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Der Rekordmeister war nämlich tatsächlich bei der Premiere nicht dabei. Die Bayern hatten die Saison 1962/63 in der Oberliga Süd als Dritter beendet, hinter dem Stadtrivalen 1860 München, aber noch vor den Gründungsmitgliedern der Bundesliga aus Karlsruhe, Stuttgart und Frankfurt. Da die »Löwen« somit qualifiziert waren, sprach sich der DFB dagegen aus, die Bayern zur Bundesliga zuzulassen. »Das Gremium war der Auffassung, dass es nicht ratsam erscheint, zwei Vereinen am gleichen Ort eine Lizenz für die Bundesliga zu erteilen«, hieß es in der offiziellen Begründung.

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      Das »Weiße Ballett«

      Der 1. FC Köln wird erster Deutscher Meister in der Bundesliga

      An dieser Stelle muss ich ausnahmsweise ein Tabu brechen und eine kleine Geschichte erzählen, die ich eigentlich für mich behalten sollte. Aber sie gehört einfach hierher. Es ist schon ein paar Jahre her, als ich im WDR-Fernsehen eine Sendung machte, die sich regelmäßig neben ganz aktuellen Themen auch mit medizinischen Entwicklungen oder Problemfällen beschäftigte. Und manchmal bei gegebenem Anlass auch mit Fußball. In einem Fall ging es um die Pläne des 1. FC Köln, den »verlorenen Sohn« Lukas Podolski von Bayern München wieder zurück an den Rhein in seine Heimat zu holen. Ein schier auswegloses Unterfangen zu dem Zeitpunkt, so schien es. Denn der FC hatte im Sommer 2009 finanziell eigentlich keinen Spielraum für einen Transfer dieser Dimension. Immerhin hatten die Kölner »Prinz Poldi« erst drei Jahre zuvor für rund zehn Millionen Euro Ablösesumme nach München transferiert.

      Nun saß aber der Präsident des 1. FC Köln bei mir im Studio und sinnierte darüber, ob und wie das wohl doch möglich sein könne. Wolfgang Overath zusammen mit Günter Netzer, die beide einen Heidenspaß hatten, sich gegenseitig hochzunehmen – und immer gern auch wieder mich. Kurzum, es war ein gelungener, sehr unterhaltsamer Programmpunkt mit viel Humor, aber auch fundierten Diskussionen über Fußball. Lachend und mit großem Applaus bedacht, verließen beide schließlich das Studio, während ich zum nächsten und dann übernächsten Programmpunkt kam. Bei Letzterem ging es um einen jungen Mann, der schwer, wenn nicht unheilbar krank war und dringend ein spezielles Öl brauchte, um wenigstens einigermaßen erträglich weiterleben zu können. Aber der heilende Stoff war so teuer und medizinisch auch noch nicht durch alle Instanzen anerkannt, dass die Krankenkasse sich nicht in der Lage sah, die Kosten von mehreren tausend Euro pro Jahr zu erstatten.

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      Die beiden prominenten Sportgäste bekamen von dieser Geschichte gar nichts mehr mit, sie befanden sich längst auf dem Heimweg. Aber die Frau von Wolfgang Overath schaute daheim am Fernsehschirm weiter zu und muss ihrem Wolfgang, als der später wieder nach Hause zurückgekehrt war, von dem schweren Schicksal des jungen Mannes erzählt haben. Die Sendung war gerade vorbei, schon erhielt ich einen Anruf von Overath.

      »Hör mal zu. Der Junge da in deiner Sendung, der dieses Medikament braucht. Ich habe mir das grad noch einmal angesehen. Sage ihm doch bitte, dass für die nächsten ein, zwei Jahre – bis das als Arzneimittel anerkannt ist – das Öl bezahlt wird. Ich mache das. Aber bitte hänge das nicht an die große Glocke. Behalte es für dich!«

      Ich habe bisher immer alles für mich behalten, erst recht, wenn ich so ehrlich darum gebeten wurde. Aber in diesem Fall darf ich sicherlich einmal eine Ausnahme machen. Denn diese Episode sagt viel über den Charakter von Wolfgang Overath aus. Und über den so manchen Führungsspielers aus der Zeit der sechziger und siebziger Jahre – denn ich bekam noch einen weiteren Anruf mit dem gleichen Inhalt an diesem Abend, von einem ehemaligen Fußballer, der früher bei St. Pauli und in Berlin aktiv gewesen ist! Fast jeder von ihnen hatte den Ehrgeiz, Karriere zu machen, aber die meisten waren sich auch bewusst, dass dies untrennbar mit dem Übernehmen von Verantwortung verbunden ist. Verantwortung für die Mannschaft, für den gemeinsamen Erfolg und für den Sportkameraden. Und bei den wirklich Großen ist das nicht in den Fußballkleidern hängen geblieben, sondern gilt auch nach der Karriere und über den Sport hinaus – wie in diesem Fall bei Wolfgang Overath, genauso wie bei Günter Netzer, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und einigen anderen.

