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zwei Kanonen für eine Karavelle!“ rief Hasard den Männern zu, und Ferris Tucker wies sie an, welches der Schiffe sie mit ihren eisernen Geschenken bedenken sollten.

      Die Galeone krängte nach Steuerbord. Die Männer richteten ihre Kanonen, und als Ferris Tucker den Befehl zum Feuern gab, brüllten die Steuerbordkanonen fast geschlossen auf wie urweltliche Tiere.

      Ferris Tucker wartete den Erfolg der Breitseite nicht ab. Er scheuchte seine Männer an die Kanonen, ließ sie einholen, herumschwenken und eine nach der anderen laden, wie sie es vor Tagen exerziert hatten.

      Ben Brightons Männer hatten mit den Segeln alle Hände voll zu tun. Die Galeone fuhr eine Halse, daß Hasard vor Schreck das Atmen vergessen hätte, wenn Zeit dazu gewesen wäre.

      Er stand bereits an Backbord und begann die Kanonen auszurichten. Sie wußten, welche Krängung die Galeone bei halbem Wind hatte, und als Ben Brighton die „Isabella“ quer zu den Karavellen gelegt hatte, brauchten sie nur noch kurz zu korrigieren.

      Erst jetzt, als die Decksplanken unter der zweiten Breitseite zitterten, sah Hasard, was die erste bei den Karavellen der bretonischen Freibeuter angerichtet hatte.

      Die letzte Karavelle, auf die er selbst und Batuti ihre Kanonen gerichtet hatten, war bereits abgefallen. Der Fockmast war in der Mitte von einer Kugel getroffen worden. Die riesige Rah war mitsamt dem Segel aufs Deck gekracht. Der obere Teil des Fockmastes hing außenbords.

      Die Karavelle war weit zurückgefallen. Wahrscheinlich war sie sofort nach dem Treffer aus dem Ruder gelaufen.

      Ferris Tucker hatte der zweiten vorderen Karavelle eine Kugel in die Wasserlinie geballert. Hasard konnte sich lebhaft vorstellen, daß dort jetzt Zustand herrschte, denn er wußte, was für Löcher die Kugeln einer spanischen Galeone in die kraweelgeplankten Seiten einer 100-Tonnen-Karavelle reißen konnten. Die Besatzung hatte sicher alle Hände voll zu tun, das Leck zumindest notdürftig abzusichern.

      Die Männer der „Isabella“ brüllten vor Begeisterung, als sie sahen, welchen Erfolg ihre Breitseiten hatten, doch Ferris Tukker stauchte die Männer zusammen und trieb sie an, die Kanonen nachzuladen.

      Hasard war froh, daß sie sich die Zeit genommen hatten, Kartuschen herzustellen. Das zahlte sich jetzt aus. Die Steuerbordseite war bereits wieder feuerbereit. Ben Brighton hatte die „Isabella“ jetzt auf Westkurs gebracht. Die Galeone lief wieder parallel zu den Karavellen.

      Sie sahen die kleinen weißen Wölkchen auf Deckhöhe der dritten Karavelle.

      Hasard schrie: „Achtung!“

      Die Männer warfen sich hinter das Schanzkleid in Deckung, doch die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig. Die Bretonen hatten zu tief gehalten. Die Kugeln zischten weit von der Galeone bereits ins Wasser.

      Die Backbordbreitseite der „Isabella“ war nicht so erfolgreich gewesen. Wahrscheinlich hatten sie sich doch zu wenig Zeit zum Zielen genommen. Nur eine der Kugeln war durch das Großsegel einer Karavelle geflogen.

      Der Abstand zu den bretonischen Freibeuterschiffen hatte sich vergrößert, denn die Karavellen waren abgefallen. Nur die letzte Karavelle lag unbeweglich auf der See. Die Besatzung hatte es immer noch nicht geschafft, den zerschossenen Fockmast loszuwerden.

      Alle Männer erwarteten jetzt, daß Hasard sich aus dem Staub machen würde, aber der Seewolf wußte genau, daß die Bretonen durch diese Niederlage nur noch mehr angestachelt werden würden. Außerdem dachten sie bestimmt noch immer an ihre acht Kameraden, die bei dem Kommando, die Engländer auf ihrem Schiff zu überrumpeln, ums Leben gekommen und den Fischen zum Fraß vorgeworfen worden waren.

      Nein, Hasard wußte, daß er jetzt und hier hart zuschlagen mußte, wenn er Ruhe vor den Bretonen haben wollte.

