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der Heckgalerie. Ich denke, der Seewolf wird mit zupacken. Los jetzt!“

      Er verpaßte Dan einen freundschaftlichen Knuff in die Rippen und trieb ihn vor sich her, nachdem er nochmals einen prüfenden Blick auf die Stützbalken geworfen hatte, die die Männer gerade mit schweren Eisenbeschlägen am Großmast befestigten.

      An Deck pumpte immer noch eine Gruppe von Ben Brightons Männer das durch das Leck ins Schiff eingedrungene Wasser heraus. Aber die Lecks waren dicht, auch wenn die mit Eisen gesicherten und von innen in die Bordwand hineingetriebenen Keile nur als Provisorium gelten konnten.

      Ferris Tucker hatte sich nicht geirrt. Hasard packte nicht nur zu, sondern seilte sich mit ihm zusammen an sorgfältig belegten Tauen zum Ruder ab.

      „Aufpassen, Ferris!“ schrie er durch das Tosen der achterlichen See. Denn gerade packte ihn eine Woge und schleuderte ihn gegen das Heck der Galeone, das über ihm turmhoch in den grauen, von jagenden Regenwolken verhangenen Himmel zu wachsen schien.

      Die See preßte ihn gegen das Schiff, überspülte ihn, und für einen Moment war um den Seewolf nichts als glasige, grüne Dämmerung. Dann hob sich das Heck der „Isabella“ aus der See. Hasard tauchte wieder auf und holte prustend Luft.

      Er sah, daß Ferris Tucker das Ruder bereits erreicht hatte und sich am Ruderblatt festklammerte. Immer wieder verschwand der Riese unter den gischtenden Seen, aber er hielt sich eisern fest, schöpfte Luft, sooft er konnte. Dann war Hasard an seiner Seite. Auch er packte das Ruder, klammerte sich mit den Händen in den großen Scharnieren, in denen es sich bewegte, fest. Und dann sah er, welche Verwüstungen die Kanonenkugel der Karavelle angerichtet hatte. Eins der Scharniere war fast aus dem Heck der „Isabella“ herausgerissen worden. Das Ruder selbst war gesplittert, hielt aber durch Eisenbeschläge, die die Erbauer der Galeone aus irgendeinem Grund einmal angebracht haben mußten, noch zusammen. Aber die beiden Männer sahen, wie es in sich arbeitete, wie es sich unter den Beschlägen verzog, sobald eine Ruderbewegung Pete Ballies Druck auf das Ruderblatt brachte.

      Hasard schüttelte den Kopf. Eine Verständigung war dort unten fast nicht möglich. Die Hecksee zerrte an ihren Körpern. Immer wieder schlugen glasgrüne Wogen über ihnen zusammen, begruben mal den einen, dann den anderen unter sich.

      Hasard gab mit dem Daumen das Zeichen zum Auf entern. Wenige Augenblicke später standen die beiden Männer vor Nässe triefend wieder auf der Heckgalerie der „Isabella“.

      „Wir haben Glück, Ferris, wenn das Ruder noch bis zur Ile de Sein hält. Hätte der Schuß etwas besser getroffen, etwas mehr zur Mitte, dann hätten diese verdammten Bastarde uns gehabt, weil wir uns in der Karavelle in Lee festgerannt hätten.“

      Der Seewolf grinste und schüttelte sich das Wasser aus den Haaren.

      „Wir haben schon soviel Glück gehabt – wir schaffen auch noch den Rest. Und wenn ich den Teufel persönlich aus der Hölle holen müßte!“

      Der Schiffszimmermann grinste ebenfalls.

      „Und ob wir es schaffen“, sagte er nur. Dann stampfte er über das Achterkastell und war gleich darauf verschwunden.

      Sie erreichten die Ile de Sein eine Stunde vor Sonnenuntergang. Der Wind hatte etwas nachgelassen, dafür regnete es um so heftiger. Hasard stand auf dem Achterkastell, weil er von dort den besten Überblick hatte. Dan stand seiner scharfen Augen wegen im Fockmars, auf der Back sang der Lotgast die Wassertiefe aus.

      Die „Isabella“ glitt auf die Insel zu, die wie ein dunkler Koloß vor ihnen aus den Regenschleiern emporwuchs. An ihrer Südflanke, genau dort, wo sich die Einfahrt zu jener weiten Bucht befand, türmten sich Felsen zu beiden Seiten der Einfahrt auf. An Backbord fielen die Berge ab und gingen in flachere Formationen über.

      Hasard musterte die Insel. Er fühlte sich nicht recht wohl in seiner Haut, denn ihm war sofort klar geworden, daß sich die Galeone innerhalb der Bucht kaum mehr aus eigener Kraft manövrieren lassen würde, weil die felsigen Erhöhungen ihr den Wind nahmen. Sie mußten also einlaufen, Anker fallen lassen und das Schiff später wieder mit dem Boot, das sie den Fischern auf der Belle Ile abgenommen und dann an Bord gehievt hatten, wieder herausschleppen. Eine Knochenarbeit, denn sie verfügten nur über ein kleines Boot von zwei Duchten, auf denen höchstens acht Männer Platz fanden.

