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wenn man es inzwischen doch herausgebracht hätte, wer das Geld fand!

      In der nächsten Sekunde kuschelte sich die Hand unter seinen Arm und die Stimme seiner Frau sagte: „Du hast vollständig recht, Robert, die Eigenheime sind häßlich, aber du kannst dir kaum vorstellen, wie rasch der Unternehmer die Scheusale los geworden ist. Ich dachte gerade heute daran, wie völlig anders die Kolonie aussähe, wenn du sie erbaut hättest.“

      Er hatte die jähe Angst längst abgeschüttelt und lächelte nun mit dem Ausdruck vollkommener Seelenruhe.

      „Und ob die Kolonie anders aussähe, wenn ich sie erbaut hätte! Wenn ich eine solche Kolonie erbauen dürfte, sie würde bildschön, würde ein Schmuck der Stadt.“

      Sie hatte leuchtende Augen und warf ihm entgegen: „Wenn du dürftest? Wer hat dir denn etwas zu befehlen, wer könnte es dir verbieten? Du bist dein eigener Herr, und wenn du etwas Geld besitzt, wie du mir erzähltest, dann probiere doch, das zu tun, was dich reizt.“ Sie war begeistert von ihrer Idee. „Solche Häuschen braucht unsere Stadt. Viele wünschen sich so ein eigenes Heim! Und wenn du nicht zu teuer, aber trotzdem geschmackvoll baust, würdest du die Häuschen schon im Rohbau los.“

      Sein alter Unternehmungsgeist war geweckt und kletterte frisch und munter blitzgeschwind zu höchsten Höhen empor.

      „Martheken, du hast mir eine Anregung gegeben, für die ich dir dankbar bin“, versicherte er strahlend, „ich glaube jetzt zu wissen, wie ich es anpacken muß, um wieder ganz obenauf zu kommen.“ Seine Augen unter den schweren Faltenlidern blitzten unternehmungslustig. „Martheken, paß mal auf, ich bringe es doch noch zu etwas, ich baue mich noch einmal reich, aber diesmal darf die Karre nicht wieder schief gehen.“

      Die schmale Frau sah ihn bittend an.

      „Ich glaube an dich und dein Können, Robert, ich glaube felsenfest daran. Sollte es aber doch geschehen, daß dir nicht alles nach Wunsch geht, sollte, was Gott verhüten möge, noch einmal die Sorge an dich herantreten, dann verlaß mich nicht wieder. Tue das nie wieder! Ein zweites Mal würde ich es nicht ertragen, ein zweites Mal ginge ich daran zugrunde.“

      Er reckte sich auf.

      „Lassen wir die Vergangenheit, liebste Martha, reden wir von unserer Gegenwart und von der goldenen Zukunft. Ich habe stolze Pläne und Ziele.“

      Die Frau lächelte.

      „Die böseste Zeit ist nun vorbei, du bist ja wiedergekommen!“

      „Die böseste Zeit ist nun vorbei!“ klang es in Elisabeth nach und ein paar Tränen tropften in ihren Schoß.

      Für sie fing die böseste Zeit nun erst an, sie hatte ja den Mann ihrer Liebe verloren.

      Doch an sie dachte die Mutter wohl eben nicht in ihrem übergroßen Glück.

      V.

      Die Nachricht, daß Robert Tann nach zehn Jahren völligen Verschollenseins urplötzlich wieder in der kleinen Stadt erschienen war, verbreitete sich mit Windeseile. Da aber damals alle Gläubiger zu ihrem Geld gekommen waren, gab es hier niemand, der noch mit irgendwelchen Ansprüchen an ihn hätte herantreten können.

      Stolz erhobenen Hauptes ging er durch die Straßen.

      Seine Kleidung entsprach allen Forderungen, die man hier im Durchschnitt an Solidität und Eleganz zu stellen gewohnt war, und sein hageres durchfurchtes Gesicht fand man interessant.

      Auch sorgte seine Frau dafür, daß man freundlicher mit ihm sprach, wie man während seiner langen Abwesenheit von ihm gesprochen.

      Sie erzählte jedem, der es hören wollte, sie wäre während der zehn Jahre seiner Abwesenheit stets davon unterrichtet gewesen, wo sich ihr Mann jeweils aufgehalten, sie hätten nur beide darauf gewartet, das Glück sollte ihm ein wenig lächeln. Auch wäre er mit ihrem Einverständnis fortgegangen, mit ihrem vollen Einverständnis, heute dürfe sie das ja ruhig zugeben.

      Das sprach natürlich zu Robert Tanns Gunsten.

