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Baß des Gambia-Negers aus dem Mars riß den Seewolf aus seinen Gedanken. Hasard ging nach Steuerbord hinüber und schaute nach vorn, doch die Blinde nahm ihm die Sicht.

      „Heda!“ brüllte er Smoky zu, der zum Mars hochblickte, wo Batuti aufgeregt mit den Armen herumfuchtelte. „Hol den Bootsmann an Deck!“

      Der breitschultrige Mann hob die rechte Hand, zum Zeichen, daß er Hasard verstanden hatte, und ging langsam auf den Niedergang zu, der unter Deck zu den Pulverkammern führte.

      Hasards scharfe Stimme peitschte übers Deck.

      „Ein bißchen schneller, Smoky, verstanden?“

      Hasard sah, wie Smoky zusammenzuckte. Der vierschrötige Mann blickte erschrocken zum Quarterdeck hoch, und dann hastete er vorwärts, daß er beinahe über die Kante der Decksgräting gestolpert wäre.

      Hasard war wütend. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein? Der Mann mußte wissen, daß ein Befehl so schnell wie möglich ausgeführt werden mußte. Diese Nachlässigkeit hätte er sich auf der „Marygold“ von Francis Drake nicht erlauben dürfen.

      Die Hände des Seewolfs zitterten. Er mußte sich zusammenreißen, um nicht loszubrüllen und den Mann am Ankerspill festbinden und auspeitschen zu lassen.

      Ben Brighton erschien an Deck und stieg sofort die Stufen zum Quarterdeck hoch. Sein Blick war fragend auf Hasard gerichtet. Wahrscheinlich sah er, daß Hasard sich bemühte, nicht die Fassung zu verlieren.

      Hasard wies auf Smoky, der mit knallrotem Kopf neben dem Niedergang stehengeblieben war.

      „Jag Smoky in den Mars, Ben“, sagte er kalt. „Und laß ihn nicht eher wieder herunter, bis ich den ausdrücklichen Befehl dazu gebe!“

      „Aye, aye“, sagte der Bootsmann. Er schien zu wissen, daß es unklug war, jetzt eine Frage zu stellen.

      „Smoky, in den Großmars!“ brüllte er. „Du löst Batuti ab!“

      Der Mann reagierte diesmal, als seien ein paar Freibeuter mit dem Entermesser hinter ihm her. Er enterte die Wanten, bevor Hasard zweimal durchgeatmet hatte. Er half Batuti, den Tampen zu lösen, mit dem sich der Schwarze gesichert hatte, und übernahm dann seinen Platz. Batuti schwang sich in die Wanten und hangelte sich innenbords an den Webeleinen hinunter an Deck, wo er grinsend auf weitere Befehle wartete.

      „Batuti hat Land gesichtet“, sagte Hasard zu Ben Brighton. Der Seewolf hatte sich wieder gefangen. Seine Wut war verraucht, aber er würde diesen Zwischenfall nicht vergessen. Das Verhalten des früheren Decksältesten hatte ihm zu denken gegeben. Er hatte geglaubt, mit einer Mannschaft auf einer kameradschaftlichen Basis zusammenarbeiten zu können, aber er hatte nicht in Betracht gezogen, daß es immer wieder Männer gab, die Anständigkeit mit Gutmütigkeit und Schwäche verwechselten.

      Hasard wußte, daß er nicht alle über einen Kamm scheren durfte, aber Smoky hatte ihm mit seinem Verhalten bewiesen, daß es besser war, wenn man der Mannschaft immer und immer wieder klarmachte, wer der Kapitän war. Er würde es dem Decksältesten einbleuen, daß er an nichts anderes mehr denken konnte. Hier an Bord war Hasard der Herrgott, dessen Wort oberstes Gesetz war!

      Ben Brighton war zur Steuerbordreling hinübergegangen und betrachtete den schmalen schwarzen Streifen über der Kimm.

      „Die Berlengas“, sagte er. „Ich hätte nicht geglaubt, daß wir sie heute noch bei Tageslicht erreichen.“

      „Bereite die Spanier darauf vor, daß sie noch vor Einbruch der Dunkelheit an Land gesetzt werden“, sagte Hasard. „Die Mannschaft soll sich vollzählig versammeln. Die Männer werden mit Musketen und Pistolen bewaffnet. Erklär den Spaniern, daß meine Männer den Befehl haben, bei der geringsten verdächtigen Bewegung zu schießen. Es liegt ganz an ihnen, ob sie das Land heil erreichen.“

      „Wir sollten die Insel westwärts umsegeln“, sagte Ben Brighton. „Bei Legerwall können wir nicht nah genug heran, und die Spanier werden uns Schwierigkeiten bereiten, wenn wir sie zu weit draußen absetzen. Schließlich finden nur ein paar von ihnen in dem Boot Platz. Die anderen müssen sich außenbords an Tampen festhalten.“

      „Wir verlieren Zeit, wenn wir vom Kurs abgehen“, sagte Hasard nachdenklich.

