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Gefühl, daß die Wellen seinem Schiff davonliefen.

      An Bord der „Isabella“ hatten sich alle Männer aufgereiht. Nur einer von ihnen stand unter dem Quarterdeck am Kolderstock und hielt die Galeone auf Kurs.

      Ben Brighton brüllte seine Meldung, daß alle Männer angetreten seien, gegen den Wind. Hasard deutete mit einer Handbewegung an, daß er verstanden hatte. Er ging zur Balustrade des Quarterdecks vor und blickte aufs Hauptdeck hinunter, wo die Männer entlang der aufgedeckten Gräting standen, durch die Hasard verschwommen die Gestalten der gefangenen Spanier im Dunkeln sehen konnte.

      „Ferris!“ rief Hasard dem Schiffszimmermann zu. „Kontrolliere mit allen Mann die Lafetten!“

      „Aye, aye!“ Dann jagte Ferris Tuckers mächtiges Organ die Männer über das Deck der „Isabella“.

      Hasard rief Ben Brighton zu sich.

      „Hast du die Pulvervorräte geprüft, Ben?“ fragte er.

      Ben Brighton nickte.

      „Die Spanier sind unbehelligt aus der Neuen Welt zurückgekehrt“, antwortete er. „Die zweiunddreißig Pulverfässer sind unberührt – bis auf das eine, das wir angebrochen haben, als die Galeeren uns angriffen.“

      Der Seewolf dachte an den Kampf vom vorigen Morgen. Da hatten sie ruhige See gehabt. Die Männer hatten die Kanonen von außenbords mit der Ladeschaufel laden können. Bei schwerem Seegang und in Eile würde das kaum möglich sein. Außerdem hatten sie die Kanonen nur einmal abzufeuern brauchen, um die Gegner kampfunfähig zu schießen. So problemlos würde ein weiterer Kampf sicher nicht ablaufen.

      „Wir brauchen Kartuschen, Ben“, sagte Hasard und winkte Ferris Tucker aufs Quarterdeck. „Ich will so viele Kartuschen haben, daß wir mindestens zehn volle Breitseiten abfeuern können.“

      „Aye, aye“, sagte Ben Brighton. „Ich werde erst einmal welche für zwei Breitseiten herstellen lassen. Mit den anderen können sich die Männer beschäftigen, wenn sie mit dem Probeschießen fertig sind.“

      „Wissen die Männer, was ihnen bevorsteht?“ fragte Hasard.

      „Sie freuen sich schon darauf“, erwiderte Ben Brighton, ohne eine Miene zu verziehen. „O’Flynn meinte, er hätte vom vielen Herumsitzen schon Beulen am Hintern.“

      „Wie geht es seinem Arm?“

      „Vermutlich hat er noch Schmerzen“, sagte der Bootsmann. „Er hat eine schwere Prellung an der Schulter. Sie ist blau unterlaufen. Er wollte aber unbedingt beim Probeschießen dabeisein.“

      „In Ordnung, Ben.“

      Der Bootsmann holte sich vier Männer und verschwand mit ihnen unter Deck. Zwei von ihnen begannen Kugeln an Deck zu schleppen. Die Männer an Deck hatten neben den einzelnen Geschützen Tauringe gelegt, in die sie die schweren Kugeln placierten. So konnten sie nicht über Deck rollen. Handspake, Ladeschaufel, Ansetzer und Wischer lagen bereit.

      Der Seewolf hatte seine Augen überall. Die Männer arbeiteten schnell und geschickt. Sie schienen zu wissen, daß diese Übung nicht abgehalten wurde, um sie zu schikanieren. Es ging um ihr Prisengeld. Denn wenn sie es erhalten sollten, mußten sie jederzeit bereit sein, dafür zu kämpfen. Die meisten von ihnen waren lange genug zur See gefahren, um zu wissen, wie wichtig es war, eine eingespielte Mannschaft zu seih, wenn es hart auf hart ging.

      Ferris Tucker erstattete Meldung.

      „Alle Lafetten und Brooks in Ordnung.“

      „Danke, Ferris“, sagte Hasard nachdenklich. Dann blickte er den rothaarigen Riesen an. „Die Spanier haben immer außenbords geladen, Ferris. Sie konnten es sich leisten, ein paar Männer dabei zu verlieren. Wir sind zu wenige. Jeder Verlust würde uns schwer treffen. Was meinst du? Wieviel Zeitverlust müssen wir in Kauf nehmen, wenn wir die Kanonen zum Laden einholen?“

      „Wir können sowieso nicht alle Kanonen auf einmal wieder laden“, sagte Ferris Tucker. „Ich habe während der Nacht schon darüber nachgedacht. Ich habe stärkere Taljen an die Lafetten angebracht. Wir müssen die Geschütze nach dem Feuern sofort einziehen und schwenken, damit die Männer noch Platz genug haben, sich auf Deck zu bewegen. Ich habe alles mit den Männern schon durchgesprochen.“

      „Wir werden sehen, ob es klappt“, sagte Hasard knapp. Damit war Ferris Tucker wieder entlassen. Er eilte hinunter aufs Hauptdeck, und Hasard sah, wie er eindringlich auf die Männer einsprach.

