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verließ das Achterkastell und sprang zum Hauptdeck hinunter.

      „Was ist mit der Gruppe vorn auf den Felsen?“ fragte er den Bootsmann.

      Ben Brighton grinste und wies über Bord.

      „Da schwimmen sie. Dan hat Ferris noch geholfen, das Werkzeug an Deck und ins Boot zu schaffen. Ich habe ihn ebenfalls für diese Gruppe eingeteilt. Ich weiß, daß es ihm nicht paßt, aber er hat nun mal die schärfsten Augen von uns allen. Also, Dan – was stehst du hier noch herum? Los, ab mit dir!“

      Donegal Daniel O’Flynn bedachte den Bootsmann mit einem giftigen Blick. Dann schaute er den Seewolf hilfesuchend an, aber Hasard dachte gar nicht daran, dem Jungen zu helfen. Statt dessen zog er ein grimmiges Gesicht, obwohl er innerlich beinahe lachen mußte, denn er verstand Dan nur zu gut. Ein Wrack am Strand einer Seeräuberbucht – und Dan durfte nicht mit, sein Jungenherz mußte wahrhaftig bluten. Aber wenn er jetzt nachgab, dann würde das die Autorität Ben Brightons untergraben, und das durfte nicht geschehen. Die Disziplin an Bord der „Isabella“ war die wichtigste Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren dieser Mannschaft.

      Hasard sagte nichts, aber er registrierte, wie Dan die Lippen zusammenpreßte. Um seinen Mund erschien ein trotziger, wilder Zug, gleich darauf schoß sein geschmeidiger Körper über das Schanzkleid und verschwand im aufspritzenden Wasser der Bucht.

      Hasard sah ihm einen Moment lang nach. Dan schwamm wie ein Fisch. Dem Jungen würde es ein leichtes sein, die anderen, die auf die Felsenküste zuschwammen, einzuholen.

      „Fertig?“ fragte er Ben Brighton. Der Bootsmann nickte.

      Hasard schwang sich über das Schanzkleid und kletterte nach unten. Er warf einen raschen Blick auf die Männer im Boot. Batuti, Tucker, Stenmark, Blacky, Matt Davies und Smoky. Alles Männer, auf die Hasard sich nicht nur verlassen konnte, sondern die jeder für sich im Kampf Mann gegen Mann Gold wert waren.

      Er warf einen raschen Blick auf Matt Davies, den Mann, dem im Kampf einst die rechte Hand abgeschlagen worden war und der nun an ihrer Stelle am Ende einer kunstvoll gefertigten Ledermanschette, die bis zum Ellenbogen geschnürt war, einen spitzgeschliffenen Eisenhaken trug. Er hatte diesen Mann kämpfen sehen, und Hasard wußte, was für eine mörderische Waffe dieser Eisenhaken war und wie gut Matt Davies mit ihm umzugehen wußte.

      Hasard sprang ins Boot.

      „Ablegen!“ befahl er.

      Ferris Tucker stieß das Boot von der Bordwand ab, dann tauchten die Männer die Riemen ein.

      „Hört zu“, sagte Hasard, als sie sich bereits in der Bucht befanden, „ich glaube nicht, daß hier in dieser Bucht Leute sind. Aus irgendeinem Grund muß dieser Schlupfwinkel einmal verlassen worden sein. Aber natürlich weiß ich das nicht genau. Sie können auch im Hinterhalt auf uns lauern. Wenn wir an Land gehen, haltet eure Musketen feuerbereit. Seid wachsam. Zwei von euch gehen Ferris zur Hand, wenn er das Ruder vom Wrack abmontiert. Du, Smoky, dringst mit mir in das Wrack ein. Ich will wissen, ob es in diesem Schiff noch irgend etwas gibt, was uns entweder von Nutzen sein oder aber Aufschluß darüber geben kann, wie es hierher kam und welches Schicksal seine Besatzung erlitt. Matt und Stenmark sehen sich bei den Hütten um. Aber geht nicht weiter, als bis zu den ersten und seid auf der Hut. Wenn Gefehr droht, feuert sofort eine Muskete ab.“

      Matt Davies hob die Rechte mit dem Eisenhaken.

      „Sie sollen nur aufkreuzen, diese Bastarde. Ich schlitze ihnen die Bäuche einzeln auf.“

      Hasard mußte grinsen. Er kannte Matt – dieser Mann war der geborene Kämpfer. Trotzdem hielt er es für richtig, ihm einen Dämpfer zu verpassen.

      „Kein unnötiges Risiko, Matt, das ist ein Befehl. Wir brauchen an Bord der „Isabella“ jeden einzelnen Mann. Wenn ihr auf Feinde stoßt, dann zieht ihr euch sofort zurück, oder ich ziehe euch später eigenhändig das Fell ab.“

      Er sah die anderen ebenfalls an.

