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Modekönigin. Anny von Panhuys
Читать онлайн.Название Modekönigin
Год выпуска 0
isbn 9788711570500
Автор произведения Anny von Panhuys
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Sie hatte gefürchtet, Elisabeth mit tränenüberströmtem Gesicht zu erblicken, oder gar mit einer Ohnmacht kämpfend, und wunderte sich, wie scheinbar ruhig das Antlitz der Tochter aussah.
„Hast du den Brief noch nicht gelesen, Liesel?“ fragte sie sehr erstaunt.
Elisabeths Hände ruhten im Schoß, sie hielten den auseinandergefalteten Brief.
„Natürlich habe ich ihn gelesen, Mutter, aber dir fällt wahrscheinlich auf, daß ich nicht weine und mich nicht aufrege. Aber ich nahm mich zusammen. Mit aller Gewalt tat ich es.“ Sie seufzte. „Ich verstehe Heino nicht mehr, und ich sehe ein, es ist wohl richtig und gut, daß alles zwischen uns zu Ende ist.“
Wenn sie auch ruhig schien, merkte Martha Tann doch das Zittern ihrer Stimme, und als sie nun den Brief vor die Augen hielt, beobachtete die Mutter deutlich, wie die schmalen Finger dabei flogen.
Elisabeth las laut, als müsse sie sich jedes Wort einprägen:
„Nun bin ich freigesprochen, Liesel, aber nur wegen Mangels an Beweisen. Mosbach hat mich im Gerichtssaal laut einen Lumpen und Betrüger genannt, dazu paßt dieser Freispruch. Mit der Schande belastet, finde ich hier voraussichtlich keine Stellung mehr, deshalb habe ich mein Spargeld abgehoben und will damit ins Ausland, um dort mein Glück zu probieren. Wenn Du diesen Brief erhältst, bin ich schon unterwegs. Wir beide passen ja doch nicht zusammen, denn ich kann kein Mädchen liebhaben, das sich nach dem Talmiruhm sehnt, Modekönigin zu werden. Ich wünsche aber, dieser Wunsch möge Dir in Erfüllung gehen.
Und nun lebe wohl, Liesel, habe Dank für die schönen Stunden, die Du mir gegeben, und vergiß mich. Es lohnt nicht, an einen Menschen zu denken, der nur wegen Mangels an Beweisen freigesprochen wurde.
Gräme Dich nicht meinetwegen, denn ich habe Dich nicht mehr lieb, seit ich weiß, Du tatest doch, was ich nicht wollte.
Heino.“
Sie legte den Brief auf den Tisch.
„Ich habe ihn aber noch lieb, Mutter“, sagte sie leise, „doch meine Liebe ist wohl von anderer Art, wie die Heinos. Ich muß mit meinem Schicksal fertig werden. Ich muß, weil er es will.“ Aller Glanz in ihren Augen war erloschen. „Was soll ich aber tun, wie könnte ich mich wehren? Er schreibt, wenn ich den Brief erhalte, ist er schon unterwegs. Ich weiß ja nicht, wohin er ist. Wo sollte ich ihn finden?“
Martha Tann neigte den Kopf mit der demutsvollen Bewegung, die ihr dabei eigen war.
„Ja, Kind, du mußt dich in dein Schicksal ergeben. Frau Schulten hat heute morgen Frau Wille getroffen, bei der Heino Staufen gewohnt hat. Sie erzählte ihr, gestern nachmittag wäre er abgereist nach Hamburg. Er hätte gesagt, er fahre ins Ausland. Wohin? Das brauche niemand zu kümmern, denn es gäbe hier in der Stadt keinen einzigen Menschen, der Interesse dafür hätte. Darauf meinte Frau Wille, er hätte doch eine Braut. Er aber hat erwidert, er könne sich beim besten Willen nicht erinnern.“
Sie sah ihre Tochter voll Mitleid an.
„Es klingt nach Klatsch, aber es ist doch gut, wenn man Bescheid weiß.“ Sie lächelte zärtlich: „Du wirst ihn vergessen, Liesel, er verdient es nicht, wenn du dich seinetwegen grämen würdest.“ Sie lobte: „Du hörst das Traurige, was ich dir am liebsten vorenthalten hätte, aber auch so tapfer an, daß ich aufatme. Was glaubst du, Kind, was ich seit gestern abend durchgemacht habe, seit der Brief im Hause ist.“
Elisabeth preßte die Lippen aufeinander, damit ihnen kein Wehlaut entschlüpfen sollte. Sie empfand einen dumpfen ungeheuren Schmerz. Betäubend stark war er. Zu stark.
Und immer stärker wurde er, löschte ihr Empfinden aus, gab ihr Fügsamkeit.
