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Entermesser erwischte den Franzosen am Hals. Durch die Wucht, mit der Hasard das Messer auf die Reise geschickt hatte, wurde dem bretonischen Freibeuter der halbe Kopf vom Rumpf getrennt. Der Mann war schon tot, als er gegen Tuckers Beine fiel.

      Ferris Tucker bückte sich, packte den Toten und beförderte ihn mit einem wilden Schrei über Bord. Dort, wo er ins Wasser klatschte, bildete sich ein roter Fleck.

      Hasard blickte sich hastig um. Er achtete nicht auf das Brüllen seiner Leute. Er sah nur vier Franzosen, von den keiner mehr lebte. Der Verwundete hockte noch unter der Back, die Augen weit aufgerissen.

      Wo war der Franzose mit dem roten Halstuch?

      Hasard hörte den Schrei Smokys aus dem Vormars. Der stiernackige Mann hangelte sich innenbords an den Wanten hinab. Und dann hörte Hasard die kurzen, dumpfen Schläge. Er sprang auf eine Kanone und konnte die Back überblicken.

      Dort war der Freibeuter und hackte mit einem blitzenden Entermesser auf die Wanten des Vormastes ein.

      Hasard schrie vor Zorn auf. Von der Kanone war er mit einem Satz auf dem Schanzkleid und warf sich nach vorn. Seine Hände krallten sich in die Reling der Back. Mit einem einzigen Schwung zog er sich hoch. Er hörte den Schrei Dan O’Flynns.

      Die Enterpike flog auf ihn zu. Hasard fing sie mit der rechten Hand auf.

      Der Franzose hatte sich nicht beirren lassen. Zwei der fünf Wanten, die aus armdicken geteerten Tauen bestanden, hatte er bereits durchtrennt. Wenn er die restlichen drei auch noch schaffte, würde der Vormast bei den vollen Segeln, die er zu tragen hatte, abknicken wie ein Zahnstocher.

      Hasard schwang sich vollends über die Reling.

      „Bretone!“ schrie er.

      Der Franzose wirbelte herum. Das breite Entermesser reflektierte blitzend die Sonnenstrahlen, die durch die Takelage auf die Back fielen. Im Unterbewußtsein vernahm Hasard, wie Ben Brighton Befehle über Deck brüllte. Dann klang Ferris Tuckers Baß auf.

      „Klar zum Gefecht, Jungs! Jeder an seinen Platz!“

      Hasard drehte sich nicht um. Sein Blick war starr auf den bretonischen Freibeuter gerichtet, den er unter Einsatz seines Lebens dem wütenden Meer entrissen hatte.

      Hasard wußte, daß er diesen Mann töten mußte, wenn er nicht selbst getötet werden wollte. Er kannte die Grausamkeit und den Mut der bretonischen Freibeuter, die lieber starben, als sich einem Feind zu ergeben.

      Der Bretone griff mit einem wilden Schrei an. Der Ausfall erfolgte überraschend, aber Hasard konnte noch rechtzeitig ausweichen. Das Entermesser zischte haarscharf an seiner linken Schulter vorbei.

      Blitzschnell stieß Hasard mit der Pike zu. Der Bretone hatte diesen Stoß erwartet, und dennoch konnte er ihm nicht mehr ganz entgehen. Die blutverschmierte Pike ritzte ihm den rechten Oberarm auf.

      Der Bretone brüllte vor Wut. Ohne auf seine Deckung zu achten, stürmte er auf Hasard los, das Entermesser zum tödlichen Hieb erhoben.

      Der Seewolf glitt geschmeidig einen Schritt zur Seite.

      Das Entermesser sauste mit einem scharfen Laut herab und fuhr krachend in den Fockmast, in dem es zitternd stecken blieb. Der Bretone ließ das Entermesser los und wirbelte herum. Zu spät erkannte er, daß Hasard inzwischen die Enterpike auf ihn gerichtet hatte.

      Hasard brauchte sich nicht einmal zu bewegen. Mit voller Wucht lief der Bretone in die blutige Pike hinein. Ein dumpfer Schrei entrang sich seiner Brust. Seine Augen quollen hervor. Er krallte die Hände um den Schaft der Enterpike, aber er schaffte es nicht mehr, sie aus seinem Körper zu ziehen.

      Hasard ließ die Pike los, als der Bretone tot auf die Decksplanken der Back fiel.

      Smoky, der noch in den Wanten des Fockmastes hing und den mörderischen Kampf atemlos verfolgt hatte, ließ einen jubelnden Schrei los, der Hasard wieder zur Besinnung brachte. Ein Blick nach Steuerbord ließ ihn mit aller Deutlichkeit erkennen, wie groß die Gefahr war, die dort auf die „Isabella“ lauerte.