      Mich hat diese Begebenheit sehr froh gemacht und mir selber wieder einmal ins Bewusstsein gerufen, warum ich mein ganzes Leben immer auch mit Sport und vor allem Fußball zu tun habe und auch haben will!

      Ein Weltmeister und ein Visionär

      Dabei sind diese Charaktere nicht immer nur einfach. Insbesondere die Mitspieler von Wolfgang Overath werden das bestätigen können. Der hatte schon immer seinen ganz eigenen Kopf und konnte auf dem Fußballfeld während des Spiels schon mal sehr unangenehm werden, und zwar gegen die eigenen Mitspieler. Vor allem, wenn es nicht lief bzw. der Ball nicht wie magnetisch zu ihm kam und bei fast jedem Angriff auch am genialen Fuß des Spielmachers landete. Overath war über viele Jahre der Taktgeber des Kölner Spiels. Weil er so außergewöhnlich Fußball spielen konnte – aber auch weil er es so wollte. Und er war eine der treibenden Kräfte bei der ersten Deutschen Meisterschaft in der Bundesliga 1964. Allerdings zu dem Zeitpunkt noch alles andere als der Hauptdarsteller, denn die Mannschaft von damals war gespickt mit herausragenden Namen und Spielerpersönlichkeiten. Zum Beispiel Heinz Hornig, der mir schon deshalb im Gedächtnis geblieben ist, weil er ein Linksfuß war – wie ich auch (fußballerisch leider die einzige Gemeinsamkeit). Oder Wolfgang Weber, ein kompromisslos harter Verteidiger ohne Allüren, der im Europapokal gegen Liverpool sogar mal mit gebrochenem Wadenbein gespielt haben soll (ich kann es immer noch nicht glauben). Nachhaltig hat er sich in meine Erinnerung eingebrannt, weil er als Verteidiger 1966 im WM-Finale im Londoner Wembley-Stadion mit seinem »Spagattor« zum 2:2 doch noch die herbeigefieberte Verlängerung möglich gemacht hatte.

      Und dann war da vor allem Hans Schäfer, den ich erst Jahre später richtig in Aktion sehen sollte, nämlich immer dann, wenn die Bilder der Weltmeisterschaft von 1954 gezeigt wurden. Er gehörte dieser legendären Mannschaft an, die mit dem Titelgewinn im Berner Wankdorfstadion nicht nur dem deutschen Fußball, sondern der gesamten Nation neues Ansehen und auch Selbstvertrauen verschafft hatte. In seinem Leben außerhalb des Fußballs half der junge Schäfer regelmäßig im Frisörgeschäft des Vaters aus, ehe er dann Praktikant in der Parfümerieabteilung im Kölner Kaufhof wurde. So ambivalent und geerdet gestaltete sich damals das Leben eines Fußballers mit Profiambitionen. Später war Schäfer Inhaber einer Großtankstelle und bis Ende der sechziger Jahre auch noch Co-Trainer beim FC. Manchmal war er nebenbei das alles, manchmal nebenbei ein Weltstar auf dem Fußballfeld. Und über viele Jahre der »Spiritus Rector« einer Kölner Mannschaft, die 1962 die Deutsche Meisterschaft im Finale vor über 82.000 Zuschauern mit 4:0 gegen den 1. FC Nürnberg gewann und zwei Jahre später dann den ersten Bundesligatitel.

      Nach seiner fußballerischen Karriere widmete sich Schäfer hauptsächlich seiner Arbeit als alleiniger Repräsentant einer Agentur für Promotionund Werbeservice. Das kam nicht von ungefähr und hatte einen besonderen fußballerischen Hintergrund: Diese Firma war nämlich von dem Mann gegründet worden, der nicht nur Hans Schäfer schon früh förderte, sondern der den 1. FC Köln »gemacht« hatte – Franz Kremer. Der stand ja – wie bereits weiter vorn beschrieben – entscheidend Pate bei der Durchsetzung der Bundesliga, aber vor allem hatte er schon früh die Vision von einem bedeutenden Kölner Fußballverein. Ziemlich bald nach dem Krieg, im Jahr 1948, sorgte der Sohn des Lokomotivführers Franz Kremer sen. dafür, dass aus dem Kölner Ball-Spiel-Club und der Spielvereinigung Sülz ein neuer Verein wurde – der 1. FC Köln. Eine Fusion mit einer klaren Idee, die auch etwas mit »Lokomotive« zu tun hatte. Der Werbefachmann Kremer münzte das in den Slogan: »Wollen Sie mit mir Deutscher Meister werden?« Motto: Man muss groß denken, wenn man etwas erreichen will.

      Nur, dass Kremer seine Visionen erstaunlich schnell realisierte. In den Folgejahren wurde der FC zum Vorzeigeverein in Deutschland mit einer professionellen Organisation und beispielhafter Infrastruktur bei den Vereinsanlagen. Schon 1949 stieg der fast noch taufrische 1. FC Köln in die Oberliga West auf (damals die höchste Spielklasse) – als Spielertrainer fungierte ab 1949/50 der kölsche Jong Hennes Weisweiler

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