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mit der Nationalmannschaft Weltmeister 1954. Gehört neben Horst Eckel und Ottmar Walter zu den drei noch lebenden 1954er-Weltmeistern. Der gelernte Frisör arbeitete während seiner aktiven Zeit in der Parfümerieabteilung eines großen Kaufhauses. Später Tankstellenpächter und leitender Vertreter der Geschenkartikelfirma, die dem »Boss« Franz Kremer gehörte.

      Karl-Heinz Thielen (Angriff, 25 Spiele, 16 Tore): Rechtsaußen der Meistermannschaft, 14 Jahre beim FC als Spieler, davon ein Jahrzehnt in der Bundesliga. 1962 und 1964 Deutscher Meister, 1968 DFB-Pokalsieger. Der studierte Betriebswirt war nach seiner aktiven Laufbahn bis 1986 Manager, Schatzmeister, Geschäftsführer, Vizepräsident beim FC. Größte Leistung: Hatte maßgeblichen Anteil an der »Rückholaktion« Hennes Weisweiler (1976). 1992 – 1993 noch einmal als Manager beim FC, heute Spielervermittler. Zwischendurch viele Jahre Bezirksleiter bei West-Lotto.

      Ein Hitzkopf auf dem Rasen

      Es kommt mir vor, als sei es kein Zufall, dass Wolfgang Overath in dem Jahr, in dem die Bundesliga ihr 50-jähriges Jubiläum feiert, auch einen runden Geburtstag begeht. Als Köln den ersten Titel holte, war der gebürtige Siegburger, der nicht nur wegen seines genialen Fußballspiels, sondern auch aufgrund seines sozialen Engagements das Bundesverdienstkreuz erhalten hat und zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt ernannt wurde, gerade 20 Jahre jung. Und schon ein Hitzkopf auf dem Fußballfeld, was sich selbst mit 70 nicht geändert hat. Wenn Overath spielte, dann war das kein Spiel mehr. Er sah das Geschehen auf dem Rasenviereck als »beruflichen Existenzkampf« an, wie er einmal sagte. Sein Nationalmannschaftskollege Willi Schulz schrieb damals in seiner Kolumne für die »Welt am Sonntag«: »Er gebrauchte die übelsten Schimpfworte im Spiel und beging die hässlichsten Fouls.«

      Insbesondere den ersten Teil der Aussage kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Einige Jahre habe ich in der »Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft« mitgespielt, die regelmäßig Benefizspiele bestritt und in der so großartige Fußballer wie Manfred Kaltz, Uwe Reinders, Ronny Worm, Bernd Gersdorff und – als er körperlich noch dazu in der Lage war – auch Uwe Seeler selbst lange nach ihrer aktiven Karriere noch dem runden Spielgerät hinterherjagten. Mit dabei fast immer auch Wolfgang Overath, dem man wirklich nicht ansah, dass seine Profikarriere längst vorbei war. Sein Kampfgewicht von etwa 73 Kilogramm behielt er auf wundersame Weise irgendwie immer bei, war drahtig, durchtrainiert – und ballverliebt und angriffslustig wie zu seinen besten Zeiten. Wir spielten vor vollem Haus – etwa vier- bis fünftausend Zuschauer in Westerland auf Sylt. Ein schönes Fußballfest, das sogar live im Fernsehen übertragen wurde.

      Da ich natürlich noch um einiges jünger war als die etwas in die Jahre gekommenen Fußballkünstler, war meine hauptsächliche Existenzberechtigung auf dem Platz zwischen all diesen Legenden das Laufen. Löcher stopfen nennt man das wohl. Dahin rennen, wo manch einer der altinternationalen Stars nicht mehr gehen wollte oder konnte. Keine dankbare Aufgabe für einen wie mich, der zwar nicht mit dem fußballerischen Niveau dieser Ausnahmesportler mithalten konnte, aber trotzdem auch großen Spaß am Umgang mit dem Ball hatte und selbstverständlich ein wenig »mitspielen« wollte. Also »erlaubte« ich mir sporadisch und zugegebenermaßen schon ein wenig ängstlich, den Ball wenigstens ab und zu mal etwas länger am Fuß zu führen. Aber jedes Mal, wenn ich das tat und nicht sofort schnörkellos den Ball weiterleitete, bekam ich einen nicht sehr freundlichen Anraunzer vom »Maestro« höchstpersönlich. Landete der Ball in der Folge dann bei Overath, dann war die Sache schnell vergessen. Ließ ich ihn aber gänzlich aus und schob die Kugel eingeschüchtert zu einem anderen Mitspieler, dann wurde es richtig laut.

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      Auf dem Spielfeld ein brodelnder Vulkan: Für Wolfgang Overath war Fußball niemals nur ein Spiel.

