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Kadlec und Torhüter Andreas Reinke dem Verein auch in der 2. Liga treu blieben und diese »Betzebuben« den sofortigen Wiederaufstieg anpeilten. Rehhagel, der mit Werder Bremen in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren große Erfolge gefeiert hatte, war in der Saison zuvor in München gescheitert. Ein Erfolgstrainer, der aber, um Erfolg zu haben, auch nach seinem Gusto arbeiten dürfen musste. Niemand, den er nicht für würdig erachtete – und das waren wahrlich wenige –, durfte dem »demokratischen Diktator«, wie er sich selbst einmal nannte, hineinreden.

      In der Pfalz hatte er mit seinem alten Intimus, dem 1. FCK-Präsidenten Jürgen »Atze« Friedrich, schon vor der Vertragsunterzeichnung klare Verhältnisse geschaffen. »Hier darfst du wieder Otto sein«, soll Friedrich dem Trainer vor dessen Amtsantritt gesagt haben. Wie schon in Bremen konnte der Altmeister als allmächtiger Provinzfürst schalten und walten, wie er wollte. Und durfte sich dabei der bedingungslosen Unterstützung seiner Männerfreunde Friedrich und Hubert Kessler gewiss sein.

      In die Bundesligasaison 1997/98 ging also eine eingespielte Mannschaft, die mit Talenten wie Michael Ballack, aber auch mit gestandenen Spielern wie Rückkehrer Ciriaco Sforza und Marian Hristov ergänzt wurde. Andere wie Kaiserslauterns brasilianische »Zaubermaus« Ratinho oder Flügelflitzer Andreas Buck sowie Nachwuchsstürmer Marko Reich spielten die Saison ihres Lebens.

      Die Pfälzer setzten gleich am ersten Spieltag ein Ausrufezeichen! Der Aufsteiger gewann beim Rekordmeister und einmal mehr Topfavoriten der Saison, bei den Bayern, mit 1:0. Für Rehhagel natürlich eine Genugtuung sondergleichen. Unvergessen ist sein Jubellauf durchs Olympiastadion zu den Fans des 1. FCK, inklusive Mineralwasserdusche für jeden, der ihm in die Quere kam. »Es gibt einen Fußballgott – und der sieht alles. Die Rechnung kommt immer, manchmal gleich, manchmal ein wenig später«, sagte Rehhagel nach dem Sieg in München.

      Nach einem weiteren 1:0-Erfolg zu Hause gegen Hertha BSC erklommen die Lauterer erstmals die Tabellenspitze und gaben sie nur noch ein einziges Mal wieder ab, nach dem 0:0 am dritten Spieltag gegen den 1. FC Köln. Mit dem 3:0 gegen den FC Schalke am Spieltag darauf verdrängten sie den Karlsruher SC wieder vom Platz an der Sonne.

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      Mit der Meisterschaft 1998 inthronisierte sich Otto Rehhagel als »König von der Pfalz«. Eine Saison vorher hatte der 1. FC Kaiserslautern noch zweitklassig gespielt. An der Seite des Trainers jubeln nach dem entscheidenden 4:0-Sieg über Wolfsburg Miroslav Kadlec und Pavel Kuka.

      Rehhagel ließ seine »Betzebuben« das spielen, was schon in Bremen funktioniert hatte. Es war kein moderner Fußball, aber ein höchst effektiver. Nach zunächst eher biederen, aber eben erfolgreichen Auftritten hatte die Mannschaft reichlich Selbstvertrauen getankt und spielte erfrischenden Offensivfußball.

      Die größte Stärke Rehhagels war zweifelsohne seine Fähigkeit, eine ganze Mannschaft zu motivieren, das Bestmögliche aus jedem herauszukitzeln. Er redete jeden einzelnen Akteur stark und machte ihm gleichzeitig klar, dass er nur im Kollektiv Erfolg haben kann. Rehhagels Ansprachen waren altbacken – wie manch einer behauptete. Vielleicht aber auch einfach nur traditionell und klar verständlich! Jedenfalls schaffte er es, sein Konzept und seine Leidenschaft auf die Mannschaft zu übertragen. Und jeder Einzelne fühlte sich bei ihm als Teil einer verschworenen Gemeinschaft. »Wozu braucht meine Mannschaft Doping? Sie hat ja mich«, hat er einmal gesagt. Vor allem aber war es der Erfolg eines Kollektivs, das sich, angestachelt vom »Fußballverrückten« Rehhagel und nach vorne gepeitscht von den FCK-Fans, im Verlauf der Saison immer mehr Selbstbewusstsein erarbeitete.