      „Wie lautet dein Befehl?“ fragte Ben Brighton mit unbeweglichem Gesicht.

      Der Seewolf wollte schon wieder wütend werden. Er preßte die Lippen aufeinander und schluckte eine harte Antwort hinunter.

      „Ich sehe Mastspitzen! Steuerbord achteraus!“ brüllte Smoky aus dem Großmars.

      Hasard und Ben Brighton drehten sich erschrocken um. Hasard nahm seinen Kieker ans Auge, aber er konnte nichts entdecken.

      „Es werden immer mehr!“ brüllte Smoky. „Die ganze Kimm sieht wie genagelt aus!“

      „Dreh auf West, Ben!“ Hasard stieß die Worte zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor. Er beobachtete das Gesicht des Bootsmanns, und er nahm sich vor, Brighton das geringste Grinsen heimzuzahlen. Doch Ben Brighton hatte sich voll in der Gewalt.

      Er brüllte seine Befehle übers Deck.

      Die Männer warfen die Brassen los. Die Rahen schwenkten herum, und wenig später segelte die Galeone mit Backbordhalsen auf westlichem Kurs.

      Hasard hatte die Mastspitzen jetzt im Blickfeld des Kiekers. Sie wurden zusehends kleiner und verschwanden dann hinter der Kimm. Er hoffte, daß sie von den anderen Schiffen nicht entdeckt worden waren.

      Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Ben Brightons Vorschlag auszuführen und die Insel, auf der sie die Spanier aussetzen wollten, westwärts zu umsegeln.

      Hasard wußte, daß Brighton sich zwischen den Berlengas auskannte. Francis Drake hatte das Inselgebiet schon mehr als einmal benutzt, um sich vor einer spanischen Übermacht in Sicherheit zu bringen.

      Nach einer halben Stunde hatten sie die Südspitze der kahlen Insel erreicht. Ben Brighton brachte die Galeone wieder auf Nordkurs. Er befahl Smoky, die Küste genau abzusuchen. Er wollte die Spanier möglichst in einer kleinen Bucht an Land setzen, in der die Brandung nicht so stark war.

      Die Insel war ziemlich lang. Die Vegetation war spärlich. Der rauhe Wind, der fast stetig blies, hatte einen Großteil des felsigen Bodens kahl gefegt.

      Hasard beneidete die Spanier nicht um ihren unfreiwilligen Aufenthalt, den sie auf dieser Insel vor sich hatten. Aber er war überzeugt davon, daß sie nicht allzu lange hier ausharren mußten. Die Seestraßen zwischen den Berlengas und der portugiesischen Küste waren stark befahren, und wenn die ausgesetzten Spanier ein Feuer anzündeten, würde es nicht lange dauern, bis ein Schiff auftauchte.

      Nach einer weiteren Stunde konnten sie bereits das Ende der Insel erkennen. Ben Brighton dachte schon, daß ihm nichts weiter übrigbleiben würde, die Spanier an der scharfgratigen Felsenküste auszusetzen, als Smoky aus dem Mars brüllte: „Hinter dem langen Felsen, der ins Meer ragt, ist eine kleine Bucht mit einem schmalen Sandstrand!“

      Ben Brighton und Hasard gerieten in Bewegung.

      „Laß zuerst Proviant und Wasser in das Boot laden“, sagte Hasard zu Brighton. „Wir lassen die Männer erst raus, wenn wir das Boot abgefiert haben.“

      Ben Brighton nickte. Er gab die Befehle an Blacky, Batuti und Dan O’Flynn weiter. Blacky meckerte lauthals, daß den stinkenden Spaniern auch noch guter Fraß nachgeworfen werde. Aber er achtete darauf, daß seine Worte nicht bis aufs Quarterdeck zu hören waren.

      Hasard holte den Capitan aus der Offizierskammer.

      Romero Valdez war blaß. Seine Wangen waren eingefallen. Seine Augen glänzten seltsam, und Hasard vermutete, daß er Fieber hatte. Er trug jedoch den Kopf aufrecht und sagte kein Wort. Die Lippen hatte er zu einem schmalen Strich zusammengepreßt.

      Draußen auf dem Quarterdeck rief Hasard Ben Brighton zu sich.

      „Sag ihm, daß er an Bord bleiben kann. Er ist krank. Ich verspreche ihm, daß er England sofort nach seiner Genesung

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