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und Abermillionen Euro auslösen. Das weckt neue Begehrlichkeiten und macht die Entwicklung so gefährlich, wie der letzte Wettskandal gezeigt hat. Gerade dadurch wird deutlich, wie wichtig es ist, ein halbwegs vernünftiges Maß einzuhalten und dafür zu sorgen, dass beim Fußballspiel andere Dinge wichtiger bleiben, als nur die materiellen Möglichkeiten zu maximieren: Leidenschaft, Bewegung und Begegnung mit anderen Menschen, Identifikation und ein fairer Umgang miteinander. Auch deshalb sind Sportvereine nicht so einfach mit Wirtschaftsunternehmen gleichzusetzen.

      Auch das sind Themenbereiche, die in diesem Buch eine Rolle spielen sollen. Aber in erster Linie geht es um das Erfolgsmodell Fußball-Bundesliga. Denn ein solches ist diese Institution in jedem Fall. Und darum können wir das 50. Jahr des Bestehens mit gutem Grund feiern. Ohne die Bundesliga gäbe es von vielem reichlich weniger: weniger Weltstars, weniger Begeisterung, weniger Arbeitsplätze im Sport, weniger Unterhaltung, weniger Wochenendgestaltung und weniger Gemeinsamkeit. Um dahin zu kommen, war ein steter Prozess nötig, der im besten Fall nie abgeschlossen sein wird. So wird heute nicht mehr in maroden Stadien gespielt, sondern in modernen Event-Arenen. Das lenkt zwar auch ein wenig von dem eigentlichen Spiel ab, sorgt aber zusätzlich für Begeisterung für diesen Sport bei Menschen, die sich früher wohl kaum ein Spiel angeschaut hätten. Und es zieht mehr und mehr ausländische Spitzenkräfte an. Ein die Liga bereichernder Superstar wie der Spanier Raúl hat es während seiner Zeit bei Schalke so auf den Punkt gebracht: »Ich genieße es, in der Bundesliga zu spielen. Egal, wo man hinkommt, sind die Stadien voll, und es herrscht eine tolle Atmosphäre!« Denn hierzulande strömen so viele Fans zu den Spielen wie in keiner anderen Liga Europas – und es werden immer mehr!

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      Das liegt natürlich an der hervorragenden Infrastruktur, an der verhältnismäßig hohen Sicherheit in den Stadien, am zumeist soliden Wirtschaften der Profivereine, die im Vergleich zu den Klubs in England, Spanien oder Italien deutlich weniger verschuldet sind. Und seit die Nachwuchsarbeit verbessert wurde, kommt eine deutlich attraktivere Spielweise der meisten Mannschaften hinzu, auch die unserer Nationalelf.

      Nicht zu vergessen eine sportliche Grundvoraussetzung: die relative Ausgeglichenheit. In der Bundesliga kann es realistischerweise geschehen, dass der Tabellenletzte den Spitzenreiter schlägt. Das ist anderswo keine Selbstverständlichkeit bzw. nahezu unmöglich. So gab es in Italien in diesem Jahrtausend diesen Fall noch nicht ein einziges Mal, während in der Bundesliga die Wahrscheinlichkeit, dass der Letzte gegen den Ersten wenigstens nicht verliert, bei über 26 Prozent liegt. Und der ehemalige Bayern-Trainer van Gaal stellte einmal heraus: »Die Bundesliga ist die schwierigste Liga, weil da die Mannschaften aus dem Mittelfeld stärker sind als in den anderen drei Topligen Europas.« Hierzulande holt der Meister pro Begegnung im Durchschnitt 2,12 Punkte, in Spanien sind es 2,33 Zähler, in England 2,27 und in Italien 2,26.

      Dies alles sind Gründe, warum die Bundesliga in der Saison 2011/12 den siebten Umsatzrekord in Folge erzielte, mit mittlerweile etwa zwei Milliarden Euro! Die deutsche Eliteklasse ist mitten in der Gesellschaft unseres Landes verankert. Sie hat einen immens hohen Bekanntheitsgrad und genießt über den Sport hinaus eine große Aufmerksamkeit – auch dank der professionellen und konstanten Berichterstattung in den Medien. Das gilt seit geraumer Zeit für Pay-TV und Online-Angebote, aber schon über Jahrzehnte hinweg für den Printbereich, der dem Fußball mit der Einführung der Bundesliga noch einmal mehr Platz zukommen ließ. Und es gilt natürlich für die allwöchentlichen Live-Reportagen im Hörfunk und insbesondere die regelmäßigen Fernsehformate – allen voran die ARD-Sportschau, die mittlerweile auch schon seit mehr als 50 Jahren auf Sendung ist.