      Er war in den Augen aller bis jetzt so etwas wie ein Bankerotteur gewesen, der sich, als sein Geschäft zusammenbrach, aus dem Staube gemacht hatte, jetzt aber verwandelte sich sein Bild. Man sah ihn anders. Er ward zum sorgenden Gatten und Vater, der in der Stunde der Not in die Fremde gewandert, um dort Geld zu verdienen, weil er den Seinen recht rasch zu helfen wünschte.

      Daß ihm sein Vorhaben nicht so schnell geglückt, wie er es gehofft, wer wagte es, ihn deshalb zu verurteilen?

      Niemand tat es mehr, niemand.

      Alte Geschäftsfreunde, die bisher in verächtlichem Tonfall von ihm geredet, erinnerten sich jetzt, er war damals doch ein ungemein tüchtiger Mensch gewesen, der was verstanden hatte, und als er zum Dämmerschoppen in „Deutsche Haus“ kam, wo er früher sooft mit seinen Bekannten zusammen gesessen, ward er mit freudigen Zurufen begrüßt.

      Er saß als wichtigste Person am Stammtisch und mußte erzählen von draußen, von der weiten, weiten Welt.

      Da mühten sich alle die Falten und Fältchen seines Gesichts, sich zu straffen, und die braunen Augen leuchteten auf in der Erinnerung an ein Abenteurerleben, das ihn nur durch Jämmerlichkeit und Niederungen geführt. Aber es erschien ihm jetzt, vom friedlichen Hafen aus, reizvoll und poetisch.

      Er schwadronierte: „Die Fremde ist bunt und reich, man möchte tausend Augen haben, um nur alles zugleich sehen zu können, was um einen herum ist. Was richtig leben und erleben heißt, das habe ich erst in der Fremde gelernt, und die Versuchung trat an mich heran in den verlockendsten Gestalten.“ Er tat lebemännisch. „Weiberchen gibt es da draußen, Weiberchen wie Bilder! Vor allem die Mexikanerinnen. Augen wie dunkle Feuerräder haben sie und einen Körper, so schmal und federnd, daß ihr Gehen wie heimlicher Tanz ist. Und wie klein sind ihre Füße und Hände! Es gibt nichts Schöneres als eine Mexikanerin.“

      Dann ward er elegisch.

      „Ich aber dachte stets an meine treue Frau und an mein Mädchen. Es war mein liebster Gedanke, mein Halt. Obwohl ich jeden Pfennig, den ich nicht für Lebensnotwendigkeiten ausgeben mußte, sparte, dauerte es lange, viel zu lange für meine Ungeduld, bis ich heimkehren konnte. Ich hatte oft Unglück, sehr oft. Aber ich verlor den Mut nicht, ich blieb willensfest.“

      Er lächelte selbstbewußt.

      „Endlich hatte ich ein nettes Sümmchen beisammen, endlich!“

      Er erschauerte plötzlich. Weshalb sah er nur mit einem Male ganz deutlich eine Stelle in einem Eichenwald, sah sich selbst dort in elendster Kleidung und fühlte die Schlinge eines Strickes in seiner Hand?

      Fort mit der Erinnerung, weit fort damit! Er hatte ja nichts mehr gemeinsam mit dem heruntergekommenen Selbstmörder, der einen passenden Ast für seinen Strick suchte und zwanzigtausend Mark fand, die ihm das Leben retteten.

      Er dachte nicht mehr an die düstere Szene im Stadtwalde, er war ganz durchdrungen von dem Wohlsein der Stunde.

      „Jetzt will ich wieder hier anfangen zu arbeiten“, lächelte er, „will wieder anfangen zu bauen.“ Er renommierte: „Vielleicht baue ich mir zuerst selbst ein nettes Villachen. Nicht allzu groß, denn ein Krösus bin ich leider nicht. Aber ein behagliches Haus muß es sein mit einer bequemen Autogarage.“

      Was brauchten die Kleinstädter zu wissen, daß seine Kasse ihm vorläufig weder eine eigene Villa, noch ein eigenes Auto erlaubte. Er wollte aber mit seinem Geld geschickt manöverieren, so daß er dann doch bald zur Villa und zum Auto kam.

      Er mußte es nur verstehen, sich Kredit zu verschaffen, dann gelang auch alles, was er vorhatte.

      Seine Zuhörer dachten: Er muß einen guten Batzen Geld heimgebracht haben, wenn er sofort an Villa und Auto denken kann.

      Alle tranken ihm zu. Man wollte sich gut mit ihm stehen, wollte liefern.

      Robert Tann lachte innerlich. Es ging alles ganz vorzüglich und nach seinen Wünschen.

      Am nächsten Tag umwanderte

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