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der letzte Meistertitel, den sie am Niederrhein feiern konnten.

      In der Saison 1978/79 stürzten die »Fohlen« auf Platz zehn ab. Abgesehen von der Zeit Mitte der achtziger Jahre war Gladbach zumeist nur noch Mittelmaß. »Ein Schatten früheren Glanzes«, heißt es in der Vereinschronik. Das hatte viel mit den veränderten Bedingungen im Fußball zu tun. Ein marodes Stadion in einer strukturschwachen Region – kaum ein Verein mit einem solchen Background kann im Millionengeschäft Fußball oben mitspielen. Herausragende Talente wie Lothar Matthäus, Stefan Effenberg oder Sebastian Deisler musste der klamme Klub ziehen lassen. 1998/99 stieg Borussia Mönchengladbach nach 35 Jahren Ligazugehörigkeit sogar erstmals in die 2. Liga ab und schaffte erst 2001 den Wiederaufstieg.

      Mit dem Umzug vom legendären Bökelberg in den neuen Borussen-Park im Jahr 2004 sollte eine neue Ära am Niederrhein beginnen, doch einmal mehr wurden die guten Voraussetzungen verspielt, und so stieg die Mannschaft 2007 erneut ab! Allerdings auch sofort wieder auf, jedoch ohne die Rolle einer Randerscheinung in der Bundesliga ablegen zu können.

      Fußballwunder dank Lucien Favre

      Bis Lucien Favre die Mannschaft im Februar 2011 übernahm. Er formte innerhalb weniger Monate aus dem als sicher geltenden Abstiegskandidaten eine Mannschaft, die sich plötzlich auf Champions-League-Kurs befand! Borussia Mönchengladbach hatte – und an dieser Stelle ist das Wort ausnahmsweise wirklich angebracht – eine »sensationelle« Blitzheilung hingelegt. Und in diesem Fall gibt es keine Diskussionen, wer dafür verantwortlich ist.

      Als Lucien Favre seinen Dienst bei den »Fohlen« antrat, war das Team komplett am Boden. Kein Selbstvertrauen, keine Hoffnung, keine Chance! Gladbach war die Schießbude der Liga, war mit 56 Gegentoren in 22 Spielen und dementsprechend mit gerade einmal 16 Punkten abgeschlagener Tabellenletzter, der realistischerweise für die 2. Liga plante. Vor allem deshalb hatte man den Schweizer geholt, weil er wenigstens mittelfristig auch nach dem erwarteten Abstieg eine Struktur in diese Mannschaft bringen sollte. Er hat es im Formel-1-Tempo geschafft. In den letzten zwölf Spielen der Saison 2010/11 unter Favre holte die Borussia 20 Punkte und schaffte schließlich den wohl von niemandem für möglich gehaltenen Klassenerhalt. Das war ein kleines Fußballwunder.

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      Wie einst in den Siebzigern: ein erfolgreicher Trainer und sein blonder Star (Lucien Favre und Marco Reus).

      Was hat dieser Trainer, was manch anderer nicht hat? Es ist eine besondere Mixtur aus mehreren Zutaten, die ein Volltreffer für Mönchengladbach war. Da wären zum Beispiel zwei Qualitätsmerkmale, die ein wenig aus der Mode gekommen scheinen: Erfahrung und Können. Der Mann kann etwas, weil er es sich erarbeitet hat. Wie kaum ein anderer hat er das Trainergeschäft von der Pike auf gelernt, indem er sehr bewusst an der Basis angefangen hat als Assistenztrainer der C-Junioren. Dann führte er einen Amateurklub überraschend in die Nationalliga B in der Schweiz, danach einen weiteren Verein in die Nationalliga A, wurde später Pokalsieger mit Servette Genf und schließlich zweimal Meister mit dem FC Zürich. Eine kontinuierliche Entwicklung über Jahre. Dass Favre mit reichlich Fußballsachverstand ausgestattet ist, hatte er schon als Spieler gezeigt. Er galt als Techniker und intelligenter Spielmacher und wurde 1983 immerhin Schweizer »Fußballer des Jahres«.

      Aber dass auch sein Durchhaltevermögen außergewöhnlich ist, hat Pierre Albert Chapuisat erfahren. Der Vater des ehemaligen Dortmunder Stürmers Stephane Chapuisat hatte in einem Schweizer Ligaspiel dem Gegenspieler Lucien Favre so übel in die Kniekehle getreten, dass dieser um die Fortsetzung seiner Karriere bangte. Obwohl der Schiedsrichter das Foul nicht geahndet hatte, wollte Favre das nicht auf sich beruhen lassen und zog vor ein Zivilgericht. Nach zwei langen Jahren wurde sein Kontrahent tatsächlich zu einer Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Und der zu dem Zeitpunkt schon 33-Jährige schaffte sogar noch das Comeback als Fußballer. Eine Akribie und in positivem Sinne Besessenheit, mit der Favre jetzt die Gladbacher Spieler überzeugen konnte.

