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reagiert. Die Galeone legte sich herum und streckte den Bug dem Wellengang entgegen.

      Ben Brighton hatte nichts anderes tun können, wenn er die „Isabella“ nicht in Gefahr bringen wollte.

      Das Boot wurde von den wirbelnden Wassern förmlich in die Luft geschleudert. Es drehte sich um die eigene Achse. Einer der Männer verlor den Halt. Hasard sah, wie er über Bord gefegt wurde und augenblicklich verschwand.

      Dann raste das Boot auf die Galeone zu. Hasard hatte einen Tampen gepackt und lief am Schanzkleid entlang, bis er die Aufbauten des Vorkastells erreichte. Er verkrallte die linke Hand am Brooktau einer Kanone, und als die Welle über der Back zusammenschlug, warf er den Tampen dem heranrasenden Boot entgegen.

      Es war die Hölle!

      Im letzten Moment sah Hasard noch, wie einer der beiden Franzosen im Boot nach dem Tampen griff. Wasser rauschte über Hasard hinweg und wollte ihn ins tosende Meer ziehen. Er spürte, wie seine Füße von den Decksplanken abhoben. Sein linker Arm war taub. Er hatte das Gefühl, er wäre ihm ausgerissen.

      Er hörte ein fürchterliches Krachen und Splittern. Etwas Scharfes fuhr ihm ins Gesicht, und dann riß ihn der Tampen, den er in der rechten Hand hielt, zu Boden.

      Er konnte sich nicht mehr am Brooktau halten. Plötzlich fühlte er sich leicht wie ein Vogel. Aber es war nur einer kurzer Augenblick. Es folgte ein stechender Schmerz im linken Knie, und dann schien ihm der Himmel auf den Kopf zu fallen.

      Ein Reigen von schillernden Sternen zog an seinen weit aufgerissenen Augen vorbei. Er hörte weit entfernt Stimmen, die immer deutlicher wurden. Ein paar kräftige Arme griffen unter seine Achseln und zerrten ihn über die Decksplanken.

      Plötzlich war sein Blick wieder klar. Er sah den Blutfleck an der Kanone, von der man ihn wegzog, und er wußte sofort, daß es sein eigenes Blut war. Er mußte mit dem Kopf dagegen geschlagen sein.

      Hasard versuchte, mit den Füßen Halt auf dem Deck zu finden, doch die kräftigen Arme, die ihn gepackt hatten, zerrten ihn weiter.

      „Verdammt noch mal!“ brüllte er. „Laßt mich endlich los!“

      Er krachte auf sein Hinterteil und rollte gegen die Lafette der Kanone, als die Galeone nach Steuerbord krängte. Ein Blitz zuckte durch seinen Schädel. Er verbreitete einen heißen Schmerz, doch Hasard blieb bei Besinnung. Taumelnd erhob er sich und blickte sich um.

      Batuti stand neben ihm, die Augen weit aufgerissen.

      Er sagte etwas, das Hasard nicht verstand.

      Zu Hasards Füßen lag ein Mann in einem gestreiften Hemd und einem roten Schal. Er keuchte und spuckte Meerwasser aus, das er geschluckt hatte.

      „Der andere?“ schrie Hasard.

      Batuti zuckte die Schultern, und Hasard wußte Bescheid. Die Franzosen hatten bei der Bergung einen hohen Tribut zahlen müssen. Zwei ihrer Leute waren tot, und einer hatte ein Bein verloren.

      Das Boot hatten sie auch nicht retten können. Der gewaltige Brecher hatte es an der Bordwand der „Isabella“ zu Kleinholz verarbeitet.

      „Sir, du bluten!“ brüllte Batuti. „Kopf kaputt!“

      Hasard faßte an die Stelle, mit der er gegen die Kanone geprallt war. Er spürte die warme, klebrige Flüssigkeit. Ein Messer schien ihm in die Kopfhaut zu schneiden. Er taumelte über das Deck und ließ sich von Batuti zum Quarterdeck hinaufhelfen.

      Ben Brighton eilte auf ihn zu, aber Hasard winkte ab.

      „Geh wieder auf Kurs Nordost“, schrie er. „Ferris Tucker soll sich um die Franzosen kümmern! Seid vorsichtig! Ich will mir nur meine Wunden ansehen, dann bin ich wieder da!“

      Ben Brighton nickte. Er ging mit breiten Schritten zur Nagelbank zurück und gab den Befehl, das Großmarssegel wieder einzuholen. Als er die Franzosen unten auf dem Hauptdeck beieinander stehen sah, schlich sich seine Hand langsam unter die Segeltuchjacke, wo er eine Pistole im Hosenbund stecken hatte.