      Der Seewolf grinste leicht. Er konnte sich denken, was Tukker den Leuten dort unten erzählte. Wahrscheinlich wollten sie es dem grünen Jungen von der Poop zeigen, was ein richtiger Mann zu leisten imstande war.

      Hasard war es gleichgültig, als welchem Grunde sie Leistungen vollbrachten. Wichtig war nur, daß sie Plymouth erreichten, um den unbezahlbaren Schatz, den sie den Spaniern entrissen hatten, Francis Drake zu überreichen.

      Nach einer Weile erschien Ben Brighton wieder an Deck. Der Kutscher und Smoky schleppten die Kartuschen zu den einzelnen Geschützen.

      Hasard rief Ben Brighton zu sich.

      „Du übernimmst während der Übung das Schiff“, sagte Hasard und fuhr fort, ohne den überraschten Gesichtsausdruck des Bootsmanns zu beachten: „Ich werde hinunter zur Geschützmannschaft gehen. Suche vier Leute aus, die das Schiff so trimmen, wie ich es für das Schießen brauche. In einem Ernstfall werden wir es ebenso halten, verstanden?“

      „Aye, aye“, sagte Ben Brighton. Kopfschüttelnd blickte er dem jungen Killigrew nach, als er aufs Hauptdeck hinunterstieg. Wo hatte es so etwas schon einmal gegeben? Der Kapitän eines Schiffes begab sich freiwillig während eines Kampfes aufs Hauptdeck, um mit seinen Männern Seite an Seite zu kämpfen?

      Ben Brighton konnte nicht umhin, den Mut des jungen Killigrew zu bewundern. Er war plötzlich dem Schicksal dankbar, daß es ihn mit diesem Jungen, der seinem Kriegsnamen Seewolf alle Ehre machte, zusammengebracht hatte. Ben Brighton dachte an die vielen jungen Lords, die er in den letzten Jahren kennengelernt hatte und die sich einbildeten, allein aufgrund ihrer Herkunft befähigt zu sein, eine Führerrolle zu übernehmen. Keiner von ihnen hatte je nur ein Wort mit einem Mannschaftsmitglied gesprochen. Die meisten hatten sich hauptsächlich in ihrer Kammer aufgehalten, vornehmlich, wenn es draußen gefährlich wurde.

      Dieser Killigrew steckte sie alle in die Tasche, und Ben Brighton war weitsichtig genug, um zu erkennen, daß in dem Seewolf ein Seefahrer heranwuchs, der sich eines Tages einen Namen machen würde, der sich durchaus mit dem Ruf Francis Drakes messen konnte.

      Der Bootsmann schüttelte die Gedanken ab. Er rief vier Männer zu sich und teilte sie ein. Er ließ die Blinde unter dem Bugspriet einholen und sämtliche Bonnets loswerfen, damit die Geschützmannschaften nicht behindert wurden und die Handhabung der Segel einfacher war.

      Sie hatten eine Breitseite an Steuerbord abgefeuert, und jetzt kam es auf die Zeit an, die sie brauchten, die zweite Breitseite abzugeben und gleichzeitig die abgefeuerten Geschütze wieder zu laden.

      Philip Hasard Killigrew stand mitten im Pulverqualm, der das ganze Hauptdeck einhüllte. Er brüllte Ben Brighton einen kurzen Befehl zu, und die Männer, die die Segel bedienten, arbeiteten wie die Irren. Brighton ließ das Schiff halsen, damit sie die Backbordgeschütze an den imaginären Feind bringen konnten.

      Hasard hörte die angstvollen Schreie aus dem Lagerraum. Er grinste. Die Spanier dachten wohl, die „Isabella“ sei in ein Gefecht verwickelt.

      Neben ihm löste Blacky das mächtige Brooktau einer Kanone, um sie schwenken zu können. In diesem Augenblick krängte die „Isabella“.

      Das Geschütz begann zu rutschen. Blacky schrie auf und stieß den Kutscher zur Seite, der hinter der Lafette gestanden hatte. Der dünne Mann wurde auf den Rücken geschleudert. Nur ein paar Zoll an seinem Kopf vorbei rollte eines der massiven Lafettenräder.

      Der Seewolf erfaßte die Situation mit einem Blick. Wenn die schwere Kanone ihre Richtung beibehielt, mußte sie im nächsten Augenblick durch die Gräting krachen, unter der die gefangenen

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