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Staufen fuhr mit der Jacht „Lobo“ Spanien entgegen. Langsam, o, so langsam ging es. Unbegreiflich langsam.

      Heino wunderte sich darüber und wagte eine Frage.

      Frau Espada lächelte, wie sie stets lächelte, wenn sie mit Heino Staufen sprach.

      „Wir haben doch keine Eile, gar keine Eile, und wo kann es denn schöner sein als auf dem Meer! Wir werden sogar noch tüchtig kreuzen, um den Aufenthalt unterwegs zu verlängern. Sie haben ja gleichfalls keine Eile und kommen immer noch zurecht.“

      Heino stand auf dem Sonnendeck und sein Blick flog verloren weit über das Meer hin. Die blonde Frau hatte sich wieder entfernt und er befand sich nun allein. Er war es gewöhnt, allein zu sein. Ricardo Espada saß meist unten in seiner Kabine in seine Arbeiten vertieft.

      Welcher Art die waren, wußte Heino nicht.

      Die blonde Frau hatte ihm nur erklärt, ihr Mann arbeite am liebsten während der Seefahrt, daheim wäre er lange nicht so tätig.

      Außer den Mahlzeiten sah ihn Heino Staufen wenig.

      Es war ihm aber nur angenehm, er fühlte sich in der Nähe des Spaniers niemals besonders wohl und empfand heimliche Scheu vor seinem tastenden verschleierten Blick.

      Heino seufzte, sein Herz tat ihm weh. Er dachte daran, daß er Elisabeths Bild zerrissen und die Fetzen ins Meer hatte hinunterfallen lassen. Aber auch ohne ihr Bild erblickte er sie immer wieder mit schmerzhafter Deutlichkeit.

      Auch jetzt war die blonde Lieblichkeit wieder da, forschte mit großen Augen: Mußte es sein, das böse Auseinandergehen, ohne ein letztes gutes Wort, ohne einen letzten warmen Händedruck? Mußte es überhaupt sein, daß du so weit von mir fortgegangen bist?

      Heino Staufen war es, als husche etwas an ihm vorbei.

      Er blickte nach links und sah den chinesischen Steward ganz in seiner Nähe. Und nun tappte er auch schon wieder auf ihn zu, der widerwärtige Mitleidsblick, der ihn so sehr an dem kleinen mageren Männchen störte.

      Er wollte seinen Platz wechseln, als es ganz leise an sein Ohr drang: „Großer Achtung vor der goldene Schnaps und die lange Tisch bei der Doktor. In das Meer ist viel Platz!“

      Heino stutzte und begriff den sonderbaren Satz nicht.

      „Was meinen Sie damit, Mann? Reden Sie, bitte, etwas deutlicher.“

      Er sagte es ziemlich laut in befehlendem Ton.

      Der Chinese tat, als verstände er keine Silbe, ja als höre er überhaupt nichts. Um seine Lippen hing das rätselhafte, geheimnisvolle Lächeln der Asiaten und mit hastigen Schritten glitt die kleine Gestalt davon.

      Heino Staufen hätte meinen können, alles wäre nur Einbildung gewesen, wenn es nicht immer noch allzu deutlich in ihm nachklänge: „Großer Achtung vor der goldene Schnaps und die lange Tisch bei der Doktor. In das Meer ist viel Platz!“

      Der eigentümliche Satz hatte zugleich etwas Komisches und Furchterregendes, so sinnlos er auch schien.

      Was für einen Tisch hatte der Chinese gemeint und vor allem, wer war der Doktor?

      Auf der Jacht befand sich doch gar kein Arzt.

      In einiger Entfernung ließ sich die blonde Frau eben in einem Liegestuhl nieder. Sie blickte zu ihm herüber und er wagte sich näher, wartete darauf, daß sie ihn anredete.

      Sie tat es, sprach begeistert von dem herrlichen Wetter.

      Er meinte: „Es ist doch eigentlich bedauerlich, daß Ihr Gatte die wundervollen Tage in der Kabine verbringt. Verzeihen Sie meine Neugier, gnädige Frau, wenn ich frage, welches Fach betreibt Ihr Gatte? Ich habe schon öfter darüber nachgesonnen, daß Privatgelehrter ein weiter Begriff ist. Er kann sowohl Historiker sein wie Ägyptenforscher, sowohl Botaniker wie Numismatiker. Es gibt ja so viele Wissenschaften und Interessengebiete.“

      Die blonde Frau sah fast stolz aus, als sie antwortete: „Mein Mann ist Mediziner, Herr Staufen.“

      „Großer Achtung vor der goldene Schnaps und die lange Tisch bei der Doktor. In das Meer ist viel Platz!“ schwirrte es alarmierend durch seinen Kopf.