      Er bückte sich und hob den toten Bretonen hoch. Er war wütend, daß er am Ende doch noch auf die Freibeuter hereingefallen war. Er schleppte ihn nach Steuerbord und warf ihn im hohen Bogen über Bord, so daß die Bretonen auf den Karavellen sehen konnten, daß ihr Höllenkommando fehlgeschlagen war.

      Die Männer auf dem Mitteldeck sahen, wie Hasard den Toten über die Reling beförderte. Sie taten es ihm nach. Die drei toten Freibeuter flogen über das Schanzkleid, und bevor Hasard eingreifen konnte, hatte einer der Männer auch den brüllenden Mann, der bei der Bergung sein halbes Bein verloren hatte, gepackte und schleuderte ihn über Bord.

      „Bist du verrückt geworden?“ brüllte Hasard den Mann an, der jetzt erst wieder zur Besinnung kam und erschrocken zusammenzuckte. Einen Moment lang war die Besatzung verwirrt.

      Hasard sah, daß er ihre Gedanken wieder auf den Feind lenken mußte. Sie durften den schnellen Karavellen mit den Lateinersegeln nicht den Hauch eines Vorteils lassen, wenn sie diesen Kampf lebend überstehen wollten.

      „An die Geschütze, Männer!“ rief er. „Jetzt zeigt mal, was Ferris Tucker euch beigebracht hat! Wenn wir es nicht schaffen, die Bretonen in Fetzen zu schießen, werden sie uns massakrieren!“

      Mit einem Satz schwang er sich über die Reling und federte geschmeidig auf den Planken des Mitteldecks auf. Die Stückpforten waren längst hochgeklappt, die Geschütze ausgefahren und feuerbereit.

      Ben Brighton wartete auf Hasards Befehl, daß er das Schiff übernehmen solle.

      Hasard gab ihm das verabredete Zeichen.

      „Wir müssen unbedingt die Luvstellung behalten!“ rief er zum Quarterdeck hoch.

      Er sah, daß Ferris Tucker die Kanonen an Steuerbord feuerbereit hatte, aber noch waren die Karavellen für einen einigermaßen erfolgversprechenden Schuß zu weit entfernt. Sie segelten jetzt auf Parallelkurs neben der Galeone her.

      Sie waren schneller, da sie höher am Wind segeln konnten. Hasard fluchte vor sich hin. Sollte er warten, bis sie ihm in Lee davongelaufen waren und ihn dann von der Luvseite angriffen?

      Nein, er mußte selbst die Initiative ergreifen, bevor die Bretonen alle Vorteile auf ihrer Seite hatten.

      „Ben, wir müssen dichter ran!“ schrie er. „Wir müssen ihnen unsere Zähne zeigen, solange wir sie noch in Lee haben!“

      Ein kurzer Ruf zu Pete Ballie am Kolderstock genügte, um die Galeone wieder auf nördlichen Kurs zu bringen. Die vier Männer, die die Segel zu bedienen hatten, arbeiteten schnell und sicher. Nur kurz flatterten die Segel, dann standen sie wieder voll.

      Hasard stützte die Hände aufs Schanzkleid und starrte an der Back vorbei nach Norden, wo die Karavellen wie Windhunde über das bewegte Wasser huschten. Er versuchte zu erkennen, wie stark die Bewaffnung der Freibeuterschiffe war, doch er konnte auf die Entfernung nichts sehen.

      Wortlos schwang er sich in die Wanten des Großmastes und kletterte hinauf. Die Entfernung zu den Karavellen hatte sich ständig verringert.

      Hasard konnte die Unruhe erkennen, die plötzlich an Bord der Karavellen herrschte. Anscheinend wurden sich die Bretonen erst jetzt darüber klar, daß es ein Fehler gewesen war, so dicht zusammenzubleiben.

      Hasard erkannte auf der Backbordseite der ersten Karavelle drei Kanonen, die wesentlich kleiner waren als die Geschütze, die er an Bord der „Isabella“ hatte. Es mußte mit dem Teufel zugehen, wenn er den Freibeutern kein Schnippchen schlagen konnte.

      Als die Entfernung nur noch knapp dreihundert Yards betrug, verlor einer der Freibeuterkapitäne die Nerven. Obwohl er die „Isabella“ nur im spitzen Winkel sah, feuerte er eine ganze Breitseite ab.

      Hasard verharrte in den Wanten. Er atmete auf, als er sah, wie die Kugeln vor der „Isabella“ ins Wasser klatschten und hohe Fontänen in den aufgeklarten Himmel stiegen.

      „Jetzt gilt es, Männer!“ rief Hasard und wandte sich zum Quarterdeck. „Los, Ben, wir zeigen

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