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50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte. Gerhard Delling
Читать онлайн.Название 50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte
Год выпуска 0
isbn 9783895338885
Автор произведения Gerhard Delling
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Der Meistertrainer wird gefeuert
Der Trainer besann sich erst wieder auf seine ureigensten Aufgaben, als Nürnberg die »Rote Laterne« spazieren trug, und versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war. Das Tischtuch zwischen ihm und seinen Spielern war längst zerschnitten. Trotz der überaus angespannten Situation schien der »Zampano« Merkel zunächst nicht um seinen Job fürchten zu müssen. Doch als sich auch in der Rückrunde keine Besserung einstellte, zog die Vereinsführung die Reißleine. Max Merkel wurde im März 1969 gefeuert, wenngleich man sich bemühte, es offiziell anders aussehen zu lassen. Der Trainer habe die Verantwortlichen gebeten, ihn aus gesundheitlichen Gründen aus dem Vertrag zu entlassen, so lautete die veröffentlichte Version einer Trennung, die offensichtlich viel zu spät vollzogen wurde.
Co-Trainer Körner übernahm den Tabellenletzten. Doch der ehemalige Assistent schien nicht der richtige Mann zu sein, um den Knoten zu lösen. Nach nur 19 Tagen als Cheftrainer nahm er freiwillig seinen Hut. »Club«-Legende Max Morlock, Weltmeister von 1954, kam nun täglich aufs Trainingsgelände. Heute würde man seine Funktion vielleicht Teammanager nennen, vor allem aber war er Seelenklempner für die völlig verunsicherten Spieler. Als neuer Trainer wurde Kuno Klötzer verpflichtet. Unter ihm gelang den Nürnbergern ein 2:0-Heimsieg gegen Eintracht Braunschweig, immerhin Meister der Saison 1966/67. Beim VfB Stuttgart gewannen die »Clubberer« mit 3:2, ehe zu Hause der Tabellenführer Bayern München mit 2:0 niedergerungen wurde. Der 1. FC Nürnberg schöpfte wieder Hoffnung.
Doch in der Tabelle lag alles verdammt eng beieinander, und auch die Konkurrenten im Abstiegskampf punkteten. Eine ganze Stadt, die gesamte Region litt mit dem Verein. In Heilbronn hingegen frohlockte man schadenfroh: »Nun muss Nürnberg bald gegen den VfR Heilbronn antreten.« Nürnbergs Oberbürgermeister Andreas Urschlechter entgegnete daraufhin martialisch wie pathetisch: »Eher lassen wir uns die Ohren abschneiden.« Und tatsächlich: Am drittletzten Spieltag mussten zwar noch sage und schreibe neun Mannschaften um den Klassenerhalt zittern, aber mit dem 3:3-Unentschieden gegen Werder Bremen sprang der 1. FC Nürnberg erstmals seit Monaten wieder auf einen Nichtabstiegsplatz.
Mit Trainer Max Merkel (mit Meisterschale) holte der 1. FC Nürnberg 1968 überraschend die Deutsche Meisterschaft. Ein Jahr später die große Enttäuschung: Der »Club« musste absteigen.
»Wie ein böser Traum«
Mit einem Sieg in der Woche darauf gegen Borussia Dortmund hätten die Franken einen Riesenschritt zur Rettung machen können. Doch mehr als ein 2:2 gegen den Mitkonkurrenten im Abstiegskampf sprang nicht heraus und Nürnberg musste weiter bangen, unter anderem weil Torhüter Jürgen Rynio einen Treffer gegen den BVB kassierte, der manch einem damals haltbar erschien. Und so kam es in der Woche darauf zum »Endspiel« in Köln. Der »Club« verlor gegen die »Geißböcke« mit 0:3, und das Unvorstellbare war eingetreten – der amtierende Deutsche Meister stieg sang- und klanglos direkt in die Regionalliga ab. Viele der Nürnberger Spieler heulten beim Abpfiff Rotz und Wasser, Jürgen Rynio hingegen spazierte scheinbar bestens gelaunt vom Spielfeld. Und entgegen seiner Treueschwüre zum »Club« packte der Torhüter nach dem Abstieg flugs seine Koffer und wechselte von Nürnberg nach Dortmund. Ferdinand Wenauer äußerte später die Vermutung, dass am vorletzten Spieltag nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Und auch wenn Wenauer seinem Mannschaftskameraden natürlich nie ein Fehlverhalten nachweisen konnte, allein diese Episode sagt alles über das soziale Gefüge dieses Ensembles aus.
