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anderen auf mich losgegangen. Ich hab die Pistole abgefeuert, aber da sind sie erst richtig wild geworden.“

      Die Franzosen redeten gestikulierend durcheinander. Hasard war froh, daß er nur wenig von dem verstand, was sie sagten. Sicher waren nicht viele Worte darunter, die man in Gegenwart einer Lady hätte aussprechen dürfen.

      Eine Bewegung des Mannes mit dem roten Halstuch ließ die Franzosen verstummen.

      Der Mann baute sich vor Hasard auf und sagte: „Monsieur, es ist erniedrigend für uns, hier eingesperrt zu sein wie eine Ladung Sklaven. Wir sind Seeleute und müssen atmen. Meine Männer werden verrückt oder krank, wenn Sie sie länger hier unten einpferchen. Wir fragen uns, womit wir Ihr Mißtrauen verdient haben? Sie haben unser Leben gerettet, und wir sind Ihnen dankbar dafür. Wir haben auch Verständnis dafür, daß Sie uns nicht in unserer Heimat an Land setzen können. Ich möchte Sie nochmals bitten, uns nicht wie Tiere, sondern wie Menschen zu behandeln.“

      Hasard kannte genügend Franzosen, um zu wissen, daß sie es verstanden, viele schöne Worte zu reden, die sie nicht meinten. Doch er wollte weitere Schwierigkeiten vermeiden.

      „Gut, monsieur“, sagte er zu dem Franzosen. „Sie können sich an Deck vor der Back aufhalten. Aber eins muß Ihnen klar sein: Wenn wir ein feindliches Schiff sichten, werde ich Sie hier unten einsperren, bis wir wieder allein auf See sind.“

      „Das verstehen wir, monsieur“, erwiderte der Franzose. Er blickte Hasard aus seinen dunklen Augen an. „Geben Sie mir meine Pistole zurück?“

      Hasard grinste.

      „Ich dachte, Sie wollten sie mir schenken, weil ich Ihnen das Leben rettete.“

      Der Franzose preßte die Lippen aufeinander. Seine Augen schossen Blitze, aber er sagte nichts. Wortlos drehte er sich um und marschierte an Blacky vorbei zum Niedergang.

      Hasard hielt ihn am Arm zurück.

      „Lassen Sie mich vorgehen, monsieur“, sagte er lächelnd. „Sonst schießen Ihnen meine Männer den Kopf ab.“

      9.

      Hasard ließ die Franzosen, die sich unterhalb der Back aufhielten, nicht aus den Augen. Sie hatten sogar ihren verwundeten Kameraden an Deck geholt, der von Fieberschauern geschüttelt wurde. Hasard hatte den Franzosen angeboten, den Mann in einer Kammer auf dem Achterdeck unterzubringen, aber sie hatten abgelehnt.

      Hasard wunderte sich nicht, daß sich das Verhalten der Franzosen grundlegend geändert hatte. Wahrscheinlich hätte er in ihrer Situation nicht anders empfunden. Sie warfen den Engländern böse Blicke zu, wenn sie sich in ihrer Nähe befanden.

      Der Himmel hatte aufgeklart. Die Sonne brach durch die Wolkenbänke, und ihre Strahlen wurden von dem bewegten, dunkelgrünen Wasser reflektiert. Hasard mußte die Augen zusammenkneifen, wenn er über das Meer blickte.

      Inzwischen hatten sie wieder alle verfügbaren Segel gesetzt, nur auf die Bonnets hatte Hasard verzichtet, um sie nicht erst einholen zu müssen, wenn ein Feind auftauchte und sie sich zum Kampf stellen mußten.

      Hasards Hand tastete über den schlanken Griff der Pistole, die er dem Franzosen abgenommen hatte. Es war eine hervorragend gepflegte Waffe, die aus Leipzig stammte und dort von einem Büchsenmacher im Jahre 1568 hergestellt worden war. Das bewiesen zwei Inschriften, die auf der Messingplatte unterhalb des ersten Schlosses eingraviert waren.

      Die beiden Kugeln mit ihren Treibladungen wurden nacheinander in den Lauf geführt, nur durch einen Dämmpfropfen getrennt. Hasard hatte befürchtet, daß die zweite Ladung gleich mit hochgehen würde, wenn er die erste zündete, aber er hatte sich getäuscht, als er ein Probeschießen auf der Heckgalerie veranstaltet hatte. Mit dieser doppelten Radschloßpistole konnte er tatsächlich zweimal hintereinander schießen.

      Donegal Daniel O’Flynn lungerte am Niedergang des Mitteldecks herum. Er hielt immer noch seine Enterpike in der Hand, deren Stiel er verkürzt hatte, damit sie handlicher war. Hasard sah, wie seine Augen immer wieder mißtrauisch über die Franzosen hinweghuschten.

