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      „Nanu, wer kommt denn da schon?“ murmelte er verwundert.

      Seine Angestellten pflegten doch nicht zu klopfen und es war auch noch gar nicht so spät, daß er sie erwarten konnte.

      Er rief laut „Herein!“ und riß die Augen auf, als nun ein wunderschönes Mädchen zur Tür hereinspazierte.

      Leonhard Mosbach schritt ihr entgegen und erkundigte sich mit ganz besonderer Höflichkeit nach den Wünschen der frühen Besucherin.

      Elisabeth blickte den sehr kleinen, auffallend breitschulterigen Mann bittend an.

      „Herr Mosbach, wenn Sie ein wenig Zeit hätten, wäre ich Ihnen für eine kurze Unterredung sehr dankbar“, begann sie.

      Sie hatte sich den Satz der Einleitung vorher zurechtgelegt.

      Mosbach erwiderte galant: „Für schöne junge Damen habe ich immer etwas Zeit übrig.“

      Er öffnete vor ihr die Tür zu seinem Privatkontor, das ziemlich nüchtern, aber bequem eingerichtet war.

      Die Glanzstücke darin waren ein riesiger Schreibtisch und zwei braunlederne Klubsessel.

      In den einen davon nötigte er die Besucherin, in dem anderen nahm er selbst Platz. Er blickte Elisabeth unaufhörlich an und begriff nicht, daß es so wunderschöne Menschenkinder gab, wie diese junge fremde Dame, die ihn anscheinend kannte, weil sie ihn gleich mit seinem Namen angesprochen.

      Elisabeth holte tief Atem.

      „Ich heiße Elisabeth Tann, und ich habe mir erlaubt, Sie aufzusuchen, Herr Mosbach, um mit Ihnen über Heino Staufen zu sprechen. Ich möchte Sie nämlich so recht, recht sehr bitten, alles aufzubieten, damit ihm kein weiteres Unrecht zugefügt wird.“

      Leonhard Mosbach blickte sehr interessiert.

      Dieser vermaledeite Gauner Staufen hatte Glück, dachte er, daß ein so entzückendes Mädchen für ihn bat.

      „Was kann ich für Sie tun?“ fragte er und betonte das „Sie“ besonders. „Für Staufen rühre ich keinen Finger, er ist ein Dummkopf. Wenn ich auch der Geschädigte bin, ärgert es mich fast, wie blöde er die Geschichte angefangen hat.“

      Elisabeth schüttelte den Kopf.

      „Sie irren, Herr Mosbach, Heino ist kein Betrüger. Und Sie selbst müßten doch davon am meisten überzeugt sein. Er arbeitet doch seit drei Jahren in Ihrem Geschäft.“

      Mosbach lächelte ein wenig, seine wulstigen Lippen zogen sich dabei in die Breite.

      „Das sagt gar nichts! Und wenn er zehn Jahre in meinem Geschäft gearbeitet hätte! Man kennt doch seine Angestellten nicht. Was weiß ich, was für aufrührerische Gedanken die Leute haben, die mir grundbrave Biedermänner vormimen. Wissen Sie, zwanzigtausend Mark sind kein Pappenstiel, und wenn einer Gelegenheit hat, soviel Geld an sich zu bringen, bezweifle ich nicht, daß er es tut. Auch Staufen traue ich es zu.“

      Elisabeth richtete sich etwas auf.

      „Das dürfen Sie aber nicht, Herr Mosbach, nein, das dürfen Sie nicht. Heino Staufen ist grundehrlich, er würde nicht einmal eine Stecknadel unterschlagen.“ Ihre Stimme ward eindringlich: „Sie könnten ihm Ihr gesamtes Vermögen anvertrauen, es wäre sicher und gut bei ihm aufgehoben.“

      „Nun, den Beweis dafür hat er erbracht, nicht mal die Zwanzigtausend waren bei ihm sicher“, erwiderte Leonhard Mosbach etwas ärgerlich. „Der Himmel erhalte Ihnen Ihre Kindlichkeit.“ Er nahm eine väterliche Miene an. „Nun reden Sie aber mal: Warum legen Sie sich für Staufen so ins Zeug? Er ist Ihr Liebster, nicht wahr?“

      „Er ist mein Bräutigam, Herr Mosbach, wenn wir auch nicht öffentlich verlobt waren“, entgegnete sie, „und ich darf es nicht dulden, daß man ihn einer gemeinen Handlung beschuldigt.“

      Ihr fiel es selbst auf, wie schroff ihre Antwort geklungen und sie dachte, wie töricht von ihr, sich so gehen zu lassen, sie wollte sich doch mit Mosbach gut stehen. Er konnte doch am meisten für den Geliebten tun.

