Скачать книгу

Und als sich alle bereits auf einen Losentscheid einstellten, war es Gerd Müller, der sogar noch den 3:2-Siegtreffer erzielte. Es war eines dieser Spiele, die man – wenn man sie vor Ort oder vor dem Fernseher miterlebt hat – nie vergessen wird. Genauso geht es mir bei dieser Partie auch. Vor allem dank Uwe Seelers legendärem Tor – für mich das beste von insgesamt 43 in 72 Länderspielen.

image

      Mit dem Hinterkopf erzielte Uwe Seeler im WM-Viertelfinalspiel gegen England seinen legendären Treffer. Für mich ist es das schönste seiner 43 Länderspieltore.

      Tränen beim Abschied

      1970 wurde »Uns Uwe« nicht zuletzt wegen seines Auftretens bei der WM zum dritten und letzten Mal Deutschlands »Fußballer des Jahres«, ehe er am Ende der Saison 1971/72 seine Karriere mit einem Spiel seines HSV gegen eine Weltauswahl beendete. Mit dabei so illustre Namen wie Gordon Banks, Giacinto Facchetti, Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Johan Cruyff, Sandro Mazzola, Denis Law, Bobby Charlton, Gianni Rivera, Eusébio und so weiter. Die weltbesten Fußballer, die zum Karriereende eines Weltstars gekommen waren. Aber auch an diesem Tag, gefeiert von 70.000 begeisterten Zuschauern, von denen nicht wenige Tränen in den Augen hatten, bestand keine Gefahr, dass der prominente Publikumsliebling in irgendeiner Weise abheben könnte. Im Gegenteil: Seine Abschiedsworte galten den Fans und – seinem Hamburger SV.

image

      Der HSV – ein Verein, der ihm immer eine Herzensangelegenheit gewesen und geblieben ist. Auch in so vielen schwierigen Zeiten des Klubs in den letzten zwei Jahrzehnten. Uwe Seeler fühlt sich immer als HSVer und als Hamburger und steht damit als schillerndes Gegenmodell in einer Zeit, in der so ziemlich alle glauben, dass man wirklich reich und erfolgreich im Fußball nur sein kann, wenn man möglichst viel wechselt und immer neuen Prämien und Vereinen hinterherrennt. Uwe Seeler hat eine ganz andere Herausforderung bestanden: ein (Fußballer-)Leben lang sich dort durchzusetzen, wo er sein wollte – zu Hause. Und das hat ihn – nicht finanziell, aber in vielen anderen Bereichen – reicher gemacht als so manchen Fußball-Millionär, der sich heute als Weltstar generiert.

      image 05

      Schießbude der Liga

      Tasmania Berlin, die schlechteste Mannschaft ever

      Es war ein trostloses Bild, das sich im Berliner Olympiastadion bot. Platz gab es genug, für gut 80.000 Zuschauer, aber nur 4.000 verloren sich im weiten Rund, als Tasmania Berlin am 31. Spieltag der Saison 1965/66 zu Hause gegen Eintracht Franfurt antrat. Dabei trug sich am 30. April 1966 Historisches zu. Etwas, das es nie zuvor und auch später nicht wieder in der Bundesligageschichte gegeben hat. Man schrieb die 71. Minute, als ein gewisser Hans-Günter Becker seinen Frankfurter Kontrahenten Peter Blusch im Strafraum foulte. Jürgen Grabowski kannte kein Mitleid und verwandelte den fälligen Elfmeter sicher.

      Es war ein Rekord-Elfer, den Grabowski im Tor unterbrachte. Was nichts mit der Ausführung zu tun hatte, sondern damit, dass der Strafstoß Tasmania das 100. Gegentor bescherte – wohlgemerkt in dieser einen Saison 1965/66.

      Die Fans des gebeutelten Klubs hatten schon Mitleid mit ihren Tasmanen, aber sie ertrugen den Absturz ihres Teams inzwischen auch mit einer gehörigen Portion Galgenhumor. Auf der Tribüne hielt einer der wenigen verbliebenen Tasmania-Anhänger ein Transparent mit der Zahl 100 hoch. Andere legten anschließend einen Trauerkranz hinter dem Tor des bemitleidenswerten Torhüters Heinz Rohloff nieder. Es war ein schöner Kranz, goldverziert und ebenfalls mit der Zahl 100 dekoriert. In den restlichen drei Spielen kassierte Tasmania Berlin acht weitere Treffer und stieg mit dem kläglichen und bis heute unerreichten Torverhältnis von 15:108 sowie 8:60 Punkten ab.

