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Verein sogar vor ein Zivilgericht. Ohne Erfolg. Und so brauchte die Alemannia tatsächlich drei Anläufe als Meister oder Vizemeister der Regionalliga West, um sich erstmals 1967 auf dann aber eindeutig sportlichem Wege einen Platz in der Fußball-Bundesliga zu sichern!

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      Keine Frage: Wer damals von Anfang an dabei war, hatte einen Vorsprung, vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung. Denn die ersten Tabellen 1963 wurden zwar nicht auswendig gelernt, aber jeder, der wie ich einigermaßen interessiert war, schaute darauf, so dass die Namen der Gründungsmitglieder noch heute den meisten Fußballfans vertraut sind. Und sogar heute ertappe ich mich dabei, wie ich aufhorche, wenn Namen wie Neunkirchen oder Pirmasens – wie vor wenigen Jahren im DFB-Pokal – fallen. Umso erstaunlicher, dass mit dem Hamburger SV nur ein einziger Verein diesen Anschubvorteil nicht verloren hat und mittlerweile durchgehend seit 50 Jahren der höchsten deutschen Spielklasse angehört.

      So war nicht nur der Entstehungsprozess dieser nun schon fünf Jahrzehnte andauernden Erfolgsgeschichte ein sehr langwieriger und umstrittener, sondern genauso der Beginn der Umsetzung in manchen Details äußerst holprig. Und auch in der Folgezeit provozierte die Geschäftsidee Bundesliga Widerspruch, wie ein Artikel aus der »Welt« vom 23. September 1963 verdeutlicht. Er macht aber auch klar, dass die Kritiker – und darunter vor allem diejenigen, die den Sport wirklich verinnerlicht und meist auch selbst ausgeübt haben und ihn bis heute lieben und »schützen« wollen – schon damals sehr konkret die Gefahren bzw. die nahezu logischen Entwicklungen vorausgesehen haben. Der bekannte Journalist Gerhard Mauz titelte seinen Kommentar mit »Der Alptraum vom Wochenende – Am Stiefel klebt Geld« und schrieb darin:

       »Um Geld, Geld, Geld geht es in der Bundesliga, und das Geld ist kein Fußballfan, es hatte keine Lust, zum erstenmal in der Geschichte – ausgerechnet der Balltreterei zuliebe – die Sitten zu verbessern. Würstchen, Abwehrparaden, Getränke, Fallrückziehertore, Fleischspießchen, Steilangriffe, Programme, Verteidigerrobinsonaden – das alles wird in frohem Durcheinander offeriert. Nicht genug: die Lautsprecher – nicht auf allen, aber schon auf zu vielen Plätzen – sind von der Werbung gestürmt worden. Da sitzt man wie in Opas Kino und hört (reim dich, Sprache, verflixte): ›Der Ball, der muß ins Tor hinein, ins Auto gehört…‹

       Und die Fernsehkamera muß sich im Sturzflug in den Rasen bohren, wenn sie dem Vorkämpfer wider die Schleichwerbung entrinnen will, denn jedes freie Fleckchen ist für Anschläge verkauft. Autos, Lebensversicherungen, Düngemittel, Zahncreme, Schmerztabletten, Benzin – alles nutzt die Chance. Es geht um Geld in der Arena.

       Die Akteure auf dem Rasen, wer wird es ihnen verübeln, die Kasse muß stimmen, die Herren werden zu Hause Ärger bekommen, wenn sie keine Prämien anschaffen und ihren Marktwert nicht steigern, die Akteure nehmen ihren Beruf wahr, wie es sich für jedermann schickt. Nur: wenn man im Büro versucht, einen Kollegen ›aussteigen‹ zu lassen, dann spielt sich das wenigstens unblutig ab. Unter Kickern knirschen die Knochen, reißen die Muskeln und jammern die Sehnen. Da schlägt die Konkurrenz Purzelbaum. Und der Sport weint vor sich hin.«

      Ein überfälliger Schritt

      Trotz aller berechtigten Warnungen vor den Folgen einer Kommerzialisierung, die in weiten Teilen auch heute noch Beachtung verdienen, war die grundsätzliche Idee nicht nur aus ökonomischen Erwägungen zweifellos richtig. Denn nun drohten die Spieler nicht mehr so schnell in die Illegalität gedrängt zu werden. Bisher durften sie als DFB-Vertragsspieler maximal 400 Mark pro Monat verdienen – was aufgrund des großen Interesses und der wachsenden Zuschauerzahlen bei den Spitzenkräften schon längst kein funktionierender Marktpreis mehr war. Nun durften Lizenzspieler und Halbprofis immerhin offiziell bis zu 1.000 Mark kassieren, und bei Nationalspielern wurden zudem noch weitere Ausnahmen gemacht, um eine fortschreitende Abwanderung der besten Spieler in das Ausland zu verhindern.

