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50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte. Gerhard Delling
Читать онлайн.Название 50 Jahre Bundesliga – Wie ich sie erlebte
Год выпуска 0
isbn 9783895338885
Автор произведения Gerhard Delling
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Auch nach seiner aktiven Laufbahn hat sich Wolfgang Overath trotzdem immer wieder um »seinen« FC gekümmert. So war er von 1991 bis 1998 Verwaltungsratsmitglied und zwischen 2004 und 2011 Präsident des 1. FC Köln. Bei allen Problemen und Härten, denen er sich als Präsident stellen musste – er ist ein Mensch geblieben, der sozial denkt und geerdet handelt.
04
Der erste Torschützenkönig
»Uns Uwe«, die Fußball-Legende
Ich sehe die Szenerie so klar vor mir, als wäre es gestern gewesen. Denn es war gestern! Oder gestern vor zwei Wochen oder gestern vor einem Jahr. Viele – zumeist gutsituierte – Männer und Frauen sitzen beim fröhlichen Plausch oder auch ernsten Gedankenaustausch an hübsch gedeckten Tischen. Hier und da durch die belebende Wirkung eines wohligen Getränkes so tief in ihre Gespräche eingetaucht, dass man sich kaum traut, sie in diesem angeregten Miteinander zu stören. Und von irgendeinem dieser Tische erhebt sich nach einer Runde Golf manchmal durchaus mit Schmerzen, die er sich nicht anmerken lässt, ein schier durchweg gut gelaunt scheinender Mann mit einem fröhlich runden Gesicht und unterbricht damit die wortreiche Gesellschaft. Augenblicklich kehrt Ruhe ein, und schon lauschen alle konzentriert seinen Ausführungen, die für einen Großteil der Anwesenden nicht neu sind. Aber sie sind dem Mann wichtig. Und deshalb hört es sich immer wieder so an, als würde er diese Sätze zum ersten Mal sagen: »Wer dem Sport so viel zu verdanken hat und auf der Sonnenseite des Lebens steht, der sollte jenen etwas abgeben, die niemals die Möglichkeit hatten, ein solches Glück zu empfinden, und auf der Schattenseite des Lebens stehen!«
Der Absender dieser Worte hat nicht nur einfach viel Glück gehabt in seinem Leben – er hat es vor allem genau so empfunden. Das hat mit seinem Charakter zu tun und damit, dass er immer ein Mannschaftssportler war und geblieben ist, einer der herausragendsten weltweit! Uwe Seeler – auch heute noch ein Unikat. Es gibt kaum jemanden, der so große Erfolge aufzuweisen hat und trotzdem so normal, manchmal gar hemdsärmelig und lebensfroh geblieben ist. Er ist und bleibt einer von uns – »Uns Uwe«, wie sie ihn mit respektvoll plattdeutscher Nähe nicht nur im hohen Norden nennen.
»Wer dem Sport so viel zu verdanken hat«, das steht auch in der Präambel seiner Stiftung, die nicht nur seinen Namen trägt, sondern die er selbst 1996 ins Leben gerufen hat und auch heute noch mit Leben erfüllt. Deshalb steht er da zwischen all diesen Menschen, die sich gerade gut unterhalten und von denen sich nicht wenige dem ehemaligen Fußballstar freundschaftlich verbunden fühlen. Er macht Werbung für den guten Zweck und freut sich über jeden Euro Unterstützung. Unzählige Male pro Jahr ist er höchstpersönlich anwesend, selbst in der Zeit nach einem schweren Autounfall im Jahr 2010, in der er nicht mehr Golf spielen konnte. Uwe sammelt für all diejenigen, die es nötig, aber kaum eine Chance haben, und er lässt das Geld – nach eindringlicher Prüfung durch seine ihn begeistert unterstützende Tochter – den Bedürftigen zukommen. Jahr für Jahr befasst sich die Stiftung mit unzähligen Schicksalen und hilft in jeweils mehreren hundert Fällen mit kleinen und manchmal, wenn nötig, auch etwas stattlicheren Beträgen. Ein großer Aufwand, der den Superstar der sechziger Jahre nicht abschreckt, sondern eher glücklich macht.
Mit 17 für Deutschland
Denn viel Arbeit gehörte für ihn immer dazu – auch auf dem Fußballfeld. »Es gibt zweifellos spielerisch weitaus bessere Spieler, aber keiner besitzt das Talent wie Uwe Seeler, auf engstem Raum gegen die stärkste Bewachung so viel Wirkung zu erzielen.« Das hat einmal der legendäre Sepp Herberger über das Arbeiterkind Uwe Seeler gesagt, der neben dem Beginn seiner Fußballer-Karriere Anfang der fünfziger Jahre eine Lehre zum Speditionskaufmann absolviert hatte. Schon deswegen, aber auch wegen seiner sozialen Integrität berief ihn der Bundestrainer bereits im Alter von 17 Jahren in die deutsche Fußballnationalmannschaft. Es war der 16. Oktober 1954, als der »Hamburger Jung« beim 1:3 gegen Frankreich sein Debüt gab. Ein Debüt in einer Mannschaft von Helden, die wenige Monate zuvor noch viel umjubelt Weltmeister geworden waren.
