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Capitan Romero Valdez aus der See zu fischen – mitsamt dem Zeug, das er aus diesem Geheimfach herausgeholt hat.“

      „Aber …“ sagte Brighton, und das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Denk doch an unsere Ladung! Vielleicht sind die Spanier hinter uns her. Außerdem wissen wir nicht, wann Valdez abgehauen ist und welche Richtung er eingeschlagen hat! Bei dem Inhalt des Faches kann es sich doch nur um etwas Persönliches von Valdez handeln. Vielleicht wertvollen Familienschmuck oder etwas, was er von Westindien mitgebracht hat und sich unter den Nagel reißen wollte. Auf keinen Fall kann es auch nur in etwa den Wert unserer Prise ausmachen.“

      Hasard hatte den Bootsmann aussprechen lassen, aber dann sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete: „Klar zum Halsen, Ben!“

      Ben Brighton starrte seinen Kapitän einen kurzen Moment an. Doch dann strafften sich seine Schultern, und er sagte laut und klar: „Aye, aye!“

      3.

      Philip Hasard Killigrew stand auf dem Quarterdeck und beobachtete seine Crew, der ein paar harte Stunden bevorstanden. Bis auf den Mann am Kolderstock und dem Kutscher, der am Niedergang zum Frachtraum hockte und die spanischen Gefangenen bewachte, hielt Ben Brighton alle Mann in Trab.

      Dan O’Flynn kroch vorn auf dem Bugspriet herum und holte zusammen mit dem vierschrötigen Blacky die Blinde ein. Hinter ihm auf dem Quarterdeck fierten Smoky, der ehemalige Decksälteste der „Marygold“ und ein weiterer Mann das Lateinersegel am Besanmast weg.

      „Klar zum Halsen!“ brüllte Ben Brighton gegen den heulenden Wind an.

      Die Männer rannten über das Deck. Die Brassen wurden zum Laufen klargelegt, das Großsegel und Großmarssegel aufgegeit.

      „Ruder Backbord!“

      Hasard hörte, wie der Mann am Kolderstock sein „Aye, aye!“ rief.

      Die „Isabella“ schwang nach Backbord und schien einen gewaltigen Wasserberg vor sich herzuschieben. Sie drehte mit dem Heck durch den Wind. Groß- und Großmarssegel standen bereits wieder. Hinter Hasard wurde das Lateinersegel knatternd vorgeheißt, bis es am Wind stand. Die Galeone segelte jetzt mit Backbordhalsen so hoch am Wind wie möglich.

      Ben Brighton trieb die Männer an, Ruhe fanden sie nicht. Er knüppelte die schwerbeladene „Isabella“ auf dem Kurs zurück, den sie gekommen waren – wie Hasard es befohlen hatte.

      Der Südostwind, der sie so rasch aus der Gefahrenzone getragen hatte, war jetzt ihr größter Feind, und Ben Brighton zeigte seinem Kapitän, daß er es wie kein zweiter verstand, Höhe zu schinden.

      Die ersten grauen Streifen tauchten an der Kimm auf. Hasard biß sich auf die Unterlippe. Er hoffte, daß seine Entscheidung richtig gewesen war, denn eins war sicher: Wenn ihm diese Prise mit den dreißig Tonnen Silber durch die Lappen ging, war er für Francis Drake ein für allemal gestorben.

      „Dan O’Flynn in den Hauptmars!“ rief er aufs Hauptdeck. Ben Brighton gab den Befehl weiter.

      Hasard sah, wie der Junge mit affenartiger Geschwindigkeit die Wanten des Hauptmastes enterte. Hasard hatte Dan O’Flynns hervorstechendste Fähigkeit schon erkannt. Der Junge hatte Augen wie ein Adler, und wenn irgendeiner von ihnen das winzige Dinghi in den Wellen entdecken konnte, dann war es O’Flynn.

      Ben Brighton brüllte wieder seine Befehle. Die „Isabella“ ging noch höher an den Wind. Die grauen Streifen über der Kimm färbten sich langsam rot. Die schweren Wolken der Nacht waren nach Westen verschwunden. Die See wurde ruhiger, obwohl der Wind immer noch heftig blies.

      „Wie lange wollen wir noch kreuzen, Hasard?“

      Die Stimme Ben Brightons, der unter ihm auf dem Hauptdeck stand, riß Hasard aus seinen Gedanken. Er blickte zu dem Bootsmann hinunter. Er las Mißbilligung in Brightons Augen, und Trotz stieg in ihm hoch.

