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nicht sagen würde, wenn er dazu nicht gewichtige Gründe hätte.

      Hasard stieß eine Verwünschung aus, als er an Deck sprang. Auf dem Hauptdeck, unweit eines Niederganges, prallte er mit dem riesigen Schiffszimmermann fast zusammen. Tuckers Oberkörper war nackt, Schweiß bedeckte seine mächtige Brust, rann an seinen Armen herab. Sein Gesicht war noch vom Pulverdampf verschmiert. Der rothaarige Riese sah geradezu furchterregend aus.

      Als er den Seewolf sah, blieb er am Niedergang stehen. Dann schüttelte er den Kopf.

      „Nichts zu machen. Die Lecks kann ich bei diesem Wetter nur von innen her dichtschlagen. Wenn der Wind aber stärker wird, dann ist der Großmast in Gefahr. Außerdem könnte uns das angeschossene Ruder brechen. Wir müssen irgendwo an Land. Nur dort kann ich das Schiff wieder seeklar kriegen.“

      Regenschauer prasselten an Deck. Der steife Wind pfiff in den Pardunen. Der Regen ließ die Segel brettsteif werden. Im ganzen Rigg knirschte und knarrte es, während sich das schwere Schiff in der höher gehenden See stampfend vorwärts bewegte.

      Ferris Tucker verschwand im Niedergang. Er war kein Mann, der viele Worte machte. Hasard folgte ihm. Aus den Tiefen des Rumpfes hörte er die dumpfen Schläge, mit denen die Männer Rundkeile in die Lecks trieben und die Keile anschließend mit Balken sicherten. Unter ihnen, in der Bilge, schwappte das Wasser. An Deck trieb Ben Brighton die Männer an die Pumpen.

      Hasard sah sich die Bescherung an. Eine der feindlichen Kugeln hatte die Bordwand durchschlagen und dann den Großmast dicht über seiner Verankerung schwer demoliert. Der Mast war fast auf Yardlänge völlig zersplittert. Hasard war sofort klar, wie gefährlich dieser Treffer werden konnte, sobald Sturm aufkam – und das war gerade im Kanal, den sie noch durchqueren mußten, keine Seltenheit.

      „Und das Ruder?“ fragte er und konnte dabei nur mühsam seinen Grimm verbergen.

      „Von einer Kugel durchschlagen, einige der Scharniere wahrscheinlich verzogen. Pete Ballie schafft es schon nicht mehr allein, den Kolderstock zu bewegen. Das Ruder klemmt, und ich fürchte, es wird brechen, sobald es mehr Druck kriegt.“

      Hasard stieß einen Fluch aus.

      „Los, tut, was ihr könnt! Ich muß erst mal sehen, wo wir eine Stelle finden, an der wir das Schiff vor Anker legen können. Diese Küste ist verdammt gefährlich!“

      Hasard stürmte davon. Es war das erste Mal auf dieser Reise, daß er sich ernstlich um sein Schiff sorgte. Um sein Schiff, um die dreißig Tonnen Silberbarren in seinem Bauch und um die kostbaren Seekarten, die unter allen Umständen in die Hände von Kapitän Francis Drake gelangen mußten – koste es, was es wolle!

      Auf dem Weg in seine Kammer griff sich Hasard Ben Brighton.

      „Sorge dafür, daß immer ein Mann im Großmars ist, Ben. Ich rechne zwar nicht damit, daß die Bretonen uns auch weiterhin verfolgen, aber auszuschließen ist das nicht. Und laß jetzt nicht zuviel Zeug auf dem Großmast stehen, auf den müssen wir aufpassen.“

      Der Bootsmann sah Hasard nach. Er spürte, daß sich der Seewolf sorgte.

      Hasard brütete in seiner Kammer eine ganze Weile über den Karten, die er von der französischen Küste besaß. Er kannte sich einigermaßen aus, weil er schon mehrfach mit dem Schiff seines Vaters dort gewesen war. Aber immer hatte es Schwierigkeiten gegeben, besonders mit den Bretonen, die ein ganz verdammt stures Volk waren. Und verbissene Kämpfer dazu. Aufgeben war für die ein Fremdwort.

      Seine Augen wanderten über die Karte und musterten das Gebiet, in dem die „Isabella“ sich befand. Und dann fiel sein Blick auf eine Insel, die er zwar nicht kannte, von der er aber schon mehrfach gehört hatte. Sie hieß Ile de Sein, war der bretonischen Küste in Höhe von Audierne etwa sechs bis sieben Meilen vorgelagert, selbst höchstens zwei Meilen lang, eine halbe Meile breit und besaß an ihrer Südseite eine tiefe Bucht, die für ihre Zwecke geeignet sein konnte. Unter Umständen war sie sogar wie geschaffen, denn auf der Ile de Sein wohnten zumindest keine Fischer, es gab keine Ansiedlung – die Insel war zu klein und zu felsig.