Es dauerte nicht lange, da hatte sich Uwe Seeler in diesem illustren Kreis festgespielt und gehörte zum Stammpersonal. Bereits bei der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden hatte er sich neben Hans Schäfer und dem weltberühmten Helmut Rahn im Sturm etabliert und feierte nun auch international endgültig seinen Durchbruch zum Topstar, obwohl bereits im Halbfinale das Aus für die DFB-Auswahl gegen Schweden kam. National hatten ihn ohnehin schon alle Experten und Gegenspieler für eine unaufhaltsame Tormaschine gehalten. Zwischen 1953, als er als 16-Jähriger sein Punktspieldebüt bei den Senioren gab, und 1963 schoss er in der damaligen Oberliga Nord unglaubliche 267 Tore – wohlgemerkt in 237 Spielen! Ein Rekord für die Ewigkeit!
Kein Wunder, dass schon sehr bald lukrative Angebote bei den Seelers hereinflatterten. Ein unwiderstehliches, ja fast unanständiges Angebot kam im Jahr 1961 von Inter Mailand und garantierte dem damals 25-Jährigen eine Einnahme von mindestens 1,2 Millionen Mark. Millionär in dieser Zeit – und dann auch noch als Fußballer, das war kaum vorstellbar. »Uns Uwe« ergriff die einmalige Möglichkeit – nicht zum Wechsel und nicht für das große Geld, sondern um eine Grundsatzentscheidung zu treffen und sie den Mailändern auch unmissverständlich mitzuteilen: Er wollte in der Heimat bleiben! Und nicht nur das. Er blieb auch seinem HSV treu, dem er seit dem zehnten Lebensjahr angehörte und mit dem er ein Jahr zuvor gerade zum ersten Mal Deutscher Meister geworden war, durch einen 3:2-Erfolg im Finale gegen den 1. FC Köln – zweimaliger Torschütze völlig überraschend: Uwe Seeler! 1963 waren es sogar alle drei Tore im nächsten Finale: Dieses Mal ging es um den DFB-Pokal, den der HSV gegen Borussia Dortmund glatt durch die drei Seeler-Treffer zu null gewann. Im folgenden Jahr wurde Seeler auch der erste Torschützenkönig der neu gegründeten Fußball-Bundesliga. Obwohl der HSV nur als Tabellensechster die Saison abschloss, brachte es der Mann mit dem Torriecher auf herausragende 30 Treffer!
Ein Autogramm von Uwe
Genau das muss die Zeit gewesen sein, in der ich dem großen Superstar, der von allen irgendwie gemocht, angehimmelt und bewundert wurde, erstmals persönlich begegnete. Eine Momentaufnahme, die so viel über den Menschen Uwe Seeler aussagt und die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Ich war etwa fünf Jahre alt, hatte daheim im von Hamburg etwa 100 Kilometer entfernten Rendsburg/Büdelsdorf inmitten von Schleswig-Holstein auf dem Bolzplatz vor dem Haus schon oft vergeblich versucht, den Overath, Tilkowski und natürlich den Uwe Seeler zu geben, später auch den Netzer und Beckenbauer. Ich war also voller Begeisterung diesem Sport verschrieben und kannte mich schon ganz gut aus.
Eines Tages musste mein Vater mal wieder aus beruflichen Gründen nach Hamburg und nahm meine Mutter und mich, vorn auf der durchgehenden Bank im LKW sitzend, mit. Während er seinen Auftrag erledigte, stromerten Mutter und Sohnemann durch die für uns gigantisch groß wirkenden Kaufhäuser – ich voll fröhlicher Erwartung, weil an so einem außergewöhnlichen Tag auch immer etwas für mich heraussprang. In diesem Fall durfte ich mir ein kleines Spielzeug aus der beinahe erschlagenden Vielfalt des Angebots aussuchen. Schon eine Zeit lang hatte ich ein kleines amerikanisches Auto in der Hand gehalten – ein Polizeifahrzeug des New York Police Departments mit einem winzigen Rotlicht auf dem Dach. Das war eigentlich schon der besondere Clou. Trotzdem konnte ich mich einfach nicht entscheiden, denn die vielen Alternativen waren zu verlockend.
Während ich so verträumt dastand, einige Regalmeter von meiner Mutter entfernt, die nach anderen Mitbringseln fahndete, vernahm ich plötzlich eine Männerstimme neben mir, die sich auch noch an mich wandte. Ich fuhr herum und erkannte ihn sofort: Uwe Seeler, eines meiner wenigen Idole, die mir so viel Kraft für die dörflichen Straßenfußballschlachten verliehen hatte. Er muss mein wild pochendes Herz gesehen haben, so weit stand mein Mund offen! »Zeig mal her«, sagte er und nahm mir das Polizeiauto aus meiner Hand, weil ich immer noch wie erstarrt dastand und ihn anglotzte. »Der sieht aber