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von zwanzigtausend Mark.

      Sie war jetzt immer verärgert und in grimmigster Stimmung. Ihre Angestellten fanden, es war jetzt schlecht Kirschessen mit ihr.

      Emma meinte eines Mittags, als sie mit Elisabeth in dem kleinen billigen Restaurant der Anhalter Straße saß: „Unsere Olle is jetzt unjenießbar wegen der Maharadscharin aus Jaunerland.“

      Elisabeth nickte nur, es stimmte ja, was Emma sagte.

      „Und du, Liliken, bist auch so miesepeterig. Manchmal starrst du ins Leere und hast kein‘ Dunst, wovon man mit dir jequatscht hat. Wenn du ißt, weißt du nich, was du in den Mund steckst. Hör mal, Liliken, mopple dir mal ’n bißchen auf. Du sollst dir nich innerlich kaputt machen für einen Menschen, der das nicht wert is.“

      „Emma, ich bitte dich, sei still davon“, bat Elisabeth gequält.

      „Fällt mir jar nich ein“, widersprach die meist so gutmütige Dicke. Ihre Augen blinzelten. „Du, ich weiß ’ne Adresse, wo du bestimmt was über ihn hören kannst. Danach is dir vielleicht wohler, weil du dann weißt, woran du bist.“

      Elisabeth blickte grenzenlos erstaunt.

      „Du weißt jemand, der mir über ihn, über Heino Staufen, etwas mitteilen könnte?“

      „Na, nich ganz so, wie du dir das nu wohl denkst“, bremste Emma. „Ich meine, ich kenne die Adresse einer Frau, zu der die feinsten Damen kommen, um sich allerlei sagen zu lassen, was mit der Herzjejend zusammenhängt.“

      Elisabeth war bitter enttäuscht.

      „Du redest von einer Kartenlegerin, nicht wahr?“

      Emma schüttelte den Kopf.

      „Bewahre, sie is so ’ne Art Hellseherin. Weißt du, eine, die Dinge sehen kann, die weit weg von einem passieren. Sie versteht sich auf allerlei Jeheimnisvolles. Ich habe von ein paar Bekannten jehört, sie hätte jründlich was los. Wie wäre es, Liliken, wollen wir hinstiebeln bei die Tunte? Ich rate dir zu, damit du ruhiger wirst. Wenn du zum Beispiel von der Hellseherin hören würdest, er poussiert schon mit ’ner anderen, wärst du doch kuriert.“

      Elisabeth zuckte die Achseln.

      „Ich gebe für solchen Mumpitz kein Geld aus. Und ich will auch gar nichts wissen, glauben würde ich es ja doch nicht.“

      Emma krauste die Stirn.

      „Liliken, nimm es mir nich übel, aber das is ’n Zeichen von Dummheit. Das Hellsehen hat schon bei Kriminalfällen eine wichtige Rolle jespielt, un wenn so was von der Polizei ernst jenommen wird, brauchst du dir wahrhaftig nich dajejen wehren. Weißt du, Liliken, heute is doch nich viel im Jeschäft los, machen wir einfach blau. Ich telefoniere unsere Olle an, dir wäre schlecht jeworden, sie soll erlauben, daß du nach Hause fährst, un ich möchte dir an die Bahn bringen.“

      Sie beachtete Lilis Widerspruch gar nicht, sprang auf und verschwand in der Telefonzelle.

      Nach fünf Minuten kam sie sehr vergnügt zurück.

      „Det Ding hab ich schon jeschmissen, meine liebe Kollejin. Unsere Olle war janz ängstlich wejen dir un hat mir abkommandiert, dir nach euerem Kaff zu bejleiten, damit dir nix passiert. Du bist ja auch ihr erklärter Liebling. Jedenfalls sind wir den Nachmittag frei.“ Sie drängte: „Los, Liliken, machen wir uns auf die Socken, die Adresse, die ich weiß, is ein bißchen abjelejen.“

      Auf der Straße wehrte sich Elisabeth noch gegen Emmas Vorschlag, aber nachdem sie von der energischen Freundin in eine Elektrische gezogen worden war, gab sie den Widerstand auf.

      Still saß sie Emma gegenüber, die ebenfalls wenig sprach.

      Aber nicht etwa, weil ihr nichts einfiel, sondern weil der Wagen gedrängt voll von Menschen war.

      X.

      Im Osten Berlins, in einer von der Großen Frankfurter Straße abzweigenden Seitenstraße, in einem hohen grauen Mietshause, wohnte Frau Kressin, zu der Emma die Freundin brachte.