      Im Vormars saß Smoky. Hasard beneidete ihn nicht. Das spiegelnde Wasser schmerzte in den Augen, wenn man länger darauf blickte, und es war ungeheuer schwierig, überhaupt etwas zu sehen.

      Hasard hatte sich gerade entschlossen, Smoky von Dan O’Flynn ablösen zu lassen und einen weiteren Mann in den Großmars zu schicken, als Smoky losbrüllte, als hätten ihm ein paar Piraten ihr Entermesser in den Bauch gerammt. Seine Stimme überschlug sich förmlich.

      „Mastspitzen voraus! Verdammt, das sind vier – nein, fünf Karavellen!“

      Hasard lief zur Steuerbordreling. Er erschrak, wie dicht die Karavellen schon heran waren. Sie hatten auf die „Isabella“ gelauert. Kein Fetzen Segel hing an den langen Gaffeln des großen Vormastes und des kleineren Groß- und Besanmastes.

      „Ruder hart Backbord!“ rief Hasard. Er hörte das „Aye, aye, Sir!“ von Pete Ballie. Die Galeone schwang herum, um auf den anderen Bug zu gehen.

      Ben Brighton jagte die Männer hoch. Die Rahen wurden rundgebraßt, Blakky holte die Großsegelschoten an Steuerbord dicht.

      Hasards Blick war nur einen kurzen Moment zur Back gehuscht. Er sah die Schatten, die sich zu bewegen begannen, und sein Alarmschrei hallte über die Decks.

      „Die Franzosen! Dan, paß auf!“

      Die fünf Franzosen griffen geschlossen an. Sie brüllten ihren Kampfruf, den Hasard nur allzugut kannte. Oft genug hatte er Seite an Seite mit seinem Alten und seinen Brüdern gegen bretonische Freibeuter gekämpft.

      Daniel O’Flynn war bei Hasards Schrei zusammengezuckt. Instinktiv hatte er die Enterpike herumgerissen. Der Franzose, der ein Holz, das er aus einer Nagelbank herausgerissen hatte, über dem Kopf schwang, lief genau in die Spitze der Pike hinein. Sie bohrte sich unter seinen Rippen tief in den Leib.

      Dan warf sich zur Seite. Er ließ die Pike nicht los. Sie kam frei und riß das Hemd des Franzosen in Fetzen. Der Mann hatte den Mund weit geöffnet, aber nur ein Würgen drang über seine Lippen.

      Ein Blutstrahl schoß aus der Wunde in seinem Bauch und färbte sein Hemd und seine Hose in Sekundenschnelle rot. Er hatte das Holz fallen lassen und krampfte nun beide Hände auf die Wunde. Stolpernd torkelte er ein paar Schritte nach vorn, dann schlug er mit dem Gesicht aufs Deck.

      Daniel O’Flynn riß seine Pike herum, aber aus weit aufgerissenen Augen sah er, daß er dem heranschwingenden Holz nicht mehr ausweichen konnte. Gleich mußte es gegen seinen Schädel krachen und ihn zerschmettern. Er schloß die Augen. Von irgendwoher hörte er einen scharfen Knall, und dann riß ihn die Stimme des Seewolfs aus seiner Erstarrung.

      Er öffnete die Augen. Er sah, wie der Franzose, der ihn angegriffen hatte, der Länge nach auf die Decksplanken schlug. Sein Gesicht sah fürchterlich aus. Eine Kugel hatte ihm den Unterkiefer weggerissen.

      Nur zwei Yards von Dan O’Flynn entfernt stand Ferris Tukker und wehrte mit dem Entermesser einen Schlag ab, den einer der Franzosen auf seinen Kopf geführt hatte. Ein weiterer wollte den Zimmermann von hinten angreifen.

      Dan stieß die Enterpike vor. Sie geriet zwischen die Beine des Franzosen. Der Mann stolperte und klatschte auf die Decksplanken.

      Dan sah, wie Hasard heranhastete. Ein Schuß aus seiner langen Pistole streckte den Franzosen nieder, der Batuti mit einem Entermesser niederstechen wollte. Woher der Kerl die Waffe hatte, war Hasard ein Rätsel.

      Der Franzose, den O’Flynn mit seiner Enterpike zu Fall gebracht hatte, griff nach der Pistole, die Ferris Tucker bei dem Handgemenge aus dem Gürtel gerutscht war.

      Hasard stieß einen Warnschrei aus. Er selbst konnte nicht mehr schießen. Er hatte beide Kugeln aus seiner Waffe abgefeuert. Er sah voller Entsetzen, wie der Franzose Ferris Tukkers breiten Rücken anvisierte.

      Hasard hob die Hand mit dem Entermesser und ließ es durch die Luft sausen. Er hatte keine Zeit gehabt, zu zielen. Er hoffte

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