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lachte sie seltsam trocken: „Mutter, weißt du es schon, Heino hat mir das Herz aus der Brust genommen und es zerdrückt. Jetzt habe ich kein Herz mehr.“

      Elisabeth ließ sich wie ein kleines Mädchen ins Bett bringen.

      Als der Arzt erschien, fand er die junge schöne Elisabeth Tann bereits in heftigen Fieberphantasien.

      Am nächsten Vormittag fand eine Haussuchung in der Wohnung von Martha Tann statt.

      Leonhard Mosbach hatte auf der Polizei angegeben, die Geliebte Staufens, Elisabeth Tann, schiene ihm sehr verdächtig. Sie wäre bei ihm gewesen, um ihn zu veranlassen, Staufen zu entlasten, und er meinte, es bestehe die Möglichkeit, sie hätte das Geld versteckt.

      Die Haussuchung, bei der die Beamten die denkbar größte Rücksicht auf die Kranke nahmen, verlief natürlich resultatlos und Elisabeth erfuhr erst davon, als sie wieder gesund war und aufstehen durfte.

      Sie wußte sofort, das war Leonhard Mosbachs Rache gewesen.

      Aber sie erfuhr noch mehr.

      Die Mutter wollte sie schonen, aber Elisabeth sagte: „Ich bin einmal unter meinem Leid zusammengebrochen, ein zweites Mal tue ich es dir nicht an, daß du dich um mich ängstigen mußt, du armes Muttchen. Ich kann alles hören, verlaß dich darauf, alles!“

      Die Mutter nahm Elisabeths Hand.

      „Frau Vollhard hat sich sehr eingehend nach deinem Befinden erkundigt während deiner Krankheit. Das schöne Obst da drüben auf der Kommode hat sie heute früh geschickt und die Blumen auch. Sie bestellte neulich Grüße von Frau Weilert, die dich besuchen wird, sobald du längere Zeit aufbleiben darfst.“

      „Wie nett die Damen zu mir sind“, sagte Elisabeth dankbar. „Wenn Frau Weilert kommt, werde ich sie bitten, mich wieder zu entlassen, weil Heino es nicht wollte, daß ich die Stellung annahm.“

      Sooft Elisabeth in den letzten Tagen nach Heino Staufen gefragt hatte, war ihr von der Mutter die Antwort geworden, die Verhandlung seines Falles stehe bevor, weiter wüßte sie nichts.

      Jetzt aber mußte Martha Tann die Wahrheit berichten.

      Sie erwiderte ein bißchen gepreßt: „Heinos wegen brauchst du eigentlich die gute Stellung nicht aufzugeben, ihm ist es wohl gleich, ob du es tust oder nicht.“

      „Wie meinst du das, Mutter, hat Heino von sich hören lassen? Sprich offen heraus. Schon‘ mich nicht mehr, sage mir die Wahrheit! Ich wiederhole dir, ich kann jetzt alles hören.“

      Sie fühlte es, irgend etwas, das mit Heino zusammenhing, verbarg die Mutter vor ihr.

      Martha Tann dachte verzweifelt: Wie entsetzlich schwer war es doch, einem geliebten Kinde Schmerz zufügen zu müssen.

      Aber sie sah keinen Ausweg. Elisabeth mußte einmal die Wahrheit erfahren.

      Wenn sie es jetzt unterließ, sie ihr mitzuteilen, bedeutete das nur einen Aufschub. Und die Ungewißheit über das Schicksal des Geliebten quälte Elisabeth doch. Sie glaubte ja, die Verhandlung gegen Heino stände noch bevor, sie fände erst statt, während sie doch schon vor drei Tagen stattgefunden hatte.

      Auch Elisabeth war als Zeugin geladen gewesen, aber durch ihre Erkrankung war sie von der Zeugenschaft befreit worden. Man glaubte, darauf verzichten zu können.

      Der Kommissar, mit dem Elisabeth gesprochen, hatte alles für sie geordnet.

      Nachdem sie noch ein Weilchen gezögert hatte, berichtete Martha Tann, daß die Verhandlung gegen Heino Staufen bereits vorüber war.

      Mit weitgeöffneten Augen sah Elisabeth die Ältere an.

      „Wie fiel das Urteil aus, Muttchen? Sprich schnell, die Ungewißheit martert mich. Nicht wahr, er wurde freigesprochen?“

      Unendlich drängend war die Frage.