      Sein Atem ward schwer, und er hätte nicht einmal sagen können weshalb. Der Satz des Chinesen war doch Unsinn, verdiente nicht, daß er darüber nachdachte.

      Weshalb würgte ihn nur mit einem Male gräßliche Furcht?

      „Fühlen Sie sich nicht wohl?“ fragte ihn die blonde Frau. „Sie sind plötzlich ganz blaß geworden.“

      „Das kommt nur von der ungewohnten Seefahrt“, erwiderte er hastig.

      Sie nickte nur und schien mit ihren Gedanken beschäftigt zu sein.

      Endlich hob sie den Blick zu ihm auf.

      „Sie sollten meinen Mann besuchen, ich glaube, Sie waren noch gar nicht in seinem Studierzimmer. So großartig benennen wir nämlich die Kabine, in der er arbeitet. Er äußerte zufällig gerade vorhin, Sie möchten sich doch einmal bei ihm sehen lassen.“

      Es war so etwas Harmloses und Einfaches, was ihm die blonde Frau vorschlug, aber Heino Staufen empfand es unangenehm.

      Er verspürte nicht die geringste Lust, jetzt Ricardo Espada aufzusuchen.

      Es war wie heimliches Widerstreben in ihm.

      Leider durfte er nicht mit einem schroffen „Nein“ antworten, durfte sich keine Unhöflichkeit zuschulden kommen lassen.

      Weil er kein zahlender Passagier war, sondern nur einer, den man aus Mitleid mitgenommen.

      „Gehen Sie doch gleich zu meinem Mann, er wird sich freuen“, drängte Frau Espada, „ich schließe mich an, wenn es Ihnen recht ist und melde Sie bei ihm an. Mein Ricardo ist manchmal ein bißchen zerstreut.“

      Schon erhob sie sich und ging ihm voran zur Treppe. Er konnte nicht anders als ihr folgen.

      Und er dachte, er durfte sich doch nicht von irgendeiner dumpfen, unklaren Stimmung unterkriegen lassen. Von einer Stimmung, die ihren Ursprung hatte in den geheimnisvollen Worten des Chinesen. Sinnlose, törichte Worte eines Narren, der vielleicht mühsam ein paar deutsche Brocken aufgegabelt und sie nun willkürlich zusammensetzte.

      Es war jetzt so wunderschön hier oben in freier Luft, es reizte ihn gar nicht, sich mit dem Spanier zu unterhalten.

      Schon ward die Tür vor ihm geöffnet und er hörte Frau Espadas Stimme sagen: „Hier bringe ich dir Besuch, lieber Ricardo.“

      Die Kabine des Spaniers war verhältnismäßig groß. Man sah einen kleinen Schreibtisch und mehrere niedrige Wandschränke mit Büchern.

      Eine Seite des Raumes war durch einen grünen Vorhang abgeteilt.

      Ricardo Espada war äußerst liebenswürdig, er brachte eine Flasche Likör herbei, nachdem er Platz genommen hatte.

      „Mögen Sie ein Gläschen? Es ist ganz famoses Mönchsgebräu. Ich selbst bin zur Zeit Antialkoholiker, weil ich mit einer sehr wichtigen Facharbeit beschäftigt bin und meine Frau trinkt nie etwas. Ich bitte Sie aber, auf uns keine Rücksicht zu nehmen und die Marke zu probieren.“

      Er schenkte ein feingeschliffenes Gläschen voll.

      Heino Staufen sah zu, wie der goldfarbene Likör schwer und ölig aus der Flasche in das Gläschen rann, und dabei hörte er wieder ganz deutlich die Stimme des Chinesen sagen: „Großer Achtung vor der goldene Schnaps und die lange Tisch bei der Doktor. In das Meer ist viel Platz!“

      „Kosten Sie nur einmal, Herr Staufen, danach werden Sie zugeben, es ist der beste Likör, der jemals über Ihre Lippen gekommen ist“, ermunterte ihn Ricardo Espada.

      Großer Achtung vor der goldene Schnaps!

      Hörte er es nicht überlaut? War es nicht, als wenn es die Stimmen von Riesen überlaut hinausbrüllten?

      Er wehrte mit mühsam erzwungenem

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