      8.

      Die Schädeldecke war noch ganz. Es war nur eine schmerzhafte Platzwunde, die Hasard am Hinterkopf davongetragen hatte. Ein Splitter hatte ihm die linke Wange aufgerissen, aber die Wunde blutete schon nicht mehr.

      Sorgen bereitete Hasard sein Knie. Es schwoll immer mehr an, und er konnte es kaum noch bewegen. Er fluchte still in sich hinein. Mit allem hatte er auf dieser Höllenfahrt gerechnet, aber nicht damit, schiffbrüchige Franzosen an Bord nehmen zu müssen. Es fehlte nur noch, daß sie von ihm verlangten, er solle sie in einem französischen Hafen an Land setzen.

      Batuti hatte die Kopfwunde versorgt. Der helle Verband sah aus wie der Turban eines Muselmans. Trotz der Schmerzen im Knie stand Hasard auf. Er befahl Batuti, zu jedem der Männer zu gehen und ihnen einzutrichtern, daß sie wachsam sein sollten. Sie durften kein Risiko eingehen und mußten die Franzosen im Auge behalten.

      Batuti verschwand, und wenig später betrat Ben Brighton die Kapitänskammer.

      „Hast du schon mit den Franzosen gesprochen?“ fragte Hasard.

      Brighton schüttelte den Kopf.

      „Die fünf armen Teufel stehen auf einem Haufen an Deck herum und warten wahrscheinlich darauf, daß wir uns um sie kümmern“, sagte er. Er warf einen besorgten Blick auf Hasards Verband, aber der Seewolf winkte ab.

      „Halb so schlimm“, sagte er. „Nur mein Knie tut mir höllisch weh. Ich werde kalte Umschläge drumwickeln müssen, damit die Schwellung abklingt. Sag mir lieber, was du von den Franzosen hälst.“

      „Wir sollten sie fragen, wie sie mit ihrem Boot mitten in die Biskaya kommen“, sagte Ben Brighton.

      Hasard nickte.

      „Hol sie her“, sagte er. „Aber sag Ferris Bescheid, er soll unsere Männer bewaffnen.“

      „Aye, aye“, sagte Ben Brighton und lief auf den Gang hinaus, der zum Quarterdeck führte.

      Hasard setzte sich hinter den Schreibtisch und fluchte leise. Selbst wenn es sich nur um harmlose Seeleute handeln sollte, die ihr Schiff verloren hatten – sie bildeten eine Gefahr für sie, wenn sie von einem französischen Schiff angegriffen werden sollten. Eine Gefahr, wie die Spanier für sie dargestellt hatten. Ein Unterschied bestand allerdings: Die Franzosen konnte er nirgends mehr loswerden. Er mußte sie mit nach England nehmen oder über Bord werfen.

      Er hörte die Schritte im Gang und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen, als die fünf Franzosen die Kapitänskammer betraten und sich vor dem Schreibtisch aufbauten. Hinter ihnen erschienen Ben Brighton, Ferris Tucker, Batuti und Blacky. Sie alle hatten entschlossene Gesichter aufgesetzt. Wahrscheinlich wollten sie die Franzosen damit von vornherein einschüchtern, damit sie gar nicht erst den Versuch wagten, etwas zu unternehmen, was den Engländern nicht gefiel.

      „Spricht einer von Ihnen Englisch, messieurs?“ fragte Hasard, auf den die fünf Franzosen ziemlich gerissen wirkten. Es waren durchweg kräftige Burschen, und ihre Gesichter konnte man ohne weiteres verschlagen nennen.

      Einer der Männer trat vor.

      „Ich spreche etwas Englisch, capitain“, sagte er mit dem singenden Tonfall des Franzosen. „Meine Kameraden und ich möchten uns aufrichtig dafür bedanken, daß Sie unter Einsatz Ihres eigenen Lebens das unsere gerettet haben. Das gilt besonders für mich. Ich war bei den letzten drei, von denen nur ich überleben konnte, dank Ihres mutigen Eingreifens.“

      Hasard nickte kurz und musterte die Männer mit unverhohlener Neugier. Sie trugen ausnahmslos Bärte, in denen noch Tropfen von Meerwasser hingen.

      „Sie haben Ihr Schiff verloren?“ fragte Hasard.

      Der Franzose mit dem gestreiften Hemd und dem roten Halstuch nickte.

      „Oui, monsieur“, sagte er. „Der verdammte Sturm hat uns den Vormast abgerissen, der uns das ganze Vorschiff zertrümmert

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