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die stolz verkündet, es gebe 70 Millionen Bayern-Hasser weltweit. Allein dass jemand so weit gezählt haben will in dieser Frage, ist ja schon – vorsichtig formuliert – übertrieben. Die »Toten Hosen« hatten einen Hit, in dem sie versprechen, dass sie nie im Leben zu den Bayern gehen würden. Und die Band »Norbert und die Feiglinge« ist berühmt geworden mit dem Song »Bayern hat verloren«. Wenn der FC Bayern in Rückstand gerät oder ausnahmsweise einmal eines seiner Spiele verliert, dann schallt es bis heute aus tausend Kehlen durchs Stadion: »Zieht den Bayern die Lederhosen aus«.

      Mit Bayern-Block zum WM-Titel

      Die Weichen für die großartige Ausnahmestellung wurden bereits in den sechziger Jahren gestellt, aber ihren Anfang nahm die Weltkarriere der Bayern definitiv in den siebziger Jahren. Mit den drei Erfolgen im Europapokal der Landesmeister von 1974 bis 1976 sowie den drei Deutschen Meisterschaften von 1972 bis 1974. Mit einer Mannschaft, die bis heute als die beste Vereinsmannschaft aller Zeiten im deutschen Fußball gilt. Natürlich lässt sich darüber streiten, doch etwas Vergleichbares wie die Achse Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller hat es meines Erachtens so nie wieder gegeben. Auch deshalb war es schon damals eine Mannschaft, die polarisierte.

      Aber dieselben Menschen, die Beckenbauer & Co. gnadenlos auspfiffen, wenn sie in den anderen Bundesligastadien vorspielten, drückten ihnen international genauso vorbehaltlos die Daumen, wenn sie im Europapokal im Einsatz waren oder mit dem Adler auf der Brust aufliefen. Die Münchner stellten damals mit dem »Bayern-Block« das Gerüst der deutschen Nationalelf: Mit Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller, Georg Schwar-zenbeck, Uli Hoeneß und Paul Breitner zählten gleich sechs Spieler zu der Mannschaft, die als die beste deutsche Nationalelf aller Zeiten galt und 1972 Europameister wurde. Und dazu noch Günter Netzer… Aber das Kapitel kommt ja noch. Auch beim 2:1-Erfolg gegen die Niederlande im WM-Finale zwei Jahre später standen diese sechs Profis aus München auf dem Platz. Jeder mit seinem ganz eigenen Image und seiner speziellen Funktion, was beides fast immer bedient wurde. Sie hatten Ecken und Kanten – nicht nur im Spiel –, das hat mir schon immer imponiert.

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      FC BAYERN MÜNCHEN

      Gegründet 27.2.1900

      Deutscher Meister:

      1932, 1969, 1972,

      1973, 1974, 1980,

      1981, 1985, 1986,

      1987, 1989, 1990,

      1994, 1997, 1999,

      2000, 2001, 2003,

      2005, 2006, 2008, 2010

      Deutscher Pokalsieger:

      1957, 1966,

      1967, 1969, 1971,

      1982, 1984, 1986,

      1998, 2000, 2003,

      2005, 2006, 2008, 2010

      Europapokal der

      Pokalsieger: 1967

      UEFA -Pokal: 1996

      Europapokal der

      Landesmeister/

      Champions League:

      1974, 1975, 1976, 2001

      Weltpokal: 1976, 2001

      Die Bayern der Siebziger waren so etwas wie der Gegenentwurf zu den überaus beliebten »Fohlen« aus Mönchengladbach. Die Borussia um Günter Netzer galt als Team, das sich der Schönheit des Fußballs verpflichtet fühlte und auch genau so spielte, die Bayern hingegen als erfolgsorientiert, etwas arrogant und kühl bis ans Herz. Ein Image, das sich vielerorts bis heute gehalten hat. Und der neutrale Zuschauer drückt noch immer eher Borussia Dortmund, Werder Bremen oder Schalke die Daumen, wenn es zum Meisterschaftsduell mit Bayern München kommt. Das allein ist aber schon die höchste Würdigung dieses Ausnahmevereins und Großunternehmens, der sich diese Form des Respekts nachhaltig erarbeitet hat.

      Zlatko, eher bekannt als »Tschik« Čajkovski hatte die Bayern von 1965 bis 1968 in der Bundesliga etabliert und mit ihnen 1967 den Europapokal der Pokalsieger gewonnen. Der Jugoslawe, der als Entdecker von Gerd Müller gilt, war ein Unikum. Er nannte seinen Torjäger »kleines dickes Müller« und konterte seine Kritiker, die ihm mangelnde Sprachkenntnisse vorwarfen, mit dem Hinweis: »Bin ich nix Lehrer für Deutsch, sondern für Futball.« Und als solcher war er einfach gut.