      „Wir sind in dieser Bucht, um die „Isabella“ so schnell wie möglich wieder seeklar zu kriegen. Unser Ziel ist es, dieses Schiff heil nach Plymouth zu bringen. Wenn wir gezwungen werden, zu kämpfen, dann kämpfen wir, das haben wir den Bretonen bewiesen. Aber nochmals: kein unnötiges Risiko, habt ihr das endlich in euren verdammten Dickschädeln?“

      Smoky, der frühere Decksälteste, knurrte irgend etwas vor sich hin. Aber dann legten sich die Männer mit aller Kraft in die Riemen, und das kleine Boot flog nur so über die Bucht.

      Etwa fünfzig Yards vor dem flachen Strand, auf dem das Wrack der fremden Galeone lag, ließ Hasard das Boot stoppen. Er bedeutete seinen Männern zu schweigen. Angestrengt blickte er zum Strand hinüber – aber dort rührte sich nichts.

      „Die Bucht ist verlassen“, sagte Ferris Tucker in das Schweigen hinein. „Was auch immer mit der Galeone dort geschehen ist, es befindet sich niemand mehr an Bord des Wracks, und auch in den Hütten rührt sich nichts.“

      Hasard nickte.

      „Weiterpullen!“ befahl er.

      Noch immer war ihm diese Bucht unheimlich. Hinzu kam, daß der Ile de Sein noch mehrere winzige Inseln vorgelagert waren. Manche von ihnen hatten einen Durchmesser von nur einigen hundert Yards.

      Das Boot lief knirschend auf den Strand. Hasard und seine Gefährten sprangen heraus. Gemeinsam zogen sie es noch ein Stück weiter durch den gelbbraunen Sand, bis es festlag und auf keinen Fall mehr abtreiben konnte.

      Wieder blieb Hasard sichernd stehen, in der Rechten die schußbereite Radschloßpistole. Die anderen hatten ihre Musketen leicht angehoben, und die Mündungen der Waffen zeigten zu den Hütten hinüber.

      Aber auch jetzt rührte sich auf der Insel nichts.

      Hasard ließ seine Pistole sinken.

      „Los, vorwärts!“ befahl er. „Wir verfahren wie besprochen.“

      Er winkte Smoky zu sich heran und machte sich mit ihm auf den Weg zur Galeone, die etwa fünfzig Yards rechts von ihrer Landestelle lag.

      Ferris Tucker lief mit dem riesigen Batuti und Blacky ebenfalls zum Wrack der Galeone hinüber. Gemeinsam schleppten sie die schwere Werkzeugkiste. Matt Davies und Stenmark gingen in Richtung der verfallenen Hütten davon. Und Matt Davies grinste unternehmungslustig, während er die schwere Muskete wie einen Spazierstock in der Linken hin und her schwang. Trotzdem täuschte diese zur Schau getragene Sorglosigkeit. Matt Davies, der Mann mit dem Eisenhaken, besaß außerordentlich scharfe Sinne, und in diesem Moment waren sie alle auf einen Punkt konzentriert: auf die Hütten vor ihm.

      Hasard und Smoky erreichten die Galeone noch vor dem Schiffszimmermann und seinen beiden Gehilfen. Es war ein ziemlich großes Schiff. Der Seewolf schätzte es auf mindestens zweihundert Tonnen, damit war es also genauso groß wie die „Isabella“.

      Tauwerk hing über die Bordwand herab. Hasard und Smoky fackelten nicht lange. Mit kundigen Griffen prüften sie es auf seine Haltbarkeit, dann enterten sie auf. Zwar behinderten sie die beiden Musketen, aber die beiden Männer schafften es trotzdem.

      Hasard schwang sich über das Schanzkleid – und blieb ruckartig stehen. Ihm bot sich ein Bild des Grauens. Auf dem Hauptdeck des übel zerschossenen Schiffes lagen von Sonne und Wind schneeweiß gebleichte Gerippe. Die Augenhöhlen in den Totenschädeln glotzten den Seewolf an.

      Hasard sog die Luft scharf ein. Sein Blick wanderte weiter über das Deck. Er entdeckte merkwürdige, beim ersten Hinsehen zusammenhanglos erscheinende Ansammlungen von menschlichen Knochen. Sie lagen auf dem Deck herum, als wären sie irgendwann einmal aus großer Höhe herabgestürzt.

      Unwillkürlich glitt sein Blick am Großmast hoch, wanderte weiter zu den wenigen Rahen, die sich noch an Ort und Stelle befanden. Und dann sah er es: Taue, deren eines Ende immer noch eine Schlinge bildete, deren anderes um die Rah geknüpft worden war.

      Nachdem er das gesehen hatte, war dem Seewolf alles klar. Langsam wandte er sich zu Smoky um, der aus schmalen Augen auf das grauenhafte Bild starrte.

      „Irgend

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