      Der Seewolf entschloß sich schnell. Er rechnete nach, wo sich die „Isabella“ zur Zeit befand, dann verließ er die Kammer und stürmte wieder an Deck.

      „An die Brassen, Männer!“ dröhnte seine Stimme über Deck. „Neuer Kurs Nordost zu Ost!“

      Er sprang aufs Quarterdeck hinab.

      „Pete, Vorsicht mit dem Ruder. Laß langsam kommen, langsam, Pete!“

      Pete Ballie nickte. Zusammen mit einem anderen Mann der Besatzung drückte er den Kolderstock herum. Über ihm ächzte und knirschte das laufende Gut, langsam schwangen die Rahen herum. Der Wind, der immer noch aus Südwest blies und an Stärke auch weiterhin zugenommen hatte, war dem Vorhaben des Seewolfs günstig. Bei fast achterlichem Wind lief die Galeone gute Fahrt, und Hasard befahl, das Großmarssegel zu reffen, um den Großmast auf diese Weise zu entlasten. Der Besan, das Großsegel, die Besegelung des Fockmastes und die Blinde unter dem Bugspriet gaben der „Isabella“ genügend Fahrt, solange sie keine Verfolger im Nacken hatten.

      Aber die Karavellen schienen wirklich aufgegeben zu haben, zumindest war von ihnen auch nicht eine Mastspitze zu sehen. Hinzu kamen die dichten Regenschleier, die der Wind über die gischtende See trieb. Sie waren der beste Schutz, den Hasard sich in diesem Moment nur denken konnte.

      Als das Schiff auf dem neuen Kurs lag, stieg er hinunter aufs Hauptdeck. Dort war Ben Brighton damit beschäftigt, die letzten Spuren des Gefechts mit einer Gruppe von Männern zu beseitigen.

      Hasard sah ihm und seinen Leuten einen Moment lang zu. Dann runzelte er plötzlich die Stirn.

      „Ben, was haben wir noch an Pulvervorräten?“ fragte er unvermittelt.

      Der Bootsmann wandte sich um.

      „Nicht mehr viel. Dreißig fertige Kartuschen, zwei Fässer, zwei Dutzend Kugeln. Nur für die Drehbassen achtern und vorn ist noch genügend gehacktes Eisen da.“

      Hasard nickte nur. Das war vorauszusehen gewesen. Die zwei Gefechte mit den Karavellen hatten ihre Vorräte gehörig erschöpft. Und damit wurde ihre Lage um noch einiges schwieriger.

      Wortlos drehte er sich um und stieg zu Ferris Tucker und seinen Leuten hinab, unter denen auch Dan sich befand.

      Der Schiffszimmermann arbeitete wie besessen. Als er Hasard sah, blickte er kurz auf.

      „Ferris, wie lange brauchst du für deine Arbeiten, wenn wir die „Isabella“ vor Anker legen?“ Und dann erklärte er ihm, welche Sorgen er hatte.

      Ferris Tucker wiegte den Kopf.

      „Vier, fünf Stunden, vielleicht sechs. Ich muß erst sehen, was mit dem Ruder los ist. Den Großmast stütze ich ab. Das kriege ich vielleicht sogar schon innerhalb der nächsten Stunden hin, wenn alles so klappt, wie ich hoffe.“

      Der Seewolf sah den rothaarigen Riesen sekundenlang an.

      „Wir segeln zur Ile de Sein“, sagte er dann. „Dort gibt es am Südufer eine Bucht, in der wir uns verstecken können und wo wir auch vor dem Sturm sicher sind, falls der Wind weiterhin zunehmen sollte. Nimm dir jeden Mann, Ferris, den du brauchst. Du mußt das Schiff so schnell wie möglich seeklar kriegen. Ile de Sein hin und Bucht her – wenn uns dort ein bretonischer Kaper entdeckt, sitzen wir in einer Mausefalle. Außerdem reicht unser Pulvervorrat nicht mehr zu einem langen Gefecht.“

      Hasard drehte sich um und verließ das Zwischendeck, in dem Ferris Tucker mit seinen Mannen schuftete, daß ihnen der Schweiß nur so über die Körper lief.

      Die Männer starrten Hasard nach. Sie hatten ihn verstanden.

      „Vorwärts, Männer“, trieb Tucker sie an. „Ihr habt gehört, was los ist. Wenn wir hier fertig sind, bereiten wir die Reparatur des Ruders vor, soweit wir können. Stützt jetzt den Großmast ab, so, wie ich es euch gesagt habe. Ich sehe mir inzwischen an, was mit dem Ruder ist.“

      Dan legte seine Axt zur Seite.

      „Nimm mich mit,

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