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würde. Ich nuschelte, mich mit errötetem Kopf schämend für meine Sprachlosigkeit, ein hastiges »Danke« und lief, so schnell ich konnte, zu meiner Mutter und schrie sie fast an: »Da vorn steht Uwe Seeler! Da! Der da!«

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      Geb. 5.11.1936

       Stationen als Spieler:

      1946 – 1972: Hamburger SV

      239 BL-Spiele (137 Tore)

      237 Oberligaspiele (267 Tore)

      43 Endrundenspiele um die

      Deutsche Meisterschaft (40 Tore)

      29 Europapokalspiele (21 Tore)

      72 A-Länderspiele (43 Tore)

      3 B-Länderspiele

       Stationen als Funktionär:

      1995 – 1998: Präsident

      Hamburger SV

      Erfolge als Spieler:

      Vize-Weltmeister 1966

      WM-Dritter 1970

      WM-Teilnehmer 1958 und 1962

      Deutscher Meister 1960

      DFB-Pokalsieger 1963

      Europapokalfinalist der Pokalsieger 1968

       Auszeichnungen:

      Deutschlands »Fußballer des

      Jahres« 1960, 1964, 1970

      Bester Oberliga-Torschütze 1956,

      1959, 1960 und 1961

      Bundesliga-Torschützenkönig

      1963/64 (30 Tore)

      Dritter bei der Wahl zu »Europas

      Fußballer des Jahres« 1960

      Meine Mutter brauchte ein wenig länger als ich für die Identifizierung, aber sie erkannte – obwohl nicht latent fußballinteressiert, sondern nur bei wichtigen Meisterschaften oder großen Turnieren am Fernsehgerät dabei – sehr bald, welch Prominenz da mitten im Kaufhaus stand und offensichtlich als ganz normaler Kunde ein Kindergeschenk suchte. »Das ist ja unglaublich«, sagte sie, »willst du dir nicht ein Autogramm holen, sonst denken deine Spielkameraden, du hättest dich geirrt, wenn du davon erzählst.«

      Ich wollte – und wie. Aber ich traute mich nicht und war umso dankbarer, dass meine Mutter das sehr schnell realisierte und mich nun ziehend und dann wieder schiebend zu Uwe Seeler schleppte. »Dieser junge Mann würde so gern ein Autogramm von Ihnen haben, Herr Seeler«, sprach sie ihn unumwunden an, »es hat ihm nur gerade die Sprache verschlagen!«

      »Das ist kein Problem, das mache ich doch gerne. Wir haben uns eben ja schon ein wenig angefreundet«, gab Uwe zurück, so als würde ihm das nicht unzählige Male am Tag passieren. »Du spielst doch bestimmt auch Fußball. Musst immer schön trainieren, dann wird das immer besser!«

      Sagte es und zog wie automatisch einen Stapel Autogrammkarten mit seinem Bild als HSV-Spieler aus der Jackentasche. Nachdem er sich nach meinem Namen erkundigt hatte, schwang er mit einem dicken Stift ein »Für Gerhard« auf die Karte und setzte seinen Namen darunter. Ich bedankte mich höflich, er fuhr mir noch kurz mit der Hand durch die wuscheligen Haare, und dann verabschiedeten wir uns auch schon glückselig über diese unvergessliche, wunderbare Begegnung. Natürlich erzählte ich meinem Vater davon als Erstes und hatte das Gefühl, dass er alles über diese besondere Begegnung wissen wollte und sehr interessiert war, was dieses einmalige Erlebnis noch mehr aufwertete.

      Heute weiß ich, dass ich damals keinen außergewöhnlichen Tag erwischt hatte. So ist Uwe eigentlich immer, wenn er unter Menschen ist. Er behandelt sie respektvoll, ist äußerst kommunikativ und – wie ich bisher feststellen durfte – immer freundlich und offen. Aber am wohlsten fühlt er sich auch heute noch unter seinen Sportkameraden. Ob in seiner »Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft«, die schon seit Jahrzehnten für den guten Zweck spielt, oder bei den sogenannten »Schneeforschern« – einer Gruppe von in erster Linie ehemaligen Spitzenfußballern wie Franz Beckenbauer, »Luggi« Müller oder Max Lorenz, die sich jedes Jahr mehrmals zu gemeinsamen Unternehmungen trifft –, »Uns Uwe« ist immer für einen netten Kameradschaftsabend zu haben. Von wegen »Elf Freunde müsst ihr sein« – bei Uwe sind es viel mehr. Das Überraschende daran: Es sind sehr viele echte Freunde!

