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Die öffentlichen Vorverurteilungen hatten ihn und seine Familie fertiggemacht, er berichtete, dass sogar seine Kinder in der Schule angespuckt worden seien.

      Zu Beginn, das gestand Robert Hoyzer im Rahmen der Ermittlungen, habe er kleinere Sachwerte erhalten. Dann aber, als die Sache lief wie geschmiert, kassierte er von seinen Partnern zehn Prozent der Gewinnsumme. Nur um klarzustellen, welche Summen im Spiel waren: Mit einer einzigen verschobenen Partie strich der Wettpate Ante Sapina bisweilen eine Million Euro ein. Die Wettanbieter hatten im Gegensatz zum DFB früh einen Verdacht. Pfiff Hoyzer eine der Partien, die auf den Wettscheinen standen, sanken die Quoten. Weitergegeben an den DFB oder die Staatsanwaltschaft hatten die Wettbüros ihre Mutmaßungen aber anscheinend nicht…

      Der Imageschaden rund anderthalb Jahre vor der WM in Deutschland war jedenfalls immens. Die internationale Presse war sich weitgehend einig: Der deutsche Fußball erlebte den größten Skandal seit mehr als 30 Jahren. DFB und Politik sahen die Gefahr des Imageverlustes durchaus, warnten aber vor einem Generalverdacht gegen die deutschen Schiedsrichter und forderten eine schnelle, konsequente und lückenlose Aufklärung.

      Das gestaltete sich jedoch alles andere als einfach, denn hier war nicht nur ein einziges schwarzes Schaf der Schiedsrichtergilde ohne jegliche Moralvorstellungen auf die Idee gekommen, sich sein Honorar aufzubessern, sondern dahinter steckten kriminelle Zocker.

      Ende April 2005 schließlich wurde Hoyzer vom DFB lebenslang gesperrt. Nach dem Urteil durfte er weder als Schiedsrichter noch als Trainer, Spieler oder Jugendbetreuer beim DFB oder in einem seiner Vereine fungieren. Der strafrechtliche Prozess wegen »Beihilfe zum bandenmäßigen Betrug« zog sich ewig hin. Erst im Dezember 2006, Monate nach der Fußball-WM im eigenen Land, wurde das Urteil rechtskräftig: Hoyzer wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt, die er im Mai 2007 antreten musste. Mitte Juli 2008 setzte man ihn aber wegen guter Führung schon wieder vorzeitig auf freien Fuß. Im April 2011 gab DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger dem Gnadengesuch Hoyzers statt. Der Skandal-Schiedsrichter durfte ab sofort wieder auf Amateurebene Fußball spielen, aber selbstverständlich nach wie vor nie wieder ein Spiel pfeifen.

      Frühwarnsystem und neue Fälle

      Nachdem sogar DFB-Schiedsrichter die mangelnde Überwachung bei Spielen unterhalb der Bundesliga bemängelt hatten, reagierte der Verband professionell und konsequent mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog: So sollten Schiedsrichter, die in die 2. Liga aufsteigen wollten, drei Jahre lang in den unteren Klassen beobachtet werden. Sämtliche Spiele der Bundesliga und des DFB-Pokals wollte man zukünftig mit einem weiteren DFB-Schiedsrichter als Beobachter besetzen, und darüber hinaus sollten zwei Schiedsrichtergespanne direkt am Spieltag noch getauscht werden. Zusätzlich schloss der DFB einen Vertrag mit der Firma ISE/Market Monitor, die mit betradar.com ein Frühwarnsystem aufgebaut hatte. Das Unternehmen verfolgte die Quotenveränderungen der Wettanbieter in Zwei-Minuten-Intervallen. Veränderten sich die relativen Raten auffällig, wurden automatisch Warnhinweise per E-Mail oder SMS verschickt. Ein Kraftakt! Und es war nicht unbedingt einfach, sämtliche privaten Wettanbieter und den staatlichen Anbieter Oddset von der Notwendigkeit der getroffenen Maßnahmen zu überzeugen. Letztendlich schaffte man es aber, rund 80 Prozent der deutschen Spiele im Angebot über Betradar zu überwachen.

      Die Hoffnung, dass man den kriminellen Machenschaften der Zocker endgültig einen Riegel vorschieben könnte, erfüllte sich nicht. Ante Sapina war nach den gemeinsamen Aktivitäten mit Hoyzer ebenfalls zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Doch bereits während der Haft zettelte der Kroate als Freigänger neue Betrügereien an. Sapina und Komplizen sollen ab 2008 rund 200 Spiele weltweit manipuliert und dabei Millionen umgesetzt haben. Darunter sogar Champions-League-Spiele, Partien der Europa League – aber auch unterklassige Spiele in Deutschland, bei denen, so die Hoffnung der Wettbetrüger, die Manipulationen nicht so auffallen würden. Sapina, der zusammen mit einigen Komplizen durch die Telefonüberwachung der Staatsanwaltschaft Bochum in Kreisen des organisierten Verbrechens aufgeflogen war, saß zunächst bis April 2011 in Untersuchungshaft und wurde im Mai des Jahres schließlich zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.