      Hasard zerbiß einen Fluch auf den Lippen. Er mußte gut aufpassen. Zumindest mußte er die „Isabella“ so legen, daß sie einen etwaigen Angreifer mit einer Breitseite und den vier Drehbassen auf dem Vorder- und dem Achterkastell abwehren konnte, falls dies notwendig werden sollte. Das bedeutete aber, daß sie zusätzlich noch einen Heckanker ausbringen mußten.

      Hasard gab sofort die notwendigen Befehle, während die „Isabella“ bereits in die Einfahrt zur Bucht hineinglitt.

      Und wieder hatte Hasard ein ungutes Gefühl. Die Einfahrt war nur schmal, hinter ihr öffnete sich eine Bucht, die wie ein Hafenbecken aussah. Und dann zuckte er zusammen. Vor ihnen, auf den Strand gezogen, lag das Wrack einer Galeone, die ungefähr die gleiche Größe hatte wie die „Isabella“. Aber wie sah das Schiff aus!

      Unwillkürlich unterbrachen die Männer an Deck ihre Arbeit. Selbst Ben Brighton sah aus großen Augen auf das Bild, das sich seinen Augen bot.

      „Verdammt“, sagte er leise, „das sieht ja fast so aus, als seien wir hier in ein Seeräubernest geraten!“

      Seine Blicke flogen über die verfallenen Hütten, zwischen denen sich Kisten, Fässer und Takelwerk stapelten. Aber sonst zeigte sich keine Menscheseele.

      Ferris Tucker war mit einigen Sprügen auf dem Achterkastell neben dem Seewolf.

      Aus zusammengekniffenen Augen starrte er auf das Wrack.

      „Das Ruder – es ist intakt. Wir holen uns das Ruder von dem Kahn, das erspart uns Stunden an Arbeit, und wir können dieses Rattenloch schneller wieder verlassen.“

      Der Seewolf nickte.

      „Mach das Boot fertig zum Abfieren. Für jeden Mann eine Muskete, genügend Pulver und Kugeln. Einen Trupp vorn auf die Felsen – ich will hier nicht überrascht werden. Sobald sich auch nur eine Mastspitze zeigt, sofort melden! Wir legen die „Isabella“ da hinten vor den Felsen, und zwar so, daß wir die Einfahrt mit unseren Steuerbordkanonen voll unter Kontrolle haben. Sofort alle Steuerbordgeschütze und die Drehbassen laden, Musketen bereitlegen. Verdammt noch mal, auf was wartet ihr eigentlich noch?“

      Hasard hatte seine sächsische Radschloßpistole aus dem Gürtel gezogen und warf sie Ben Brighton zu.

      „Laden! Paß auf, daß sie nicht naß wird. Ich fahr mit ’rüber. Du, Ben, übernimmst hier das Kommando für die Dauer meiner Abwesenheit.“

      Die „Isabella“ wurde langsamer. Hasard stand bereits auf dem Quarterdeck und gab Pete Ballie die notwendigen Befehle.

      Das schwere Schiff schwang herum. Einen Moment lang begannen die Segel zu schlagen, dann wurden sie von den harten Fäusten der Männer auch schon eingeholt.

      „Klar bei Buganker – klar bei Heckanker!“ dröhnte Hasards Stimme durch die plötzliche Stille, die nur vom Rauschen des Regens durchbrochen wurde.

      „Fallen Anker!“

      Die Anker klatschten ins Wasser der Bucht. Und die „Isabella“ lag genau so, wie Hasard das haben wollte. Kein fremdes Schiff konnte die Einfahrt in die Bucht passieren, ohne in eine volle Breitseite der Steuerbordgeschütze zu laufen.

      Auf dem Hauptdeck wurden Kommandos laut. Ben Brighton war mit mehreren Männern dabei, das Boot an Taljen abzufieren. Die Männer arbeiteten schnell und geschickt. Ferris Tukker hatte sich mit Werkzeug beladen. Dan half ihm, die schwere Kiste zu schleppen. Der Schiffszimmermann wußte, daß sie keine Zeit zu verlieren hatten, und deshalb gedachte er drüben beim Wrack auch sofort ans Werk zu gehen.

      Hasard warf einen Blick in den Himmel. Der Regen hatte etwas nachgelassen, und es war spürbar wärmer geworden. Prüfend sog Hasard die Luft ein. Dieser plötzliche Temperaturanstieg, dazu noch am Abend, gefiel ihm nicht recht. Die Felsen, die die Bucht zum Atlantik

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