      »Schönen Dank, lieber DFB«

      Was hatte diese »Gurkentruppe« in der Bundesliga überhaupt zu suchen, fragten sich viele Fußballfans damals und fragen es sich noch heute. Tatsächlich hatte der SC Tasmania 1900 Berlin die Zugehörigkeit zur Eliteliga dem ersten handfesten Skandal und letztendlich einem Politikum zu verdanken. Stadtrivale Hertha BSC war zum Zwangsabstieg verdonnert worden, weil der Klub gegen die DFB-Statuten verstoßen hatte. Aufgeflogen war das Vergehen, weil sich die Hertha-Bosse nicht grün waren und Schatzmeister Günter Herzog öffentlich herausposaunte: »Wenn ich den Mund auftue, dann ist Hertha BSC morgen erledigt.«

      Der DFB bekam Wind davon und entsandte schleunigst einen Buchprüfer nach Westberlin. Die Ermittlungen brachten an den Tag, dass Hertha ihren Lizenzspielern rund 192.000 Mark an Prämien aus schwarzen Kassen gezahlt hatte. Allein Nationaltorhüter Wolfgang Fahrian soll illegalerweise ein Handgeld von 80.000 Mark erhalten haben. Zudem stellte das DFB-Bundesgericht fest, dass Hertha in der Schlussphase der Saison 1963/64 ein Bestechungsgeld von 15.000 Mark an den Münchner Verteidiger Alois Stemmer gezahlt hatte.

      Der ausdrückliche Wunsch des DFB und der Politik war es aber, einen Verein aus der geteilten Stadt in der Bundesliga spielen zu lassen. Da gab es keine zwei Meinungen. Sogar der damalige Westberliner Bürgermeister und spätere Bundeskanzler Willy Brandt hatte sich dafür starkgemacht.

      Tennis Borussia war sportlich in der Aufstiegsrunde gescheitert. Der Zweite der Berliner Regionalliga, der Spandauer SV, verzichtete dankend. Aber Tasmanias Verantwortliche wollten mit Macht ins deutsche Fußballoberhaus. Kapitän Hans-Günter Becker sagte rückblickend: »Wir hätten sagen müssen: Schönen Dank, lieber DFB, aber nicht für diese Saison.« Torhüter Heinz Rohloff bezeichnete die Situation bei Tasmania im Frühsommer 1965 als chaotisch.

      Chaos herrschte auch beim DFB. Sportlich waren der FC Schalke 04 und der Karlsruher SC aus der Bundesliga abgestiegen. Der KSC beanspruchte den Platz der zwangsabgestiegenen Hertha. Der DFB setzte zunächst eine Zusatzrunde auf neutralem Platz an: Tasmania, Karlsruhe sowie die Gruppenzweiten der Aufstiegsrunde, Saarbrücken und Reutlingen, sollten den 16. Startplatz der Bundesliga unter sich ausspielen.

image

      Der einzige Star im glücklosen Tasmania-Team: Horst Szymaniak. Hier attackiert er den Kölner Ole Sörensen, kann aber die 0:6-Heimpleite gegen die Geißbock-Elf nicht verhindern.

      Vom Strand in die Bundesliga

      Tasmania holte eiligst seine Spieler aus dem Urlaub zurück, teilweise wurden sie per ADAC-Reiseruf und über das Radio gesucht. Hans-Günter »Atze« Becker beispielsweise lag am Strand und sonnte sich, als ein Freund ihm mitteilte: »Hör mal, Atze, Radio Luxemburg hat gerade durchgegeben: Ihr sollt so bald wie möglich nach Hause kommen.«

      »Wieso das denn?«, fragte ein erstaunter Becker.

      Die lapidare Antwort lautete: »Weil ihr jetzt Bundesliga spielt.«

      Letztendlich war die hektische Rückholaktion überflüssig, denn die Entscheidungsspiele wurden wieder abgesetzt. Zunächst bekam Karlsruhe den Zuschlag, dagegen klagten nun wiederum neben Tasmania auch TeBe und Schalke. DFB-Vorstand und DFB-Bundesgericht waren sich nicht einig. Schließlich entschlossen sich die Herren auf dem Bundestag am 31. Juli 1965 dazu, den KSC drinzulassen und Tasmania Berlin als 17. Mitglied in die Bundesliga aufzunehmen. Es ging hoch her im niedersächsischen Barsinghausen, gerade einmal zwei Wochen vor dem Beginn der neuen Saison. Kaum eine Viertelstunde nach der Entscheidung, mit 17 Klubs in die neue Saison zu gehen, beschlossen die Delegierten, die Bundesliga bereits zur Saison 1965/66 auf 18 Vereine aufzustocken – neben Tasmania Berlin und dem KSC war jetzt auch wieder der FC Schalke 04 dabei. Alles in allem nicht sehr professionell, wie die immer noch neue Profiliga zu diesem Zeitpunkt daherkam.

image

      Dafür knallten in Neukölln die Sektkorken. Zunächst dachte kaum einer darüber nach,

Скачать книгу