      Auch fußballerisch trug die Bundesliga schnell Früchte, was man an der Entwicklung in den europäischen Wettbewerben leicht nachvollziehen kann. Da wurden in den fünfziger Jahren ausschließlich ausländische Klubs in die Siegerpokale eingraviert. Bei den Landesmeistern allein von 1956 bis 1960 fünfmal in Folge Real Madrid, dann zweimal Benfica Lissabon, AC Milan, Inter Mailand. Lediglich Eintracht Frankfurt hatte es 1960 wenigstens einmal ins Endspiel geschafft. Aber bereits 1966 gab es den ersten Titel für die Bundesliga mit dem legendären Erfolg von Borussia Dortmund im Europapokal der Pokalsieger. Ein Jahr später schaffte das auch schon der FC Bayern München, ehe die Münchner in den siebziger Jahren dreimal den Landesmeister-Wettbewerb gewannen und Borussia Mönchengladbach 1975 und 1979 den UEFA-Cup gewinnen konnte. Im Jahr darauf hieß der Sieger Eintracht Frankfurt!

      Insofern war die Einführung der Fußball-Bundesliga 1963 ein in vielerlei Hinsicht längst überfälliger Schritt, der diesem Sport zu wachsender Popularität verhalf.

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      Für drei Mark auf den Stehplatz

      Der erste Spieltag der Premierensaison

      Juni 1963 – der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, ist zu Gast in der Bundesrepublik und hält seine berühmte Rede in Westberlin, die in dem noch berühmteren Satz gipfelt: »Ich bin ein Berliner!« Ein bedeutendes Ereignis für die ganze Republik und vor allem für die Berliner, die abgeschnitten durch die Zonengrenze und die Mauer dauerhaft auf Unterstützung – vor allem auch moralischer Natur – angewiesen waren. Auch deshalb waren überragende 300.000 Menschen zum Ort des Geschehens gekommen, um dem US-Präsidenten zuzuhören.

      Und ungefähr genauso viele Zuschauer pilgerten rund zwei Monate später zum Auftakt der Fußball-Bundesliga in die acht Stadien. Noch war Konrad Adenauer Kanzler der Bundesrepublik – er sollte im Oktober des Jahres Platz machen für Ludwig Erhard. Erhard galt bekanntlich als Vater des deutschen Wirtschaftswunders. Aber selbst der große Visionär hätte sicherlich nicht daran geglaubt, welch wichtiger Wirtschaftsfaktor die Fußball-Bundesliga in Deutschland einmal darstellen würde.

      Alles begann am Samstag, dem 24. August 1963. Ein strahlend schöner Tag! Auch bei uns im hohen Norden schien die Sonne. Also ging es frühmorgens raus auf die Straße zum Kicken. Wobei es uns auch nicht gestört hätte, wenn es aus Kübeln geschüttet hätte. Wir haben jeden Tag auf der Straße gespielt, bei Wind und Wetter. Alle Kinder, die so gerade laufen konnten, waren dabei, Jungs wie Mädchen. Davon, dass an diesem Samstagnachmittag der Anpfiff zur Bundesliga erfolgen sollte, hatte ich, damals viereinhalb Jahre alt, zwar schon mal etwas gehört, aber welche Bedeutung dieser Tag für Fußball-Deutschland haben sollte, das war in meiner kleinen Erlebniswelt noch nicht angekommen.

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      Grafikprogramme gab’s noch nicht: Diese zusammengeklebte Karte präsentierten die Zeitungen ihren Lesern als Übersicht zu den Spielstätten der ersten Bundesligasaison.

      Es gab Anfang der sechziger Jahre gerade einmal acht Millionen Fernseher in Deutschland. Wir gehörten zu den Glücklichen, die bald ein TVGerät zu Hause hatten. Bei wichtigen Fernsehereignissen wurde es voll bei uns, denn dann kamen die Nachbarn zu Besuch, die noch keinen Fernseher in der Wohnstube stehen hatten. So wie vier Jahre später, als nach dem Tod Konrad Adenauers die Trauerfeier live im Fernsehen übertragen wurde.

      Am Tag des Bundesliga-Starts mussten wir zur Sportschau-Zeit am frühen Abend keine zusätzlichen Stühle aufstellen, denn die Spiele wurden schlichtweg nicht übertragen. Das ging schon allein deshalb nicht, weil die Partien in der ersten Bundesliga-Saison um 17:00 Uhr begannen und die Sportschau um 17:45 Uhr auf Sendung ging. Erst am Sonntag gab es in der ARD ein paar bewegte Bilder zu sehen, allerdings ohne Kommentar und ohne Ton. Ernst Huberty hat einmal eingestanden: »Auf die Bundesliga waren wir nicht vorbereitet.« Erst ab 1965 wurden auch in der Sportschau am Samstag zumindest drei Spiele gezeigt.

      Am späten Abend des ersten Bundesliga-Spieltags,

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