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zuckte Dan zusammen. Unwillkürlich krampften sich seine Finger um eine der zum Großtopp führenden Wanten.

      Zuerst sah er eine Mastspitze, dann zwei und dann auch die restlichen beiden. Und dann erkannte er den Umriß eines Lateinersegels.

      Dan beugte sich aus dem Hauptmars und legte beide Hände an den Mund.

      „Masten, achteraus an Backbord und an Steuerbord! Vier Karavellen segeln in weit auseinandergezogener Formation auf!“

      Der Seewolf fuhr herum.

      Also doch, dachte er. Dann lief er zum Großmast hinüber und enterte auf. Er erreichte den Großmars in Rekordzeit, riß sein Spektiv aus der Tasche seiner dunkelblauen Segeltuchjacke und blickte zu den Verfolgern hinüber.

      Dan stand neben ihm, verfolgte jede seiner Bewegungen voll Spannung, versuchte, in den Zügen des Seewolfs zu lesen. Aber im Gesicht Philip Hasard Killigrews zuckte kein Muskel. Endlich setzte er das Spektiv ab, schob es zusammen und ließ es wieder in seiner Tasche verschwinden.

      „Sie wollen uns in die Zange nehmen, Dan. Von beiden Seiten. Gut, wir werden ihnen einen heißen Empfang bereiten.“

      Er blickte nochmals zu den Karavellen hinüber. Und aus ihren Manövern erkannte er, daß auch sie die Galeone entdeckt hatten.

      Er wandte sich Dan wieder zu.

      „Sie werden uns gegen Mittag eingeholt haben. Du bleibst hier oben, Dan. Ich will über jede Bewegung der Karavellen sofort unterrichtet werden. Ich laß dir etwas zu essen und zu trinken heraufschicken. Wenn sie heran sind, kommst du ’runter. Und du hältst dich an meiner Seite auf, weichst mir nicht von der Pelle, ist das klar, Dan?“

      Der Seewolf sah das Zucken in Dans Zügen, die Enttäuschung, die über die Züge des Jungen flog.

      „Du wirst kämpfen, Dan. Jeder von uns wird kämpfen. Aber ich will, daß du an meiner Seite bleibst, Dan. Das ist ein Befehl!“

      Dans Augen leuchteten auf.

      „Wir werden zusammen kämpfen, wir …“

      Der Seewolf nickte ihm zu. Dann enterte er ab. Und er tat es so schnell und so geschmeidig, daß selbst Dan ihm für einen Moment überrascht nachstarrte.

      Doch dann wandte der Junge sich wieder den vier Gegnern zu. Er sah, daß sich die Karavellen formierten. Eine fiel etwas nach Backbord ab, eine andere scherte nach Steuerbord aus. Die beiden anderen folgten der Galeone im Kielwasser.

      Als die Sonne die Mittagslinie erreichte, hatte die „Isabella von Kastilien“ fast den 48. Breitengrad erreicht und segelte etwa fünfzig Meilen westlich von der Ile de Sein unter vollem Zeug nach Norden.

      Ein Umstand, der für Hasard und seine Männer noch von allergrößter Bedeutung werden sollte.

      Die vier Karavellen waren auf rund tausend Yards heran. Deutlich erkannten Hasard und seine Männer die an Deck der Schiffe hin und her laufenden Männer. Dan, der neben Hasard auf dem Achterkastell stand, sah, wie eine der Karavellen plötzlich ihren Kurs änderte. Wir ein wütender Schwan mit ausgebreiteten Schwingen rauschte sie von Luv heran.

      „Es ist soweit, Männer, sie greifen an!“ rief Hasard. Er wußte, daß er sich gegenwärtig in einer üblen Lage befand. Er konnte die von Luv herannahende Karavelle nicht ausmanövrieren, denn auf der Leeseite befand sich die andere.

      In diesem Moment begannen auch die beiden Karavellen, die ihnen bisher im Kielwasser gefolgt waren, aufzusegeln.

      Der Seewolf stand wie ein Baum. Auf Entermanöver durfte er sich nicht einlassen, das wußte er. Gegen die vier Karavellen mit ihren zahlenmäßig viel stärkeren Besatzungen hatte er nicht die geringste Chance, auch wenn sie alle wie leibhaftige Teufel kämpfen würden. Aber zusammen mit Ben Brighton, Ferris Tucker und dem dicken Lewis Pattern, dem Segelmacher der „Isabella“, hatte er sich etwas einfallen lassen. Eine böse Überraschung für die Angreifer, wie er hoffte.