Fest steht hingegen, dass nie mehr in der Geschichte der Fußball-Bundesliga ein Meister in der darauf folgenden Saison absteigen musste. Und noch schlimmer: Der ruhmreiche 1. FC Nürnberg musste tatsächlich bei Bayern Hof, dem FC 1908 Villingen und – wie »angedroht« – in Heilbronn antreten. »Es ist wie ein böser Traum«, sagte Max Morlock, »man möchte am liebsten nicht mehr nach Hause.«
Vielleicht ist es sogar dieses Erlebnis aus den späten sechziger Jahren, das maßgeblich war für die Entwicklung des 1. FC Nürnberg bis heute. Der »Club« war bis dahin eine große Nummer im deutschen Fußball, doch das Trauma aus dem Sommer 1969 hat der Verein – so scheint es – nie ganz überwunden. Wer weiß, welchen Weg der einstige Rekordmeister gegangen wäre, wenn damals der Abstieg hätte verhindert werden können?
Auch wenn Nürnberg natürlich mit Macht zurück in die Bundesliga wollte, die Franken mussten sich gedulden. Zehn quälend lange Jahre verbrachte der »Club« in der Zweitklassigkeit. Eine Zeitspanne, in der der Nimbus einer Spitzenmannschaft des deutschen Fußballs nachhaltig aufgebraucht wurde. Erst 1978 gelang der Wiederaufstieg in die Bundesliga, doch es war nur ein einjähriges Intermezzo. Seitdem ist der »Club« der Prototyp einer Fahrstuhlmannschaft und gemeinsam mit Arminia Bielefeld Rekordhalter im deutschen Profifußball. Siebenmal stiegen die Franken ab, siebenmal stiegen sie in die Bundesliga auf.
Tränen bei den »Roten Teufeln«
Das genaue Gegenteil spielte sich rund 30 Jahre später in der Pfalz ab – auch wenn es zunächst einmal Parallelen gab. Der 1. FC Kaiserslautern war 1991 Deutscher Meister geworden. Mit Titeln kannte man sich aus am Betzenberg: Die Meisterschaft zu Beginn der neunziger Jahre war bereits die dritte, die die »Roten Teufel« in die Pfalz holten. Doch eine völlig neue und überaus schmerzvolle Erfahrung mussten die Erben von Fritz Walter im Sommer 1995 machen. Erstmals stieg der Traditionsklub aus der Bundesliga ab; in der Saison zuvor hatten sie noch Platz vier belegt und spielten auf internationaler Bühne. Ironie des Schicksals: Eine Woche nach dem Abstieg gewann Kaiserslautern sogar noch den DFB-Pokal.
Es war ein Drama für die treuen Fans und die Spieler. Ich sehe heute noch den abgekämpften Andreas Brehme vor mir, der im TV-Interview einfach nicht mehr sprechen konnte und den Tränen freien Lauf ließ. Fußball war (und ist) fast so etwas wie Religion in der pfälzischen Provinz, der Wiege der 1954er-Weltmeistermannschaft. Die Kinder, so hieß es dort immer, könnten zuerst die Mannschaftsaufstellung des 1. FC Kaiserslautern auswendig, bevor sie das kleine Einmaleins beherrschen. Eine ganze fußballverrückte Region trauerte, bangte und hoffte auf den Wiederaufstieg.
Im Rest der Republik war man sich hingegen weitgehend einig: Der Abstieg würde das Ende einer Ära sein. Der Nimbus Betzenberg schien endgültig dahin. Diese Festung hoch oben über der Stadt hatte ihren Schrecken verloren, den sie jahrelang verbreitet hatte. Paul Breitner vom FC Bayern hat einmal vor einem Spiel in Kaiserslautern gesagt: »Da brauchen wir gar nicht erst hinzufahren und können die Punkte gleich mit der Post schicken.« Auch ich habe nach dem Abstieg befürchtet, dass der FCK nie mehr so recht auf die Beine kommen würde, zumal die »Roten Teufel« auch wirtschaftlich nicht gerade auf Rosen gebettet waren. Manch einer befürchtete sogar, dass der Klub durchgereicht werden könnte bis in die Niederungen des Amateurfußballs. Dass genau das nicht eintrat, war einer der größten Erfolge des FCK!
Während meiner Zeit beim Südwestfunk in den späten achtziger Jahren hatten wir vor den Bundesliga-Heimspielen der Pfälzer öfters redaktionsinterne Wetten abgeschlossen. Gar nicht auf das Ergebnis bezogen, sondern eher darauf, dass mal wieder irgendetwas Besonderes am Betzenberg passieren würde. Hier lag eigentlich immer eine Sensation in der Luft, aber die größte Sensation sollte sich ausgerechnet jetzt nach dem Abstieg der Lauterer ereignen. Und darauf hat niemand gewettet. Günter Netzer bezeichnete das, was sie am Betzenberg geschafft haben, einmal als die größte Leistung, die je im deutschen Fußball vollbracht worden sei.
»Hier darfst du wieder Otto sein«
Großen Anteil daran hatte Otto Rehhagel, der die Mannschaft zu Saisonbeginn 1996/97 in der 2. Liga übernahm.