      Martha Tann nickte: „Ja, mein Kind, er wurde, Gott sei Dank, freigesprochen, aber leider freigesprochen wegen Mangels an Beweisen.“

      Elisabeth lächelte, während ein tiefer Atemzug ihre Brust hob.

      „Das ist doch gleich, darauf kommt es doch wohl kaum an!“

      Die Ältere wußte nicht recht, was sie erwidern sollte. Endlich aber entschloß sie sich zur Antwort.

      „O doch, Liesel, der Beisatz ‚wegen Mangels an Beweisen‘ ist kein ganz glatter Freispruch. Es bleibt damit an dem auf diese Weise Freigesprochenen etwas hängen. Der Verdacht bleibt gewissermaßen bestehen.“

      Elisabeths noch eben so frohes Gesicht ward sehr ernst und nachdenklich.

      „So ist es aufzufassen! Es steht danach also in jedermanns Belieben, Heino für schuldig oder unschuldig zu halten. Das ist natürlich sehr traurig und sein Stolz muß darunter leiden.“ Sie lächelte schon wieder. „Meine Liebe soll es ihn vergessen machen. Vielleicht findet man den wirklichen Dieb aber doch noch. Ich meine den Menschen, der das Geld an sich genommen und unterschlagen hat. Heino und ich werden uns die größte Mühe geben, ihn aufzuspüren.“

      Martha Tann dachte, nun kam das Allerschlimmste für Elisabeth, nun mußte sie ihr die bitterste Wahrheit sagen.

      Sie sann, ob sie es nicht lieber wenigstens noch einen Tag aufschieben sollte?

      Aber was erreichte sie damit?

      Morgen würde es ihr genau so schwer werden, zu sprechen, wie heute, und verbergen konnte sie die letzte traurige Wahrheit doch nicht vor Elisabeth.

      Sie nahm wieder die Hände ihres Kindes.

      „Liesel, bitte, rege dich nicht auf, denke an mich und wie sehr ich mit dir leide, wenn ich dir jetzt das Allerschwerste mitteilen muß.“ Ihre Stimme bebte: „Heino ist nämlich gar nicht mehr in unserer Stadt. Gestern ist er abgereist.“

      „Woher weißt du das, Mutter, und wohin ist er gereist?“ stammelte Elisabeth mit verlöschendem Atem.

      Martha Tann erhob sich.

      „Gestern abend ist ein Brief von ihm an dich gekommen. Mit der letzten Post. Und da er nur sehr leicht und nachlässig verschlossen war, habe ich ihn geöffnet, Liesel. Nicht aus Neugier, nein. Sondern um dir gleich den Brief zu geben, falls er, was ich annahm, eine gute versöhnende Nachricht enthielt, und dir wenigstens nicht den Nachtschlaf zu rauben, wenn die Nachricht schlecht wäre.“

      Elisabeth saß ganz geduckt auf dem bequemen Sofa, saß so da, als fürchte sie, es wollte jemand einen Schlag gegen sie führen.

      „Gib mir den Brief, Muttchen“, bat sie, „und habe keine Angst, ich werde über alles wegkommen, du darfst und sollst meinetwegen nicht noch mehr leiden. Hast genug an deinem eigenen Leid zu tragen.“

      Martha Tann öffnete den obersten Kommodenkasten und zog unter allerlei Wäschekleinkram einen Brief hervor, den sie Elisabeth reichte.

      Ihr Herz war dabei übervoll vor Jammer und Mitgefühl.

      Sie setzte sich an das Fenster und wandte ihrer Tochter halb den Rücken. Sie sollte ganz ungestört die wenigen Zeilen lesen, die ihr für immer die schönste Glückshoffnung nahmen, sie vernichteten in Grund und Boden.

      Sie saß ganz still und blickte durch das Fenster hinaus.

      Vom vierten Stockwerk aus vermochte man weit zu sehen. Bis an den Tannenwald, der ein Stück mit der Bahnstrecke mitzog.

      Vor dem Wald streckte eine Fabrik ihre roten Schornsteine wie lange, von der Arbeit gerötete Arme gegen den Himmel und im Vordergrund drängte sich eine Gruppe von niedrigen Häuschen zusammen.

      Es war eine kleine Kolonie, die eine Baugesellschaft geschaffen, um auch einfacheren Familien den Besitz eines Eigenheims zu ermöglichen.

      Martha Tann dachte, solche Häuser zu bauen, das wäre eine lockende Aufgabe für ihren Mann gewesen.

      Er hätte sie sicher hübscher, bequemer und billiger herzustellen verstanden, wie diese Baugesellschaft.

      Ihre

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