      Sie fuhr ganz klein und bittend fort: „Wenn Sie bei der Polizei gut von Heino Staufen sprechen, Herr Mosbach, wird man den Verdacht gegen ihn fallen lassen.“

      Leonhard Mosbach antwortete nicht gleich, aber er blickte das Mädchen, das ihm gegenüber saß, nur durch ein kleines Tischchen von ihm getrennt, mit verlangenden Augen an.

      Ein wundervoll schöner Schmetterling war ihm an diesem Sommermorgen in sein nüchternes Kontor geflogen.

      Leonhard Mosbach war fünfzig Jahre, er hatte das gutgehende Geschäft vom Vater geerbt, es durch eisernen Fleiß bedeutend vergrößert, sich aber nie viel Zeit genommen, an sein persönliches Vergnügen zu denken.

      Seine Frau war dick und gehörte zu jener unangenehmen Klasse der Weiblichkeit, die sich stets beleidigt fühlt, und er amüsierte sich manchmal ein bißchen in Berlin mit Kellnerinnen und Bardamen dritter Ordnung, fühlte sich dann als Lebemann.

      Jetzt durchzuckte ihn der Gedanke, es müsse tausendmal angenehmer sein, so ein wundervolles Geschöpf wie Elisabeth Tann in den Arm nehmen und küssen zu dürfen.

      Er nahm einen sehr freundlichen Ton an, wechselte aber das Thema.

      „Sie heißen Tann, wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe. Sagen Sie, sind Sie irgendwie mit dem früheren Bauunternehmer Robert Tann verwandt?“

      Elisabeth neigte leicht den Kopf.

      „Ja, ich bin seine Tochter. Aber ich weiß gar nichts von meinem Vater, er ist verschollen.“

      Mosbach dachte: Also die Tochter des Bankerotteurs war sie! Er durfte danach wohl annehmen, daß sie nicht gerade auf Rosen gebettet war.

      Er lächelte: „Ich kaufte neulich die frühere Villa Ihres Vaters und werde sie im Herbst beziehen. Das ist doch interessant, nicht wahr?“

      Elisabeth fand die Mitteilung nicht im mindesten interessant. Ihr schien der Gedanke eher häßlich, daß dieser plumpe unangenehme Mensch das Haus bewohnen würde, in dem sie ihre sorglosen Kinderspiele gespielt.

      Sie erwiderte dennoch: „Gewiß, das ist sehr interessant.“ Dann aber sprang sie auf das alte Thema zurück, behielt den ergebenen, bittenden Ton von zuletzt bei.

      „Sie waren hoffentlich niemals unzufrieden mit Heino Staufen, Herr Mosbach, nicht wahr? Oder doch? Bitte, seien Sie ehrlich. Ich wäre Ihnen sehr, sehr dankbar für Ihre Antwort.“

      Mosbach schmunzelte.

      „Ihre Dankbarkeit möchte ich mir schon verdienen, Fräulein Tann. Also, ich war sogar sehr zufrieden mit ihm.“

      Elisabeth atmete ein wenig freier.

      „Nun, Herr Mosbach, wenn das der Fall ist, dürfen Sie auch kein Mißtrauen gegen ihn hegen. Sie müssen ihn entlasten. Wenn Sie auf der Polizei erklären, Sie glauben, Heino Staufen hat den Umschlag mit dem Geld tatsächlich auf die Weise verloren, wie er angibt, wird er freigegeben werden. Und wenn es der Polizei nicht gelingt, den Menschen aufzuspüren, der das Geld fand und unterschlug, werden Heino und ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, ihn aufzuspüren. Irgend jemand muß doch das Geld haben.“

      Auf Leonhard Mosbachs Stirn lag eine dicke Falte der Mißstimmung.

      „Sie muten mir ein wenig allzu viel Nächstenliebe zu von der Sorte, wenn mir jemand einen Schlag auf die rechte Wange gibt, müsse ich ihm die linke auch hinhalten. Sie muten mir, klarer gesprochen, ganz einfach eine Dummheit zu. Ich habe doch vorgestern nachmittag, als man mich auf die Polizei rief, erklärt, ich hätte es zwar niemals geglaubt, daß mich Staufen derartig beschwindeln könnte, so gemein, so niederträchtig, aber ich habe auch zugleich erklärt, ich bezweifle keine Sekunde, daß er das Geld unterschlagen hat und seine Erzählung Schwindel ist.“

      Er rieb seine breiten Hände, die wie Schaufeln waren, energisch aneinander.

      „Wenn ihn die Polizei mürbe macht, ihn ordentlich in Angst jagt mit ihrem Ausfragesystem,

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