      Diese Mannschaft, sagte Stürmer Olaf Marschall rückblickend, sei keine, die Spiele verwalten konnte. »Wir hatten ja selbst hinten Leute, die offensiv dachten. Und so gewannen wir unsere Spiele eben 4:3 oder 3:2 statt 1:0«, erklärte Kaiserslauterns Stürmer, dem in 24 Begegnungen 21 Treffer gelangen.

      »Lasst euch nicht verrückt machen«

      Zwischenzeitlich hatte der Vorsprung auf den Verfolger aus München neun Punkte betragen, doch vier Spieltage vor Schluss begann in der Pfalz das große Zittern. Die Sensationsmannschaft des Aufsteigers spürte bereits den Atem der großen Bayern im Nacken, der Vorsprung war auf zwei Zähler geschmolzen. In der vorletzten Partie der Saison empfingen die Pfälzer den Mitaufsteiger VfL Wolfsburg. Vor der Begegnung setzte Rehhagel auf Psychologie und versuchte seinen Spielern den täglich wachsenden Druck zu nehmen: »Jungs, lasst euch nicht verrückt machen, wir haben ja schon gewonnen. Selbst wenn es nicht klappt, haben wir bis zum Schluss oben mitgespielt.« Das Entscheidende war, dass die Mannschaft ihrem Trainer folgte und seinen Anweisungen und Ratschlägen Glauben schenkte. Und so zeigte Rehhagels »Trick« vor dem vorweggenommenen »Endspiel« Wirkung. Kaiserslautern gewann am 2. Mai 1998 mit 4:0 gegen die »Wölfe«, während die Bayern nicht über ein mageres 0:0 gegen den MSV Duisburg hinauskamen. Marschall, Martin Wagner, noch einmal Marschall sowie Jürgen Rische schossen die Tore für den 1. FCK, und der »Betzenberg« bebte, als die »Roten Teufel« von tief unten ganz nach oben aufgestiegen waren.

      Eine Sensation! Erstmals in der Geschichte der Bundesliga holte ein Aufsteiger sofort die Deutsche Meisterschaft. So etwas gab es noch nie, und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass irgendein Klub dieses Meisterstück wiederholen könnte. Die Kluft zwischen den sogenannten Großen und dem Rest der Liga ist im Laufe der 50 Jahre immer weiter auseinander gedriftet. Hoffenheim ist in der Saison 2009/10 als Aufsteiger Herbstmeister geworden. Auch das musste man sensationell nennen. Am Ende landete der Klub aus dem Kraichgau aber dann, anders als die Lauterer damals, doch nur im Mittelfeld der Tabelle.

      DIE MIESESTEN MEISTER, DIE STÄRKSTEN AUFSTEIGER

Schlechteste Platzierungen von Beste Platzierungen von amtierenden meistern Aufsteigern
17. Platz: 1. FC Nürnberg, 1968/69 1. Platz: 1. FC Kaiserslautern, 1997/98
10. Platz: FC Bayern München, 1974/75 3. Platz: FC Bayern München, 1965/66
10. Platz: VfB Stuttgart, 1984/85 4. Platz: Wuppertaler SV, 1972/73
9. Platz: Eintracht Braunschweig, 1967/68 4. Platz: VfB Stuttgart, 1977/78
8. Platz: Werder Bremen, 1993/94 5. Platz: Hannover 96, 1964/65
8. Platz: VfL Wolfsburg, 2009/10 5. Platz: Werder Bremen, 1981/82
7. Platz: VfB Stuttgart, 1992/93 5. Platz: VfL Bochum, 1996/97
6. Platz: 1. FC Köln, 1978/79 6. Platz: Hansa Rostock, 1995/96
6. Platz: FC Bayern München, 1994/95 7. Platz: Kickers Offenbach, 1972/73
6. Platz: VfB Stuttgart, 2007/08 7. Platz: TSG 1899 Hoffenheim, 2008/09
7. Platz: 1. FC Kaiserslautern, 2010/11

      Nach dem Titelgewinn des 1. FCK im Sommer 1998 erklärte Rehhagel Kaiserslautern zur »Hauptstadt der Fußballwelt«. Dass er der Herrscher über selbige war, sagte er nicht, aber das verstand sich nicht nur aus seiner Sicht von ganz allein. Erstmals spielte der Klub in der Champions League, das beschauliche Kaiserslautern zog in die Welt hinaus und erreichte sogar noch das Viertelfinale. Dort allerdings schieden die Pfälzer nach zwei Niederlagen (0:2 und 0:4) gegen die Bayern aus. Es war also kein Strohfeuer, dieser unglaubliche Titelgewinn, zumal der Meister auch in der nächsten Saison in der Liga auf einem respektablen fünften Platz landete.

      Ein

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