      Comeback nach Blitzheilung

      Und das, obwohl der Mann auf dem Spielfeld durchaus nicht selten nur schwer verträglich war – übrigens nicht nur für die Gegner. Vor allem, wenn sich einer seiner Mitspieler hängen ließ oder nicht mit vollem Einsatz zur Sache ging, hat das den Ausnahmefußballer, der die Tugenden Treue und Kampfgeist in sich vereinigte wie kaum ein anderer, schon immer auf die Palme gebracht.

      Wie groß sein Kämpferherz war, nicht nur für den Verein, sondern auch für diesen Sport, das wurde anno 1965 deutlich. Seeler war gerade einige Monate zuvor zum zweiten Mal »Fußballer des Jahres« in Deutschland geworden, da verletzte er sich im Spiel bei Eintracht Frankfurt so schwer, dass seine Karriere zu Ende schien! Achillessehnenriss lautete die niederschmetternde Diagnose. In der damaligen Zeit normalerweise das sichere Ende aller leistungssportlichen Ambitionen. Aber Uwe ließ sich nach kurzer Prüfung schon kurz darauf operieren und rackerte, sobald es ging, für das Comeback. Es kam einer Blitzheilung gleich in der damaligen Zeit, denn nur sieben Monate später stand der mittlerweile 29-Jährige wieder auf dem Platz. Und es dauerte nicht lange, da war klar, dass der Führungsspieler, der nun schon seit Jahren nicht nur im Verein, sondern auch in der Nationalmannschaft die Kapitänsbinde trug, auch wenige Monate später im Juli 1966 bei der Weltmeisterschaft in England wieder dabei sein würde, um die Mannschaft bis in das legendäre Finale von Wembley zu führen.

      Tor mit dem Hinterkopf

      In der Bundesliga-Saison 1968/69 war er wieder ganz nah dran an der Torjägerkanone und landete schließlich mit 23 Treffern auf Platz zwei hinter Gerd Müller, der es auf 30 Tore brachte. Uwe Seeler hatte kurz zuvor gerade seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt, so dass nicht wenige in Fußball-Deutschland froh waren, dass nun Gerd Müller Jahr für Jahr die Torjäger-Bestmarke stellte und auch im Auswahlteam in die Fußstapfen Seelers getreten war. Beide zusammen stürmen zu lassen, hatte sich nicht als erfolgversprechend herauskristallisiert, weil Seeler und Müller sich auf der Mittelstürmerposition nicht ergänzten, sondern sogar gegenseitig störten – denn beide beanspruchten den Strafraum naturgemäß für sich. Trotzdem überredete der damalige Bundestrainer Helmut Schön den Hamburger, sich noch einmal in den Dienst der Nationalmannschaft zu stellen und mit zur Fußball-Weltmeisterschaft 1970 nach Mexiko zu fahren. Schön baute natürlich auf die Erfahrung von Uwe Seeler, der mittlerweile 33 Jahre alt war – in der damaligen Zeit ein geradezu biblisches Alter für einen Stürmer im Profifußball. Aber vor allem wusste er, dass dieser ehrgeizige und gleichzeitig sehr kameradschaftliche Star charakterlich ein Gewinn für jede Mannschaft sein würde. Und tatsächlich sagte Seeler nicht nur zu, sondern fügte sich auch ohne Murren in die neue Rolle, die ihm der Bundestrainer zugedacht hatte: als hängende Spitze!

      Von nun an funktionierte die Kombination Seeler-Müller deutlich besser. Das herausragende Beweisstück lieferten beide Akteure im WM-Viertelfinale gegen England, als jedem in einem dramatischen Spiel jeweils ein Treffer gelang. Der Titelverteidiger von der Insel hatte schon mit 2:0 geführt, ehe Franz Beckenbauer nach einem schönen Sololauf 22 Minuten vor dem Ende den Anschlusstreffer erzielte. Eine knappe Viertelstunde später kam in der Hitze von León dann der sensationelle Auftritt von Uwe Seeler, der am Fünfmetereck nahezu hoffnungslos mit dem Rücken zum Tor stand und eine Flanke auf sich und seinen Gegenspieler zufliegen sah. Seeler löste sich im letzten Moment und bugsierte den Ball im Rückwärtslaufen und Fallen mit dem Hinterkopf unhaltbar ins englische Tor. Wie gesagt: eine Sensation, denn das

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