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die Fackeln auf der „Isabella“ bereits gesehen haben, und Hasard hoffte nur, daß die Fischer sich an so ein großes Schiff nicht heranwagten. Sicher war er sich dessen nicht. Die Sturheit der Bretonen war auf allen Meeren bekannt.

      Blacky und Smoky lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Aber sie ließen in ihrem Tempo nicht einen Moment nach.

      Hasard lud seine Pistole nach. In der Dunkelheit war das keine einfache Sache, doch er schaffte es. Er lauschte wieder auf die Stimmen der Fischer, die sich jetzt ruhiger verhielten, um ihre Positionen nicht zu verraten. Außer dem Plätschern, das die Riemen des kleinen Bootes verursachten, und dem Keuchen von Blacky und Smoky war nichts zu hören.

      Dan O’Flynn stieß plötzlich einen überraschten Laut aus. Er wies mit dem rechten Arm auf einen schmalen Schatten, der von Backbord heranschoß.

      Hasard zögerte nicht lange. Er hob die Pistole und zielte. Diesmal kannte er keine Rücksicht, denn es ging um ihr Leben. Hasard kannte die Fischer von der Belle Ile gut genug, um zu wissen, daß sie nicht mehr lange zu leben hatten, wenn sie den Fischern in die Hände fielen.

      Er zielte eine Handbreit über den Schatten, der das Dollbord des Bootes sein mußte. Er jagte beide Ladungen nacheinander aus dem Lauf.

      Sie hörten die Schreie. Wasser spritzte auf, als die Riemen des Fischerbootes durcheinander gerieten. In Sekundenschnelle war der Schatten wieder verschwunden.

      Hasard duckte sich instinktiv, als Feuerblitze aufleuchteten. Aber die Franzosen hatten mit ihren Musketen zu schlecht gezielt. Hasard sah nicht einmal, wo die Kugeln ins Wasser schlugen.

      Jetzt ertönten wieder laute Stimmen, und dann schrie einer der Franzosen: „Louis est mort!“

      Ein Schrei der Entrüstung und der Wut hallte über das Wasser. Wieder blitzten Mündungsfeuer auf, und an ihrer Richtung glaubte Hasard zu erkennen, daß die Fischer auf die „Isabella“ schossen.

      Hasard schätzte die Entfernung zur Galeone ab. Es waren höchstens noch hundert Yards. Er verfluchte die Sandbank, die vor der Bucht lag. Wegen ihr hatte sich die Galeone nicht dichter an die Küste heranwagen können.

      Das Wasser lief bereits wieder auf See hinaus. Die Ebbe hatte eingesetzt. Wenn Ben Brighton nicht höllisch auf der Hut war, saß er mit der „Isabella“ plötzlich auf Grund.

      Wieder tauchte ein Schatten in ihrer Nähe auf. Hasard hörte das Klatschen der Riemen.

      Nur noch fünfzig Yards zur „Isabella“, deren Schatten sich bereits wie eine mächtige Burg aus dem Wasser hob. Hasard hörte die Stimme von Ferris Tucker, und dann schien die Hölle aufzubrechen.

      Von der Back der Galeone fauchte wie aus einem Höllenschlund eine lohende Mündungsflamme. Eisensplitter zischten durch die Luft und prasselten wenig später dicht vor dem Schatten, den Hasard an Backbord erkannt hatte, ins Wasser. Ein paar pochende, dumpfe Laute verrieten Hasard, daß einige Eisensplitter den Rumpf des Bootes getroffen hatten.

      Die Fischer brüllten durcheinander. Hasard hörte den Zorn in ihren Stimmen. Hoffentlich begriffen sie, daß ihnen der Mann an Deck der Galeone nur einen Warnschuß vor den Bug gesetzt hatte. Hasard glaubte Ferris Tuckers Entschlossenheit gut genug einschätzen zu können, um zu wissen, daß er beim nächsten Mal keinen Pardon mehr geben würde.

      Die Bordwand der Galeone tauchte vor ihnen auf. Taue flogen über das Schanzkleid des Mitteldecks. Hasard und Dan O’Flynn packten zu.

      „Zuerst die Wasserfässer!“ sagte Hasard zischend. Er erhob sich und schlang ein Tau um eins der Fässer. Dan nahm sich ebenfalls eins vor.

      „Hievt an!“ rief Hasard leise. „Aber vorsichtig!“

      Die beiden Fässer verschwanden nach oben.