      „Bis ich den Befehl zum Halsen gebe, Bootsmann!“

      Seine Stimme klang schärfer, als er es beabsichtigt hatte. Er sah, wie Ben Brightons Gesicht zu einer Maske erstarrte. Der Bootsmann drehte sich um und jagte seine Männer zur nächsten Wende an die Brassen.

      Hasard war sich darüber im klaren, daß er mit der scharfen Erwiderung nur seine eigene Unsicherheit hatte verbergen wollen. Er begann an der Richtigkeit seiner Entscheidung zu zweifeln. War der Capitan wirklich so wichtig? Was war, wenn statt des Dinghis plötzlich die Masten von ein paar spanischen Kriegsgaleonen an der Kimm auftauchten?

      Hasard wußte, daß er sich keine Schwächen erlauben durfte, wenn er den Respekt und Gehorsam seiner Crew erhalten wollte. Er war sich darüber im klaren, daß Brighton und eine ganze Menge anderer Leute ihn für viel zu jung und unerfahren hielten, um das Kommando über ein Schiff zu übernehmen. Er würde es ihnen beweisen, daß er dazu fähig war.

      Unnachgiebigkeit gehörte dazu, Sturheit vielleicht – auf jeden Fall aber Härte.

      Hasard war entschlossen, sich durchzusetzen. Er war Seemann aus Leidenschaft, und er fühlte sich dazu geboren, Verantwortung zu übernehmen. Er wußte, daß Entscheidungen schnell und entschlossen getroffen werden mußten, wenn sie Erfolg zeigen sollten.

      Trotzdem zögerte er noch, den Befehl zum Halsen zu geben. Sie konnten nicht mehr weit von der Küste entfernt sein, und immer noch hatte O’Flynn das Dinghi nicht entdeckt. Vielleicht war es schon mitsamt dem Capitan abgesoffen.

      Hasard krallte die Hände ins Holz der Reling. Seine Lippen öffneten sich, um den Befehl an Ben Brighton zu geben, zu halsen und wieder auf nordwestlichen Kurs zu gehen.

      Da stieg der helle Schrei O’Flynns in den jungen, windumtosten Morgen.

      „Das Dinghi! Genau voraus!“

      Hasard schob die Unterlippe vor. Er verkniff sich ein Grinsen, als Ben Brighton zu ihm aufblickte, einen Ausdruck auf dem Gesicht, als ob er sagen wolle: So ein Schwein kann auch nur dieser großkotzige, verdammte Seewolf haben.

      Nach ein paar Minuten hatte auch Hasard das Dinghi im Blickfeld seines Kiekers. Romero Valdez pullte wie ein Irrer, obwohl er nicht den Hauch einer Chance hatte, der „Isabella“ zu entkommen.

      Hasard zog die Stirn in Falten. Er hatte zwar erreicht, was er sich vorgenommen hatte, aber etwas anderes bereitete ihm Sorgen. Der Wind hatte plötzlich nachgelassen. Die „Isabella“ war merklich langsamer geworden. Die schwere Silberladung begann sich auszuwirken.

      Die Stimme von Dan O’Flynn riß Hasard aus seinen Gedanken.

      „Wir haben ihn!“ schrie der Junge.

      Hasard sah, wie Capitan Valdez auf der Ducht des Dinghis zusammensackte und sich erschöpft mit den Armen am Dollbord abstützte. Ben Brighton brüllte seine Befehle über Deck. Die Galeone drehte bei, die Segel killten.

      Romero Valdez richtete sich plötzlich auf. Hasard sah, wie sich die Augen des Capitans weit öffneten. Er schien gelähmt zu sein vom Anblick der heranrauschenden „Isabella“. Doch dann gab er sich einen Ruck.

      Er riß sein Wams auf und zerrte ein kleines Paket hervor.

      Hasard konnte nicht erkennen, was es war. Eines jedoch wußte er: Dieses kleine Paket war der Grund, warum er das Risiko auf sich genommen hatte, auf Gegenkurs zu gehen und den Capitan zu verfolgen.

      Hasard sah, wie der Capitan weit ausholte, um das Paket ins Meer zu schleudern, dessen Oberfläche nun nur noch von einer sanften Brise gekräuselt wurde.

      „Batuti!“

      Der große Neger erfaßte sofort, was Hasard von ihm erwartete. Aus dem Stand jagte er los. Er benutzte die Lafette der Quarterdeckskanone als Sprungbrett, war mit einem Satz auf dem Schanzkleid und sprang kopfüber in die glatte See.

      Der helle Schrei Dan O’Flynns ließ Hasards Kopf herumrukken. Der Junge turnte auf der Großrah wie ein Gaukler zur Nock und stieß sich dort ab, ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern.

      Mit

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