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Er war ein alter märkischer Schäfer. Er hat sie noch von seinem Großvater und die Striche darauf mußten schon oft nachgezogen werden. Aus gewöhnlichen Spielkarten kann man nichts herauslesen, das ist Unsinn.“

      „Und das hier ist erst recht Unsinn“, empörte sich Elisabeth. Und sie wunderte sich, wie unverständlich sie es murmelte, die Frau hatte es wohl kaum gehört.

      Sie hatte es ihr entgegenschreien wollen, aber die Silben erstickten schon, ehe sie noch über die Lippen gekommen.

      Sie befand sich zu sehr im Bann ihrer Umgebung.

      Frau Kressin setzte sich an einen länglichen Tisch, dessen Platte mit schwarzem Tuch überzogen war und breitete die Blätter in Kartenform in einem Halbkreis aus.

      Sie forderte Elisabeth auf, ihr die rechte Hand zu geben.

      Elisabeth fand die Situation für Momente lächerlich und reichte der Frau doch die Hand.

      Sie konnte einfach nicht anders.

      Frau Kressin umspannte die Hand mit leichtem Druck und begann fast flüsternd: „Sie haben großes Leid in der Liebe hinter sich und kommen nicht darüber fort. Der Mann, den Sie lieben, hat in der Heimat etwas sehr Böses erlebt und ist jetzt fort in ein anderes Land. Er reist über das Meer. Eine blonde Frau und ein dunkler Mann sind bei ihm und durch die beiden bedroht ihn schweres Unheil. Die Todeskarte liegt ihm zur Seite und Blut ist um das Schiff, mit dem er fährt —“

      Sie brach ab, machte eine kleine Pause und ihre Stimme ward ein wenig lauter: „Sie aber werden — er liegt schon ganz nahe — einen großen Schrecken haben durch ein wunderliches Zusammentreffen, ein Wiedersehen. Die Polizei mischt sich ein —“

      Elisabeth entriß der blassen Frau die Hand.

      „Hören Sie auf mit dem Unfug, ich mag den Blödsinn nicht mehr hören.“

      Sie warf drei Mark auf den Tisch und lief aus dem Zimmer.

      Verdutzt und erschreckt folgte ihr Emma.

      Erst unten im Hausflur holte sie die Freundin ein. Sie packte sie am Ärmel, hielt sie fest.

      „Aber Liliken, warum bist du denn so jetürmt? Die Jeschichte wurde doch jetzt erst interessant!“

      Es klang vorwurfsvoll.

      „Ach, es war einfach gräßlich, was das dumme Weib zusammenphantasiert hat. Mir tun die drei Mark schon leid, die ich ihr in der Aufregung hinwarf. Meinst du, ich hätte noch mehr von dem Blech vertragen können, mit dem sie mich ja auch glücklich in die Flucht geschlagen hat? Ich habe doch nichts Unrechtes getan, wie darf sie da von der Polizei anfangen? Meinst du, ich hätte Lust, mich in allerlei Ängste hineinjagen zu lassen?“

      Emma zuckte mit den Achseln.

      „Sie soll den Leuten aber Sachen jesagt haben, die janz jenau einjetroffen sind bis aufs Tüpfelchen. Un ich wollte auch allerhand wissen. Über meinen Apotheker. Ich kann den Kerl zwar nich leiden, aber man möchte doch jerne wissen, woran man is.“

      Elisabeth lachte. Aber ihr Lachen klang schwerfällig, als wäre es mit Ketten belastet.

      Sie meinte noch immer die blasse Frau mit den mattglänzenden Augen sagen zu hören: „Die Todeskarte liegt ihm zur Seite und Blut ist um das Schiff, mit dem er fährt —!“

      Sie erschauerte trotz allen Wehrens von einer geheimen Angst, die sich in ihr festhängte.

      „Du siehst verflixt jrau aus, Liliken“, stellte die gutmütige Emma fest. „Komm, wir trinken auf den Schreck ’ne jute Tasse Kaffee. Da drüben is ’ne Konditorei.“

      Sie schob ihren Arm unter den Elisabeths und zog sie mit sich über den Fahrweg.

      Es war eine einfache, aber sehr saubere Konditorei mit ein paar kleinen Nischen aus dünnem Staketenzaun, von künstlichem wildem Wein umsponnen.

      Da saßen sie nun beide in einer der Nischen, tranken Kaffee, hatten je ein Stück Napfkuchen vor sich und sprachen scheu und in leisen Sätzen von dem Besuch bei Frau Kressin.