      Ben Brightons Stimme klang vom Quarterdeck. Er gab Befehl, alle Segel zum Setzen bereitzuhalten.

      Die nächsten Taue flogen herab. Jetzt hatten sich Blacky und Smoky so weit erholt, daß sie mit anpacken konnten.

      „Befestigt das Boot!“ sagte Hasard scharf. „Ich will es unbedingt an Bord haben, klar?“

      „Aye, aye“, erwiderte Blacky keuchend.

      Die letzten beiden Fässer schwebten nach oben.

      Hasard packte die Jakobsleiter, kletterte hinauf und schwang sich über das Schanzkleid.

      „Alles klar, Ben!“ rief er. „Wir können lossegeln!“

      Plötzlich herrschte lautes Treiben an Bord. Die Männer gaben sich keine Mühe mehr, leise zu sein. Ben Brighton brüllte seine Befehle über Deck, und Ferris Tucker verfluchte die halsstarrigen Bretonen, die es einfach nicht ertragen konnten, eine Niederlage hinzunehmen.

      „Haut ab und legt euch auf die Mutter!“ schrie er ihnen in einem ordinären Französisch zu, daß ihm ein versoffener Holländer beigebracht hatte.

      Ein Wutschrei aus vielen Kehlen war die Antwort. Musketenschüsse wurden abgefeuert, und eine Kugel klatschte dicht neben Ferris Tucker in den Fockmast.

      Das war zuviel für den Schiffszimmermann. Er wirbelte die zweite Drehbasse herum und hielt den brennenden Span in seiner linken Hand an das Zündloch.

      Donnernd entlud sich das schlanke Geschütz.

      Ferris Tucker hatte diesmal etwas höher gehalten. Die Ladung Eisen zerriß den Bug des Fischerbootes. Hasard, der aufs Quarterdeck gestiegen war, sah, wie das Boot sofort absackte.

      Die „Isabella“ drehte ihren Bug hinaus aufs Meer. Die Segel füllten sich mit dem sanften Wind, der von Land wehte, und die auslaufenden Wasser der Ebbe taten das Übrige, daß die Galeone schnell an Fahrt gewann.

      Hinter ihnen blieben die fluchenden und schreienden bretonischen Fischer zurück. Die anderen Boote hatten jetzt genug damit zu tun, die Männer des sinkenden Bootes zu bergen.

      Fackeln leuchteten auf. Zuckende Flammen wurden vom leicht gekräuselten Wasser reflektiert. Einer der Fischer feuerte noch seine Muskete auf die davoneilende Galeone ab, aber die Kugel konnte keinen Schaden mehr anrichten. Die Entfernung war bereits zu groß.

      Immer kleiner wurden die Lichter, die hinter ihnen zurückblieben. Hasard legte Ben Brighton die Hand auf die Schulter. Es war eine stumme Geste, aber der Bootsmann verstand sie. Er hoffte genau wie der Seewolf, daß sie die nächsten drei Tage, die sie noch für ihre Fahrt nach Plymouth benötigten, ohne Zwischenfälle zurücklegen konnten.

      Hasard zog sich in die Kapitänskammer zurück und legte sich auf seine Koje, nachdem er die nassen, klammen Sachen ausgezogen hatte. Er verschränkte die Hände unter dem Kopf, und ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er daran dachte, was für ein Gesicht Francis Drake machen würde, wenn er ihm die Seekarten von der Neuen Welt überreichte.

      Doch noch war es nicht soweit. Drei Tage auf See, und das in der Nähe der französischen Küste – sie brauchten schon eine Menge Glück, wenn sie ungeschoren Plymouth erreichen wollten.

      Hasard dachte an die vier Karavellen der bretonischen Freibeuter. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie sich in ihre Heimathäfen zurückgezogen hatten, um ihre Wunden zu lecken.

      Vielleicht lauerten sie irgendwo da draußen vor der bretonischen Halbinsel, die weit in den Atlantik hinausragte ...

      ENDE

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      1.

      Auf einer langen Dünung segelte die „Isabella von Kastilien“ mit schäumender Bugwelle auf Nordwestkurs in den Atlantik hinaus.

      Die Belle Ile lag schon weit hinter der Galeone, vor achterlichem Wind lief das Schiff gute Fahrt.

      Philip Hasard Killigrew stand auf dem Quarterdeck. Der Wind zerrte an seinen schwarzen Haaren. Seine eisblauen Augen blickten prüfend

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