      An »Taktik, Technik und Kondition« habe er als Erstes gearbeitet, sagt der Mann, der eben nicht marktschreierisch daherkommt und in der Szene fast schon erfrischend reduziert wirkt. Er hat der Mannschaft ein System gegeben. Zu allererst ein Defensivsystem: Immer wieder hat er seinen Spielern – und das sind fast genau dieselben wie vor seiner Amtszeit – geduldig klargemacht, dass Niederlagen nur zu verhindern sind, wenn alle zusammen verteidigen. Das versuchen viele Trainer dieser Welt, aber in Mönchengladbach haben sie es tatsächlich verstanden, und weil sie dadurch eine solche Sicherheit bekommen haben, erreichten die Borussen am Ende der Saison 2011/12 Tabellenplatz vier und damit die Qualifikationsspiele zur Champions League.

      Favre hat mit klarer Vorstellung, viel Detailarbeit und seiner Unnachgiebigkeit so ziemlich alle Spieler besser gemacht. Juan Arango zum Beispiel, der immer noch nicht derjenige mit der größten Laufleistung war, aber auf einmal deutlich präsenter und frischer wirkte und nicht nur die genialen Torvorbereitungen initiierte, sondern laut Statistik manchmal sogar 100 Prozent seiner Zweikämpfe gewann. Oder Marco Reus! Ein Fußballer mit überragendem Potenzial, das er mehr und mehr ausschöpfte, weil er sich jetzt auch traute. Und nicht zu vergessen Torhüter ter Stegen. Mit 19 der jüngste Stammkeeper der Bundesliga. Erst Favre schenkte dem U17-Europameister von 2009 das Vertrauen. Das Ergebnis: Nur Bayerns Manuel Neuer musste in der Saison 2011/12 seltener hinter sich greifen.

      Favre hat den Klub nicht nur vor dem dritten Abstieg bewahrt, er verwandelte die zwischenzeitlich zur grauen Maus mutierte Borussia in ein Spitzenteam, das an die goldenen Zeiten der siebziger Jahre erinnerte. Und nicht zu Unrecht zog die Presse nur allzu gern die Parallele zu den legendären »Fohlen«.

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      Wenn Geld Spiele entscheidet

      Die großen Skandale in der Bundesliga

      Die Einführung der Fußball-Bundesliga hatte sich schon sehr schnell als Erfolg erwiesen. Man hatte das Gefühl, alles ist dadurch irgendwie besser und professioneller geworden: die Spiele, die Strukturen, die Öffentlichkeitswirksamkeit, die Stadien und die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Und so war es auch. Aber gleichzeitig stiegen genauso die Begehrlichkeiten, vor allem finanziell. Damit entwickelte sich die bis dahin »schönste Nebensache der Welt« zu einer Hauptsache, mit der man gute Geschäfte machen konnte. Grundsätzlich kein Problem, solange die ausschließlich legal waren. Aber überall dort, wo eben nicht nur der Ball zirkuliert, sondern auch immer mehr Geld, da gibt es Kräfte, die versuchen, diese Quelle anzuzapfen. Das ist nicht wirklich überraschend und schon gar nicht auf den Fußball beschränkt. Gefährlich wird es für den Sport nur dann, wenn handelnde Personen aus dem System heraus dafür sorgen, dass der »Diebstahl« gelingt. Dann läuft der Fußball Gefahr, dass er sein Markenzeichen, die sportliche Glaubwürdigkeit, verspielt.

      Zwei schwerwiegende Angriffe auf seine Unschuld hat es bereits gegeben. Beide Male habe ich es nicht für möglich gehalten, dass solche Entwicklungen gerade in diesem Umfeld, wo immer gleich mehrere Funktionsträger gleichzeitig eingeweiht und mitmachbereit sein müssen, möglich sind. Selbst jetzt, nachdem bewiesen ist, dass der deutsche Fußball Wettbetrügern ausgesetzt gewesen ist, bin ich immer noch schockiert, dass es tatsächlich passieren konnte, ohne dass man die Täter auf frischer Tat ertappt hat. Ein Schiedsrichter, der früher schon glücklich war, überhaupt dabei sein zu dürfen, und der heute – nach mehreren Entwicklungsphasen der Professionalisierung – sogar stetig gutes Geld in diesem Aufgabenfeld verdient, erhält von Kriminellen, die mit dem Sport rein gar nichts am Hut haben, den Auftrag, Spiele zu entscheiden – und er macht das auch noch. Das ist verwerflich und zum Glück gnadenlos bestraft worden. Aber dass so etwas tatsächlich funktioniert hat, das ist bestürzend. Und sorgt für so viel Unsicherheit, dass wir dafür Sorge tragen müssen: So etwas darf möglichst nie wieder vorkommen, damit nicht eines Tages der Zweifel bei jeder Partie mitspielt, sondern man sich vorbehaltlos der Begeisterung für diesen Sport hingeben kann.

      Den Spaß verloren

      Welche

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