      Emma tadelte: „Du hättest die Frau wenigstens ausreden lassen sollen.“

      Elisabeth verteidigte sich: „Das war mir unmöglich. Erst macht sie die unheimlichen Andeutungen von dem Schiff, die natürlich Unsinn sind, und dann fängt sie an, mir die Polizei anzudrohen. Wenn sie so weiterphantasiert hätte, wäre ich wahrscheinlich noch ins Zuchthaus gekommen. Ich bin durch alles, was mit Heino zusammenhängt, innerlich verstört genug, den geheimnisvoll scheinenden Unfug, den sich die Frau leistete, habe ich schon viel zu lange mitangehört.“

      Ihr Blick glitt unwillkürlich zur Ladentür schräg gegenüber.

      Mehrmals schon hatte Elisabeth Kunden eintreten sehen. Sie kauften eine Kleinigkeit und gingen gleich wieder. Eben trat eine sehr schmale Person ein im schlichten Hauskleid und gestreifter Kattunschürze.

      Elisabeth zuckte so stark zusammen, daß es Emma nicht entging.

      „Was machst du denn mit einemmal für ’n komisches Jesicht, Liliken?“ fragte sie fast laut.

      Elisabeth faßte nach Emmas Hand.

      „Still, ganz still“, flüsterte sie, „und guck nicht nach dem Ladentisch. Halte aber Geld zum Zahlen bereit, wir müssen der Frau, die sich eben Kuchen einpacken läßt, nach, müssen herausbringen, wo sie wohnt, ohne daß sie was davon merkt. Drehe den Kopf nach der anderen Seite, damit sie uns nicht erkennt, falls sie hersieht.“

      Alles klang kurz und abgerissen.

      „Was willst du denn von der Frau, hat sie dir was getan?“ wisperte Emma.

      Sie äugte neugierig dorthin, wo sich das Mädchen mit der dicken Konditorsfrau unterhielt.

      Sie brummte: „Du bist überreizt, Liliken. Warum sollen wir denn der Frau nachlaufen? Das wäre doch verrückt.“

      Elisabeth flüsterte: „Wir müssen wissen, wo sie wohnt, es ist doch die —“ Ihre Stimme war kaum noch hörbar, als sie schloß: „Die Schwindlerin, die Frau Weilert so böse hineingelegt hat.“

      „Die Maharadscharin —??“ Emmas etwas lautes Flüstern erstarb jäh, denn Elisabeth hielt ihr energisch den Mund zu.

      Dafür suchten sich ihre Augen zu entschädigen. Sie hingen an der Frau, die vor dem Ladentisch stand und sich noch immer unterhielt.

      „Guck doch, bitte, nicht mehr hin“, mahnte Elisabeth, „Wenn wir ihr auffallen, verderben wir alles.“

      Kaum spürte Emmas Mund wieder seine Freiheit, raunte er: „Du irrst dir, Liliken, mach wejen einer kleinen Ähnlichkeit keine Dummheiten.“

      „Es ist die Hauptschwindlerin selbst“, gab Elisabeth leise zurück.

      Eben verließ die Verdächtige den Laden.

      Elisabeth sprang auf.

      „Bleibe hier, Emma, es ist weniger auffallend, wenn ich ihr allein nachgehe.“

      Emma nickte: „Jawohl, Liliken, mit der Verrücktheit möchte ich auch nix zu tun haben. Ich warte hier, bis du zurück bist. Merke dir man jenau die Konditorei.“

      Elisabeth hatte gar nicht mehr zugehört, sie stand schon an der Ladentür, die ein gelles Läuten ertönen ließ, als sie das blonde Mädchen öffnete.

      Emma überlegte.

      So unmöglich ihr die Behauptung der Freundin auch im ersten Augenblick vorgekommen, so möglich erschien sie ihr jetzt schon.

      Jedenfalls bestand wirklich sehr große Ähnlichkeit zwischen der einfachen Frau und der Schwindlerin. Es gab hier in Berlin wohl nicht allzu viele Gesichter von so eigenartig fremdländischem Aussehen. Und es kamen oft so sonderbare Dinge vor in der Riesenstadt, daß man sich über gar nichts zu verwundern brauchte.

      Sie bestellte sich ein Stückchen Torte, und als es ihr die Konditorsfrau brachte, fragte sie: „Kennen Sie vielleicht die hübsche schmale Frau,

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