      Und natürlich kam das, was kommen musste: Der Hobbyfußballer vom Fernsehen verlor nach einer übermütigen Aktion den Ball an den Gegner. Unglücklicherweise geschah das auch noch weit entfernt von Overath, weshalb der sich offensichtlich genötigt sah, seine ausführlichen Beschimpfungen gegen mich lautstark quer über den ganzen Platz zu rufen, so dass es nun wirklich jeder mitbekam. Das machte mich völlig überraschend sehr sauer. Und ich schrie angemessen unangemessen zurück. Die Zuschauer hatten ihren Spaß an dieser Szene und ich fortan jeden Spaß verloren. Denn für mich war Fußball immer auch deshalb so wichtig, weil es ein Mannschafts-sport war und dieses gemeinschaftliche, zielgerichtete Agieren mich seit jeher motiviert hat. Doch das war zumindest in diesem emotional aufgeladenen Moment für mich nicht mehr gegeben, und so gab ich unserem »Trainerteam« am Rand – Uwe Seeler und Max Lorenz – das Zeichen zum Auswechseln. Die wussten sofort, worum es ging, versuchten mich kurz aufzumuntern, mussten aber schon sehr bald grinsen. Auch die meisten anderen Mitspieler hatten nämlich schon ein ähnliches Erlebnis mitgemacht, aber da Overath nicht der Einzige war, der sich regelmäßig zu derartigen kurzen Beschimpfungen hinreißen ließ, war das für die meisten Mitspieler ganz normal.

      Wenige Minuten später war Schluss, und alle – einschließlich Overath – gingen gut gelaunt zum Duschen. Nur ich grübelte noch ein wenig über die unschöne Begegnung. Aber nicht mehr lange, denn unter der Dusche sprach mich – noch bevor die ersten Witze erzählt und das erste Bier getrunken wurde – Wolfgang Overath an: »Bist’n bisschen sensibel?« (Schon wurde ich wieder sauer, denn leider hatte er Recht.) »Das darfst du doch nun wirklich nicht so ernst nehmen« – und reichte mir sein Shampoo. Ich nahm es lachend und gern an, denn jetzt war mir klar, dass Overath zwar ein ganz spezieller, eigener Charakter war, aber dabei eben doch auch ein echter Mannschaftssportler. Und prompt fühlte ich mich wieder wohl. Das ist die Mischung, die mich schon mein ganzes Leben fasziniert und motiviert hat in diesem Sport. Und ich hätte es mir denken können: Wäre dieser Mann auf gewisse Weise nicht so extrem gewesen, es hätte diese außergewöhnliche Karriere nie gegeben. Zumal Overath der typische »Zehner« gewesen ist, die zentrale Figur auf dem Platz, die das Spiel bestimmte – den Rhythmus, das Tempo und die Laufwege der Mannschaftskameraden. Übrigens: Trotz seines überschäumenden Temperaments wurde Wolfgang Overath in der Bundesliga nur einmal (1965 in München gegen TSV 1860) vom Platz gestellt.

      Seine Qualität lag nicht nur im Spielverständnis und seinem fantastischen Ballgefühl, Overath überzeugte überdies als Kämpfer. Vielleicht auch deshalb kam er auf 81 Länderspiele und damit auf doppelt so viele wie sein großer Konkurrent im Kampf um die »Nummer 10« im Nationalmannschaftstrikot, Günter Netzer. Zwei komplett unterschiedliche, aber jeweils herausragende Spielmacher, die beide auch international ihre eigenen Erfolge feierten. Netzer gehörte dem dominierenden Ensemble der Europameisterschaft 1972 an, Overath gewann zwei Jahre später mit Beckenbauer, Maier, Müller & Co. die Weltmeisterschaft, bei der Netzer nur ein einziges Mal eingesetzt wurde.

      Dem FC immer treu gebleiben

      Der Fußballkarriere hatte der Kölner sein ganzes Leben untergeordnet. Bereits als Jugendlicher fällte er die Entscheidung, die Schule noch vor dem Abitur zu verlassen und sich ganz und gar auf den Sport zu konzentrieren. Dies sei einer seiner »größten Fehler« gewesen, hat das letzte von acht Kindern einmal festgestellt. In einem Kölner Kaufhaus absolvierte er aber immerhin eine kaufmännische Lehre und übernahm noch als aktiver Spieler die Generalagentur einer Versicherung, später dazu die Gebiets-Generalvertretung des Sportartikel-Herstellers Adidas. Wolfgang Overath ist seit 1962 verheiratet und hat mit seiner Frau Karin zwei Söhne. Als die beiden bereits erwachsen waren, adoptierten die Overaths Anfang 1992 ein damals fünf Wochen altes Mädchen aus Brasilien.

      Natürlich erhielt Wolfgang Overath während seiner aktiven Karriere mehrere Angebote anderer und auch ausländischer Vereine. Er aber blieb immer dem 1. FC Köln treu. Umso erstaunlicher angesichts seiner Verdienste für den Klub, dass ihm ein würdiger Abschied aus der Kölner Mannschaft verwehrt blieb. Als Hennes Weisweiler 1976 den FC als Trainer übernahm, meinte er, dass der 33-jährige Publikumsliebling seinen Anforderungen nicht mehr gerecht würde und dem Erfolg der Mannschaft eher im Weg stünde. Weisweiler setzte auf Heinz Flohe als Spielmacher und demontierte gleichzeitig das große Kölner Idol Overath. Die Antipathie eskalierte, als Weisweiler ihn im DFB-Pokalfinale 1977 gegen Hertha BSC noch vor der Verlängerung auswechselte. Danach kehrte

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