. Das Laden begann.

      Hasard winkte Ferris Tucker zu. Das Gesicht des rothaarigen Riesen glühte vor Eifer.

      „Genug, Ferris!“ rief Hasard hinüber. „Das war schon sehr gut. Wenn die Männer sich im Gefecht noch steigern, brauchen wir uns vor niemandem zu fürchten.“

      „Aye, aye!“ brüllte Ferris Tucker. Er wandte sich an die Männer, die die Geschütze bedient hatten und nun in ihrer Arbeit innehielten. Ihre Gesichter waren geschwärzt vom Pulverrauch, Schweiß rann ihnen in Bächen von der Stirn. Dan O’Flynns Hemd war zerrissen. Der riesige blutunterlaufene Fleck auf seiner linken Schulter war deutlich zu sehen. Er mußte noch höllische Schmerzen haben, aber in diesem Augenblick dachte er nicht daran.

      Neben ihm stand Batuti, der große Gambia-Neger. In seinem Gesicht waren die schneeweißen Zähne und die leicht geröteten Augäpfel zu sehen, die er wild rollte.

      Der vierschrötige Blacky hatte sich auf seinen Ansetzer gestützt. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich unter tiefen Atemzügen. Smoky, der frühere Decksälteste der „Marygold“, hatte eine blutende Schmarre quer über der linken Wange. Er hatte es noch nicht bemerkt.

      Selbst der schmächtige Kutscher, dem nichts mehr zuwider war als harte Arbeit, hatte sich als ganzer Mann bewiesen. Als er das erstemal die Ladeschaufel mit dem Pulver in das Rohr eingeführt hatte, hatten seine Hände noch gezittert – dann hatte er schnell und sicher gearbeitet wie alle anderen. Niemand wunderte sich jetzt mehr darüber als der Kutscher selbst.

      „Habt ihr gehört, ihr lahmen Enten?“ schrie Ferris Tucker. „Dem Kapitän hat eure Arbeit gefallen, obwohl ihr langsam wie Schnecken gewesen seid. Das nächstemal werdet ihr euch ein bißchen beeilen, sonst ziehe ich euch die Hammelbeine lang, verstanden?“

      „Aye, aye, Sir!“ donnerte es aus einem Dutzend Kehlen über das Deck der „Isabella“.

      An dem Niedergang zum Quarterdeck drehte sich Hasard um.

      „Laß das Deck säubern, Ferris“, sagte er. „Wenn die Männer damit fertig sind, erhält jeder noch eine Flasche Wein aus dem Vorrat von Capitan Valdez.“

      Ein unbeschreiblicher Jubel brach los. Die Männer ließen ihren Seewolf hochleben, daß die eingeschüchterten und ängstlich nach oben zur Gräting starrenden Spanier denken mußten, das Häuflein Engländer hätte mit der „Isabella“ ganz allein die spanische Flotte versenkt.

      Ferris Tucker ließ als erstes die Geschütze festzurren, damit ihnen nicht noch so ein Mißgeschick widerfuhr wie vorhin. Er brauchte die Leute nicht anzufeuern. Jeder war darauf erpicht, so schnell wie möglich fertig zu werden, um eine Flasche Wein in Empfang nehmen zu können.

      Nach kurzer Zeit blitzte das Deck, als hätte es das Übungsschießen nie gegeben. Ben Brighton, der das Kommando der Galeone wieder an Hasard abgegeben hatte, teilte den Wein aus. Die Blinde war wieder gesetzt und die Bonnets wieder angereiht.

      Die Galeone hielt den Kurs Nord und segelte mit Backstagswind und Steuerbordhalsen auf Kap da Roca zu.

      Der Seewolf stand auf der Poop und lehnte an der Reling. Der Wind spielte mit seinem schwarzen Haar. Er genoß die brausende Fahrt, und er dachte, daß dies einer der schönsten Tage seines Lebens sei. Er war erst kurz über zwanzig Jahre alt, und er befehligte ein Schiff. Und vor ein paar Stunden hatte Ferris Tucker ihn zum erstenmal und in Gegenwart der ganzen Mannschaft Kapitän genannt.

      Es

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