      Er blickte zum Hauptdeck hinunter. Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, grinste ihn an und zeigte dabei sein Raubtiergebiß. Er hockte hinter den Geschützpforten vor einer Pfanne mit glühenden Kohlen. Neben der Pfanne sah Hasard die Pfeile, die mit geteertem Segeltuch umwickelten Spitzen, den riesigen Bogen, mit dem Batuti meisterhaft umzugehen wußte.

      Neben dem herkulischen Schwarzen stand mit schwelender Lunte Smoky, der ehemalige Decksälteste der „Marygold“. In seinem harten Gesicht zuckte es bereits vor Ungeduld, es dem Gegner zu zeigen, ihm an die Kehle zu springen. Auch er blickte für einen Moment zum Seewolf empor, und sein Kinn stieß unwillkürlich nach vorn.

      An den Brassen, zum sofortigen Manöver bereit, die besten und schnellsten Männer, eigenhändig von Ben Brighton ausgesucht für diesen Zweck.

      Hasard wußte, daß er mit der Pfanne voller glühender Kohlen gegen eine der wichtigsten Regeln des Kampfes auf See verstieß: Außer an den Geschützen alles Feuer auf dem Schiff zu löschen. Aber das nahm er in Kauf – die vier Karavellen waren da ein weit größeres Risiko.

      Dan starrte aus großen Augen auf die heranbrausende Karavelle. Er sah die gestikulierenden Männer auf dem Voderkastell, sah den Kapitän auf dem Achterdeck, glaubte schon, die Befehle, die er brüllte, durch das brausende Geräusch der weiß gischtenden Bugwelle zu hören.

      Dann zuckten die Augen Dans nach Lee. Und trotz seines Mutes erschrak er. Auch diese Karavelle schien auf sie zuzujagen – aber das lag daran, weil der Seewolf die Galeone in diesem Moment auf einen anderen Kurs legen ließ.

      Knapp fünfhundert Yards trennten die Galeone und die Karavelle an ihrer Luvseite noch. Noch immer unternahm der Seewolf nichts. Aus scharfen Augen fixierte er das Schiff. Und dann, in einer Entfernung von knapp dreihundert Yards, gab er das Zeichen.

      Die Stückpforten flogen hoch. Die Galeone schwang abermals herum, die Steuerbordkanonen brüllten auf, das Deck erzitterte unter den Füßen der Männer. Aus den Rohren der Geschütze flogen Tod und Verderben zu der schräg heranlaufenden Karavelle hinüber.

      Die Wirkung der Breitseite war verheerend. Der Fockmast der Karavelle zersplitterte, Rahen, laufendes und stehendes Gut stürzten auf Deck, der Mast krachte auf das Schanzkleid an Backbord, das Focksegel deckte die schreienden Männer zu.

      Das war der Augenblick für Batuti. Er sprang auf, hatte den riesigen Bogen in seinen Fäusten, zündete einen der Brandpfeile und schoß ihn auf die Karavelle ab.

      Dann sofort den nächsten, dann wieder einen. Der Schwarze entwickelte dabei ein Tempo, daß Dan nur noch Mund und Nase aufreißen konnte.

      Batuti traf. Nicht einer seiner Pfeile verfehlte sein Ziel, und im Nu standen die Segel der havarierten Karavelle in hellen Flammen.

      Unterdessen blieb der Seewolf auch nicht untätig. Seine Kommandos gellten über Deck. Die Männer an den Brassen reagierten blitzartig, ohne zu denken. Sie taten nur das, was der Seewolf von ihnen verlangte. Ebenso der Rudergänger Pete Ballie am Kolderstock, der wieder einmal vor sich hin fluchte, weil er unter Deck stand und von dem ganzen Kampf so gut wie nichts sah.

      Die Galeone schwang herum. Ihre Segel füllten sich mit Wind. Sie nahm Kurs auf die Karavelle leewärts, auf der die Entermannschaften bereits brüllend und die Entermesser schwingend in den Wanten hingen.

      „Klar bei Drehbassen, klar bei Backbordkanonen!“ schrie der Seewolf und sprang selbst an die Drehbassen auf dem Achterkastell.

      „Dan, hierher, die Lunte!“

      Und Dan war schon neben ihm. Gleichzeitig hatte Batuti die Kohlenpfanne nach Backbord geschleppt, auch die restlichen Brandpfeile, und einer der Männer zündete sie an den glühenden Kohlen an.

      Die beiden Schiffe näherten sich einander rasendschnell. Denn auch die Karavelle schwang herum und ging auf Gegenkurs. Der Kapitän hatte die Gefahr, die ihm vom Seewolf drohte, erkannt.

      Die Geschütze der Karavelle brüllten auf. Dumpfe Schläge erschütterten den Rumpf der Galeone. Einer der Männer an Backbord schrie auf, dann ein zweiter.

      Der

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