      Über 25 Jahre habe ich unter anderem als Journalist in der Sportschau über die Bundesliga berichtet und schon deshalb so ziemlich jeden Entwicklungsschritt miterlebt. Meine ersten Hörfunkreportagen im Fußball datieren vom Anfang der achtziger Jahre, meine erste TV-Fußballreportage führte mich wenige Jahre später ins Badische, als ich die Partie SC Freiburg gegen den Karlsruher SC kommentierte und ein gewisser Joachim Löw in der Offensive der Gastgeber die Fäden zog.

      Das ist ein Effekt dieses Buches für mich selbst: Mir sind bei den Recherchen und Überlegungen dazu wieder viele Geschichten und Begebenheiten auch meines beruflichen Werdeganges eingefallen und damit vor allem noch einmal die Motivation, die mich all die Jahre angetrieben hat: die Begeisterung für den Sport und die Menschen, die damit zu tun haben. Auch deswegen habe ich sehr bewusst, liebe Leserinnen und Leser, einige persönliche Begegnungen mit interessanten Charakteren beschrieben. Völlig überraschend gehört auch Günter Netzer dazu – genauso wie Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Stefan Kuntz oder Ernst Happel. Denn es sind diese Typen, die das Spiel so besonders machen. Ich hoffe, für Sie dieses Buch auch.

       Gerhard Delling, Juni 2012

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      Kurs auf die Bundesliga

      Eine Idee vor dem Hintergrund der Zeit

      Der Sommer 1962 war entscheidend für meine Fußballbegeisterung. Denn es war die Zeit, in der für mich der Fußball so langsam seinen Schrecken verlor. Bis dahin machte der Ball, wenn er denn mal auf mich zurollte, mit mir, was er wollte. Und meistens wollte er, dass ich umfalle, wenn er gegen mich traf. Ich war damals stattliche drei Jahre alt und hatte es längst aufgegeben, den anderen beim Spielen einfach nur zuzuschauen. Ich wollte dabei sein. Mitten auf der frisch asphaltierten Straße wurden aus irgendwelchen entbehrlichen Kleidungsstücken schnell zwei Torbegrenzungen kreiert, und schon spielte die eine Hälfte der Straße gegen die andere. Jung und Klein gegen Jung und mit mir ganz Klein. Jeden Tag!

      Große Fußballer waren mir damals namentlich noch nicht so geläufig. Aber ich erinnere mich als Erstes an die Namen »Seeler« und »Haller«, die einer der Kumpels lauthals rief, während er gerade im Begriff war, ein Tor zu schießen. Überhaupt war man in der Zeit nicht nur hochmotivierter Fußballspieler, sondern immer auch gleichzeitig stimmgewaltiger Sportreporter, denn wie bei den begeisternden Reportagen aus dem Radio kommentierte jeder mit großem Vergnügen die eigenen erfolgreichen Aktionen deutlich vernehmbar, um die Gegner gleich noch ein wenig mehr zu provozieren. Ich hatte damals allerdings nicht viel zu kommentieren, da der Ball noch lange nicht mein Freund war. Aber das tat meinem Ehrgeiz keinen Abbruch. Und so versuchte ich es Tag für Tag wieder, wie so viele andere in allen möglichen Straßen oder auf allen nur denkbaren Plätzen überall in der Stadt.

      Sport im Allgemeinen, vor allem Fußball, Handball und Leichtathletik, hatten damals einen hohen Stellenwert. Und nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 genoss der Fußball selbst bei nicht sonderlich sportinteressierten Menschen ein besonders hohes Ansehen. Man kannte die besten Spieler der regionalen Vereine und manchmal noch den einen oder anderen Nationalspieler, der irgendwo in der Nähe von Schleswig-Holstein aktiv war – oder eben Uwe Seeler im etwa 100 Kilometer, damals gefühlt noch sehr weit entfernten Hamburg.

      Im Sommer 1962 hatte die DFB-Auswahl bei der Weltmeisterschaft in Chile nicht einmal das Halbfinale erreicht. Für uns »Dreikäsehochs« war das kein Problem, für die Entwicklung des deutschen Fußballs schon. Kein Geringerer als Bundestrainer Sepp Herberger meldete sich danach offensiv in der Öffentlichkeit zu Wort und bemängelte die fehlende Qualität hinsichtlich des Nachwuchses für die Nationalmannschaft. Er war einer der prominenten Fürsprecher für die Idee einer einheitlichen Liga auf Bundesebene. In Spanien, Italien und vor allem England, wo die erste Profiliga bereits 1885 eingeführt worden war, hatte man diese leistungsorientierte nationale Liga längst etabliert. Sogar in der damaligen DDR gab es bereits seit 1949 eine einheitliche Liga. Nur im Westen Deutschlands blieb man schön unter sich in der jeweiligen Region. Ein Anachronismus – mit spürbaren Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit. Aber vor allem passte diese fußballerische »Kleinstaaterei« nicht in die Entwicklungsphase einer immer weiter aufstrebenden Republik, in der es so viele Knackpunkte gab, dass eigentlich tagtäglich das Konservative, Althergebrachte massiv hinterfragt und oft überrannt wurde.

      Eine Republik im Umbruch

      1962

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