      Frau Kressin war eine schmale blasse Person von ungefähr vierzig Jahren. Ihre unnatürlich geweiteten Augen hatten den matten Glanz kühler grauer Halbedelsteine.

      Sie blickte die beiden Eintretenden flüchtig an, lächelte leicht: „Die jungen Damen möchten gern etwas von dem Liebsten wissen, nicht wahr? Natürlich, natürlich“, fuhr sie fort, „wenn man jung ist, will man nur darüber hören, später sind dann die Kinder und das liebe tägliche Brot das Allerwichtigste.“

      Das Zimmer machte einen düsteren Eindruck. Freudlos und kahl sah es aus und es herrschte Dämmerlicht, weil die schwarz und weiß gemusterten Fenstervorhänge halb geschlossen waren.

      Elisabeth dachte, dieses ganze Stimmungsmilieu war weiter nichts als das geschickte Mätzchen einer Großstadtsibylle, die dummen Leuten das Geld aus der Tasche lockte.

      Nur widerwillig nahm sie neben Emma Platz.

      Ein schwarzglasiger und hoher schmaler Stehspiegel ward von dem alten Mann vor die blasse Frau gerückt, ehe er leise das Zimmer verließ.

      Frau Kressin starrte in das dunkle Glas, als gelte es alle Geheimnisse der Welt darin zu entdecken. Es war, als ob sie in einen Trancezustand verfiele.

      Elisabeth wäre froh gewesen, wenn sie jetzt hätte lachen können.

      Es war hier alles so bedrückend. Das düstere Zimmer, die blasse Frau, die schweigend in den schwarzen Spiegel starrte und dabei wie eine Tote aussah.

      Wäre es nicht am klügsten und einfachsten, wenn sie Emma ganz energisch bei der Hand nehmen und mit ihr davonlaufen würde?

      Jetzt ward der Gesichtsausdruck der starrenden Frau visionär, lautlos bewegten sich ihre Lippen. Plötzlich begann ein mattes Flüstern, aus dem sich einzelne Worte hervorhoben und deutlich wurden.

      Elisabeth lauschte und verstand: „Ich sehe ein Schiff mitten auf dem Meere, es ist nur klein und es sind nicht viele Menschen darauf. Einen davon sehe ich sehr, sehr deutlich. Er hält ein kleines Bild in Händen. Ein Mädchenbild, und ich kenne das Gesicht, ich habe es vorhin von ganz nahe gesehen. Es war ein schönes junges Gesicht.“

      Elisabeth verspürte gar kein Verlangen mehr, davonzulaufen, gierig lauschte sie auf die Worte der Frau, die schon weitersprach: „Er küßt das Bild und streichelt es. Jetzt aber werden seine Züge finster. Er reißt das Bild mittendurch und nun zerpflückt er es in winzige Fetzen. Er befindet sich in einer Kabine und verläßt sie jetzt mit schnellem Schritt. Ich sehe ihn die Treppe hinaufsteigen, er steht oben auf dem Deck des kleinen Schiffes und läßt die Bildfetzchen ins Meer gleiten. Fort sind sie. Nun lacht er böse, so wie ein sehr zorniger Mann lacht. Eine elegante junge Frau, sie ist blond, tritt an ihn heran. Sie lächelt sehr freundlich und er lächelt auch.“

      Elisabeth hatte die Lippen fest zusammengepreßt. Sie bezweifelte keinen Augenblick, was aus dem Munde der blassen Frau kam und ihr war es, als sähe sie alles deutlich vor sich.

      Ein langgedehnter Seufzer der Hellseherin ließ Elisabeth erschauern und sie dachte, sie wollte gar nichts mehr hören, gar nichts mehr. Es war genug, nein, es war übergenug.

      Jetzt ging es wie ein Zucken über das Gesicht der blassen Frau, ihr Kopf bewegte sich, die Augen blinzelten, als täten sie ihr weh. Sie schien sehr erschöpft.

      Endlich sprach sie, während sie Elisabeth dabei ansah: „Ich möchte Ihnen noch Wichtiges sagen.“

      Sie erhob sich schwerfällig und nun erkannten die beiden Mädchen, die Ärmste war kreuzlahm.

      Wieder wollte sich Elisabeth wehren: „Ich möchte nichts mehr hören!“ und wieder fehlte ihr die Kraft dazu.

      Frau Kressin holte ein Kartenspiel hervor. Es waren seltsam gezeichnete Karten. Mit der Hand waren verworrene Bilder darauf gestrichelt. Dünn und fein waren die Bleistiftlinien und -arabesken.

      Elisabeth zwang sich, ein wenig verächtlich zu denken: Es steckte hinter der von Emma so besonders

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