Es klopfte draußen.
„Es wird Frau Schulten sein“, sagte Martha Tann und ehe sie öffnen ging, strich sie mit zärtlicher Hand über das leicht gelockte wundervolle Blondhaar der Tochter.
Es schlug eben elf Uhr.
Ja, es konnte nur Frau Schulten sein, dachte Martha Tann, alle anderen Leute klingelten.
Aber das Klopfen hatte so stark geklungen, so energisch. Seit der Haussuchung war sie nervös, fürchtete immer, die Beamten könnten wiederkommen.
Sie spähte durch das kleine Guckloch in der Korridortür hinaus und stürzte dann in die Stube zurück, als hätte sie ein Gespenst am hellen Tage gesehen.
Elisabeth erschrak, so erregt war das Mienenspiel der Mutter und ihre Stimme war heiser, ihr Atem keuchend, als sie hastig hervorstieß: „Ich bin schwer krank, Liesel, mein Geist ist verwirrt, denn denke nur, ich sah den Vater vor unserer Tür!“
Sie flog an allen Gliedern.
Elisabeth war plötzlich von großer Angst erfüllt. Die fixe Idee der Mutter artete aus und sah Wahngebilde. Sie fürchtete für ihren Verstand.
Aber geklopft hatte jemand, denn sie hatte es ebenfalls gehört.
So ruhig, wie es ihr nur möglich war, sagte sie: „Ich werde mich überzeugen, wer draußen ist, Muttchen, denn du hast dich sicher geirrt.“
Sie ging langsam, noch von der Krankheit müde und erschöpft, auf den kleinen Vorplatz hinaus.
In diesem Augenblick klopfte es wieder, aber noch bedeutend stärker als das erstemal.
Elisabeth öffnete und ein paar Schritte hinter ihr lehnte die Mutter an der Wand, beide Hände auf das sich wie wahnsinnig gebärdende Herz gedrückt.
Jetzt wich die Tür zurück und der Klopfende ward sichtbar.
Es war ein mittelgroßer schmaler Herr. Auf seinem Gesicht hatten viele Leidenschaften ihre Runen eingezeichnet, aber seine unter starken Lidern ruhenden braunen Augen blitzten unternehmungslustig, als er nun, den Hut ziehend, der neu und elegant war, wie seine übrige Kleidung, sehr höflich sagte: „Ich erfuhr auf Erkundigungen, daß hier Frau Martha Tann und ihre Tochter Elisabeth wohnen, und möchte beide gern sprechen.“
Das junge Mädchen wollte erwidern: „Ich bin Elisabeth Tann!“ Aber sie kam nicht dazu, denn die Mutter stürzte an ihr vorbei, schrie jauchzend auf: „Du bist es, du bist es wirklich! Also habe ich recht gehabt, daß ich so lange auf deine Wiederkehr gewartet habe.“
Schon lag sie an der Brust des Mannes und schluchzte vor Freude laut auf.
Robert Tann drängte sie mit sanfter Gewalt in das Zimmer, sonst hätte es draußen im Hausflur ein Schauspiel für die Nachbarn gegeben.
Elisabeth schloß sacht die Tür.
Es schoß ihr durch den Kopf, wie seltsam das doch war: Ihr Vater, dessen Rückkehr ihr das Unglaubwürdigste der Welt schien, tauchte urplötzlich wieder auf, so plötzlich, wie er eines Tages verschwand, und Heino Staufen, den sie noch vor kurzem für das ganze Leben festzuhalten geglaubt, war so jäh daraus fortgegangen, als sei Liebe nur ein müßiges Spiel, das man jederzeit beenden kann.
Sie stand in der Küche und hing ihren Gedanken nach.
Von nebenan hörte sie das Lachen der Mutter und die Stimme erschien ihr fremd, weil das Lachen so jung, so leicht und unbeschwert klang. Wie vollgesogen von Sorglosigkeit und Glück.
Elisabeth setzte sich auf den Holzstuhl am Küchentisch und stützte den wirren, schmerzenden Kopf in die Hand.
Heino war abgereist ins Ausland, sie würde ihn wahrscheinlich niemals wiedersehen, und ihr Vater hatte den Weg in die Heimat gefunden.
Der Gedanke dünkte ihr befremdend, daß der Vater wieder da war.
Sie freute sich nicht.
Sie konnte es nicht, weil der Vater die Mutter so lange in Gram und Leid auf sich hatte warten lassen.
Sie vernahm lebhaftes Sprechen der Mutter und dazwischen ab und zu eine Männerstimme. Es war die Stimme ihres verschollenen, von ihr totgeglaubten Vaters.
Sie