      Man könnte meinen, damit sei das Problem erst einmal vom Tisch. Ähnliche Meldungen bzw. Vermutungen aus vielen Teilen der Welt in anderen Fußballligen machen deutlich, dass dem nicht so ist. Aber das neue Bewusstsein, das klare Durchgreifen des DFB und der Justiz und die seither gestiegene Sensibilität bei allen Beteiligten, die diesen Sport niemals verraten würden, lässt uns doch deutlich zuversichtlicher in die Zukunft schauen. Dort, wo so viel Geld im Spiel ist wie beim Fußball, sind Auswüchse bis hin zur Kriminalität niemals auszuschließen. Und bis heute hat sich niemand ernsthaft die Frage gestellt, ob nicht auch ein Sportsystem denkbar wäre, in dem es kein Geld zu verdienen gibt. Dazu bietet insbesondere der Fußball zu große wirtschaftliche Chancen, und dazu ist er fest in den professionellen Strukturen der Marktwirtschaft verankert. Aber man sollte nie vergessen, dass das alles nur deshalb funktioniert, weil es ein breites gesellschaftliches Interesse an diesem Sport gibt, das nur durch Qualität und Glaubwürdigkeit dauerhaft erhalten werden kann.

      Seit der Aufdeckung des Wettskandals Anfang 2005 hat sich »Hoyzer« übrigens als Schimpfwort und Synonym für Betrug durchgesetzt. Wer als Spieler einen Schiedsrichter als »Hoyzer« bezeichnet, sieht automatisch die Rote Karte und wird für drei Spiele gesperrt.

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      Verrat am Sport: Zuschauerproteste gegen die Zocker-Mafia.

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      »Mia san mia«

      Die großen Bayern der siebziger Jahre

      Wenn man die Homepage des FC Bayern München anklickt, kann man die Informationen über die Bayern auf Deutsch, Englisch, Japanisch, Chinesisch oder Spanisch lesen. Also, wenn man kann! Das nützt dem gemeinen Fan in München, in Dresden, in Aachen oder Ostfriesland in den meisten Fällen wahrscheinlich herzlich wenig. Aber abgesehen davon, dass es ziemlich lustig nach Mikado-Spielchen aussieht, wenn ein Interview mit Uli Hoeneß in diesen für uns so kryptischen asiatischen Schriftzeichen erscheint, macht es deutlich, welchen Stellenwert die Bayern im weltweiten Fußballgeschehen besitzen.

      Ein Synonym für Erfolg

      Der FC Bayern ist längst auch ein Synonym für Erfolg. Wenn die Handballer einer Kreisliga in Sachsen-Anhalt von Sieg zu Sieg eilen, dann sind sie die »Bayern« der Liga; wenn ein Team von Sportkeglern in der Wesermarsch ständig »alle Neune« wirft, dann sind sie die »Bayern« der Kegelbahn. Wer Erfolg hat in seiner Sportart, der besitzt ein »Bayern-Gen«, und wer sich am Ende eines Wettkampfs glücklich durchgesetzt hat, der hatte den berühmten »Bayern-Dusel«.

      Der FC Bayern ist nicht nur der bekannteste, erfolgreichste und berühmteste Klub Deutschlands, der deutsche Rekordmeister – mit 21 Meistertiteln seit Beginn der Bundesliga – ist zu einer Weltmarke aufgestiegen. Sportlich seit mehr als 40 Jahren ein Aushängeschild des deutschen Fußballs und wirtschaftlich eines der erfolgreichsten Unternehmen im großen Geschäft mit dem Fußball. Der FC Bayern hat sein »Standing« nicht nur seinen sportlichen Erfolgen zu verdanken, sondern auch einem seriösen und soliden Wirtschaften – was ihn übrigens wohltuend von einigen anderen hoch verschuldeten »Global Playern« wie dem FC Barcelona, Real Madrid oder dem AC Mailand unterscheidet. Mitte der goldenen siebziger Jahre betrug der Umsatz des Klubs rund sieben Millionen Euro, heute sind es mehr als 350 Millionen. Kein Fußballverein in Deutschland hat auch nur annähernd so viele eingetragene Mitglieder. Ungefähr 170.000 sind es inzwischen, dazu kommen rund 3.000 offizielle Bayern-Fanclubs mit über 200.000 Mitgliedern.

      Weltweit sind es Millionen von Fußball-Fans, die den Bayern die Daumen drücken. Es dürften aber mindestens genauso viele sein, die sich nichts sehnlicher wünschen als eine ordentliche Klatsche für die Stars von der Säbener Straße. Die Bayern liebt man oder man hasst sie. Erfolg macht sexy, heißt es, aber Erfolg ruft nun mal auch

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