      „Kurs auf die havarierte Karavelle, Ben!“ rief Hasard mit klarer Stimme. „Ferris, wenn Ben gehalst hat, will ich beide Breitseiten feuerbereit haben!“

      Nur Sekundenbruchteile starrten sich die Männer überrascht an. Dann machten sie sich an die Arbeit. Sie verrichteten sie mit größter Schnelligkeit und dennoch mit Sorgfalt, denn sie wußten, daß ihr Leben davon abhing.

      10.

      Durch das Spektiv konnte Hasard erkennen, daß auf Deck der Karavelle ein heilloses Durcheinander herrschte. Männer in gestreiften Hemden hackten wie die Irren auf Stagen und Wanten los, um endlich den oberen Teil des Fockmastes loszuwerden, der außenbords hing und von den Wellen immer wieder gegen die Bordwand geschleudert wurde.

      Der Wind trug die Stimmen herüber. Der Kapitän der Karavelle brüllte seine Befehle vom Achterdeck. Die beiden hinteren Segel standen noch an den Rahen, aber solange sie den Fockmast nicht loswurden, war das Schiff manövrierunfähig.

      Hasard gab sich nicht der Illusion hin, daß die Karavelle jetzt wehrlos war. Sicher hatte der bretonische Freibeuterkapitän genügend Männer abgestellt, die an den Kanonen lauerten, um den Engländern den Treffer heimzuzahlen.

      Ferris Tucker stand mit den Männern feuerbereit auf dem Mitteldeck. Sein Blick war auf Hasard gerichtet, der sich an der Reling des Quarterdecks festhielt und unverwandt zur Karavelle hinüberstarrte.

      Hasard merkte, wie seine Männer unruhig wurden. Auch Ben Brighton wartete auf den Befehl, zu halsen, um dem Feind endgültig den Rest zu geben.

      Die „Isabella“ war nur noch zweihundert Yards von der Karavelle entfernt. Jeden Augenblick konnten die Bretonen ihre Kanonen auf die Galeone richten.

      Hasard preßte die Lippen zusammen. Er wollte diesmal ganze Arbeit leisten. Und dazu mußten sie noch dichter an den Gegner heran.

      Immer deutlicher war das Geschrei von der Karavelle zu hören. Hasard sah, daß die Freibeuter es geschafft hatten, die Fockrahe, die mitten aufs Deck gekracht war, über Bord zu hieven. Gleich würden die Männer auch den abgeschossenen Fockmast von den Wanten und Stagen gelöst haben. Dann war das Schiff wieder manövrierfähig und eine große Gefahr für die „Isabella“. Denn selbst, wenn er nur noch die beiden Lateinersegel am Großmast und am Besan zur Verfügung hatte, war die leichte Karavelle wendiger als die schwerbeladene Galeone.

      „Geschütze klar?“ rief Hasard zum Mitteldeck hinunter.

      „Aye, aye!“ brüllte Ferris Tucker.

      Hasard gab Ben Brighton den Befehl zum Halsen. Sie lagen schräg achteraus der Karavelle, und wenn sie Glück hatten, brachten die Bretonen ihre Geschütze nicht schnell genug herum, um das Feuer der Galeone zu erwidern.

      Hasard warf einen Blick nach Nordwesten, wohin die anderen Karavellen gesegelt waren. Er erschrak, als er sie so dicht sah. Er hatte im Eifer des bevorstehenden Gefechtes nicht erkannt, daß sie ihren Kurs um 180 Grad gedreht hatten und nun direkt auf die „Isabella“ zuhielten.

      Hasard wußte, daß er Ferris Tucker keine Befehle zu geben brauchte, wie er die einzelnen Geschütze einzusetzen hatte. Tucker war ein Mann mit Überblick.

      Hasard mußte alle Kraft aufwenden, um den Keil, mit dem er die Höhe der kleinen Kanone auf dem Quarterdeck einrichtete, zwischen den Stellbock und die Kanone zu schlagen.

      Dann hatte Ben Brighton die Galeone in die günstigste Position gebracht. Hasard hörte den Feuerbefehl von Ferris Tukker, und gleich darauf wurde die „Isabella“ von den gewaltigen Detonationen erschüttert.

      Im Unterbewußtsein hörte er das Rumpeln der Lafettenräder auf den Decksplanken, und er spürte förmlich den Ruck, der durchs Schiff ging, als die mächtigen Brooktaue sich strafften und an den von Ferris Tucker verstärkten Zurringen zerrten.

      In diesem Moment hielt Hasard den brennenden Holzspan an das Zündungsloch seiner Kanone.

      Ben Brighton fuhr bereits eine Halse, aber das hatte Hasard einkalkuliert. Pulverdampf hüllte ihn ein, als das leichte Geschütz aufbrüllte.

      Hasard mußte die Augen schließen. Er unterdrückte einen Hustenreiz und lief ein paar Schritte zur Seite, um

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