      Talentschmiede FC Bayern

      Im Sommer 1968 löste ihn sein Landsmann Branko Zebec als Bayern-Trainer ab. Als Zebec, bekannt als harter Hund, seinen Spielern zu Saisonbeginn das Biertrinken verbot, hatte er bei den Münchnern schon fast verloren. Damals war es eher eine Posse, tragische Bedeutung bekommt diese Episode erst, wenn man weiß, dass Branko Zebec später selbst dem Alkohol verfiel und bitterlich daran zugrunde ging. Als Trainer ein Fan von Fitness und Disziplin, führte er seine Elf aber in der Saison 1968/69 mit acht Punkten Vorsprung vor Alemannia Aachen zur Meisterschaft – der ersten nach 1932 – und machte mit dem DFB-Pokalsieg gegen den FC Schalke auch noch das »Double« perfekt. In den beiden darauf folgenden Jahren mussten die Münchner als Vizemeister dem Rivalen aus Mönchengladbach den Titel überlassen.

      Bereits im März 1970 wurde Zebec – auch auf Betreiben Franz Beckenbauers – durch Udo Lattek ersetzt. Lattek, den die Münchner Nationalspieler als Assistent von Bundestrainer Helmut Schön kannten, wirkte wie die erfrischende Antithese zu dem verhärtet wirkenden Jugoslawen. Er war jung, locker und hatte keinerlei Erfahrungen im Profifußball, war also vermeintlich leicht zu beeinflussen. Die Fans begegneten ihm allerdings mit einer gehörigen Portion Skepsis. Lattek widerlegte alle Zweifler, indem er die Bayern zur erfolgreichsten Mannschaft Europas formte.

      Zu Beginn der Saison 1971/72 holte er die Jugendnationalspieler Paul Breitner, Uli Hoeneß und Rainer Zobel an die Isar. Und an dieser Stelle sollte man vielleicht noch einmal mit dem Vorurteil aufräumen, die Bayern hätten ihre Erfolge stets mit fertigen Spielern und teuren Stars gefeiert. Richtig ist: Der FCB hat in all den Jahren durchaus auch gezielt die besten Spieler der Konkurrenz weggekauft und ausländische Superstars wie Bixente Lizarazu, Roy Makaay oder Arjen Robben verpflichtet. Aber der Verein hat auch immer seine regionale Identität bewahrt, denn schon Beckenbauer und Müller, Schwarzenbeck, Maier und »Bulle« Roth stammten aus der bayrischen Landeshauptstadt oder zumindest aus der Gegend. Bis heute hat der Klub unzählige Talente ausgebildet. Man muss nur einen Blick auf die Kader der letzten Spielzeiten werfen: Philipp Lahm ist Münchner, genauso wie Diego Contento; Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger stammen aus Oberbayern, und auch Holger Badstuber spielte schon als 13-Jähriger in der Bayern-Jugend. Der FC Bayern ist »Made in Bayern«!

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      Ihre zweite von 21 Bundesliga-Meisterschaften feierten die Bayern 1972.

      Genauso wie einige Rekorde, die dieser Verein aufgestellt hat. Allein bei der Einweihung des Olympiastadions Ende Juni 1972 machten die Münchner durch ein 5:1 im »Endspiel« gegen den FC Schalke ihr Meisterstück perfekt und stellten in dieser Saison, die immer noch unter den Nachwirkungen des Bundesligaskandals litt, einige Bestmarken für die Ewigkeit auf. Nie in der Geschichte der Bundesliga erzielte eine Mannschaft mehr Treffer als die Bayern 1971/72. Und nie mehr schoss ein Spieler so viele Tore in einer Saison: Gerd Müller erzielte allein 40 der 101 Treffer seiner Mannschaft. Unerreicht blieb lange Zeit auch die Marke von 55:13 Punkten; die 24 Saisonsiege und sieben Unentschieden hätten nach der heutigen Drei-Punkte-Regel 79 Punkte bedeutet. Erst 2011/12 schaffte Borussia Dortmund mit 81 Punkten eine noch bessere Saisonausbeute.

      Nackte Meister im Wasserbecken

      In der darauf folgenden Spielzeit gelang die Titelverteidigung mit elf Punkten Vorsprung vor dem 1. FC Köln und einem eindrucksvollen Start-Ziel-Sieg, als die Bayern vom ersten bis zum letzten Spieltag nicht

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