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seiner außerordentlich schönen Gattin gerettet worden war. Und Antonietta, die Tochter dieses Mannes hatte sich, wie Sepp es ahnte, in einen kaiserlichen, österreichischen Offizier verliebt, würde ihn heiraten und vielleicht gar ihren Wohnsitz in Sepps Vaterstadt, in Wien, nehmen. Schwer vermißte er hier im ungarischen Tiefland die sanften Hügel des Wiener Waldes, die Föhrenwälder um Mödling. Dort lag sein geliebter Garten. Dort stand sein Häuschen, das er an Sommergäste vermietet hatte, um in den Dienst der Baronin zu treten. Hier in Ungarn gab es eine heißere, gnadenreichere Sonne, eine fruchtbarere Scholle, doch Sepp sehnte sich zuweilen unbändig nach der Heimat. Und diese Sehnsucht lag ihm wohl von seiner Mutter her im Blut.

      Baronin Teresa hatte, nach einen Umweg über die Küche, in welcher die Mehlspeisköchin Torten mit kunstvollen Glasuren herstellte, an die Zimmertüre Don Carlos geklopft, und hatte ihn bei einer Pfeife gewöhnlichen Knasters und der Lektüre des Seneca überrascht. Er erhob sich und bot ihr den Platz in seinem Lehnstuhl an, aber sie zog für sich ein Tabouret herzu und setzte sich ihm gegenüber. Er merkte an ihrem Schweigen, daß sie etwas auf dem Herzen hatte.

      „Un affare serio“, sagte sie endlich, „eine ernste Sache, cugino! Wenn Falco noch ein Jahr bei Stasia bleibt, wird kein richtiger Mensch aus ihm. Er ist jetzt schon ein kleines Ungeheuer.“

      „Ebbene. So müssen wir eben einen Menschen aus ihm machen! Einen Menschen, der auf den Namen Casalanza Anspruch erheben darf. Soweit das bei einem Sohne Stasias möglich sein wird.“

      „Du hast eine Antipathie gegen Stasia ...“ „Bada! Sie ist Kwiecinskis Schwester. Schau dir doch den lieben Casimiro an! Un’ affarista! Ein Nutznießer und Schmarotzer! Ein Haus der Wohlfahrt, wie das deinige, zieht solches Gelichter an. Ich sehe dich und Antonietta ungern in dieser Gesellschaft. Antonietta, das unschuldige Kind.“

      „Willst du ihren Ehebund segnen, cugino?“

      „Mit dem blonden Oberlieutenant?“

      „Baron Lambrecht.“

      „Ich ahnte etwas. Warum muß es ein Offizier sein und noch dazu ein Tedesco? Ich weiß, was du entgegnen willst: tadellose Familie, etwas Vermögen, in Wiener Neustadt akademisch ausgebildet, strenge Zucht, gute Manieren, alles recht gut, aber doch — ein Fremder.“

      „Antonietta liebt ihn.“

      „Sie könnte es sich doch noch überlegen.“

      „Soll ihr das Herz brechen? Ich will nicht, daß mein Kind unglücklich wird.“

      „Es ist die erste Liebe. Das gibt sich.“

      „Gerade die erste Liebe opfert man am schwersten und vergißt man niemals.“

      „Teresa?“

      „Wir sind darüber hinaus, doch möchte ich sorgen, daß wenigstens Antonietta das Glück in ihrer Liebe finde.“

      III.

      Der junge Bernhard Bálint schämte sich, weil sein rechter Rockärmel aufgetrennt war. Man würde es bemerken, wenn er den Violinbogen führte. Er hatte nicht die Mutter bitten können, den Schaden auszubessern, denn sie lag krank danieder. Als er das Haus verlassen hatte, war sie von einem Schwarm teilnehmender Frauen umgeben gewesen. Es war ihm kaum gelungen, einen Blick von ihr zu erhaschen, einen Blick aus seltsam gläsernen, starren Augen.

      Bernhard vergaß den schadhaften Rockärmel, als er die Geige, die ihm der junge Baron Amadé anvertraut hatte, zu stimmen begann. Was war das für ein Instrument! Er strich andächtig über die Saiten, lockerte die Saite mit dem rechten Zeigefinger, zog sie wieder etwas an, wagte eine Tonleiter, die in ein zart gehauchtes Flageolett ausklang, dann ein paar Doppelgriffe, die er mit kurzen, kräftigen Bogenstrichen brachte.

      Wie jeder Ton ansprach! Zärtlich klemmte er die Geige fester zwischen Brust und Kinn und empfand die Berührung mit dem edlen, kühlen Holz an seiner Wange, wie ein unaussprechlich süßes, traumhaftes Glück.

      Die Malacz-Zigeuner zupften und klimperten leise auf ihren Instrumenten. Die prächtige Umgebung, in der sie sich befanden, schüchterte die jungen Burschen ein, obwohl sie unter sich waren und die Herrschaften noch drüben im Speisesaal tafelten.

      „Achtung!“ sagte Bernhard plötzlich und begann mit breitem, synkopiertem Aufstrich das gravitätische Lassu-Motiv eines Csárdás zu spielen, in welches sogleich Geigen, Bratsche, Baßgeige und Cymbal einfielen.

      Antonietta hatte am Arme eines Infanterieoffiziers den Saal betreten und stand mit ihm in einer Hecke blühender Kamelien. Die Liebesleute waren gleich groß, doch das hohe, schlanke Mädchen schien den etwas untersetzten und in seine Paradeuniform eingeschnürten Oberleutnant fast zu überragen.

      Kasimir Kwiecinski, der ihnen aus Neugier gefolgt war, klatschte in die Hände: „Tableau! Adam und Eva vor dem Sündenfall im Paradiese!“ „Wenn diese Bezeichnung uns gelten sollte“, entgegnete der Oberleutnant, „so bitte ich Sie, Herr von Kwiecinski, einen geschmackvolleren Vergleich zu wählen!“

      „Aber mille pardons, Herr Oberlieutenant! Teuerster Herr Baron Lambrecht! Wer wird denn so empfindlich sein? Man darf sich doch einen kleinen Witz erlauben unter Verwandten oder solchen, die es werden wollen?“

      „Möchten Sie mir diesen neuerlichen Witz — unter vier Augen — erklären?“ — „Ich nehme ihn retour, Baron! Herr Oberlieutenant, ich revoziere!“ rief Kwiecinski eifrig, denn in Lambrechts Zügen hatte es gewetterleuchtet.

      Der Saal begann sich zu füllen und es bildete sich ein Kreis von Zuhörern vor dem Musikpodium.

      „Dürfen wir den Tanz eröffnen?“ frug Antonietta ihre Mutter.

      „Aber mit einem Walzer!“ bat Lambrecht und klopfte dem jungen Bálint auf die Schulter: „He, können Sie einen Walzer spielen?“

      „O ja, wenn Sie ihn mir gefälligst vorpfeifen.“

      Und der Oberleutnant pfiff einen jener ersten, zärtlichen Walzer von Johann Strauß Sohn. Bernhard dankte und begann zu spielen. Er war nicht mehr der scheue gedrückte Zigeunerjunge. Ganz unbefangen stand er dort oben und beherrschte sein kleines Orchester mit Blicken und Zeichen. Aufhorchend, gleichsam tastend, begleiteten ihn die Malacz-Zigeuner. Jetzt hatten sie auch die Staccato-Stellen des zweiten Walzermotives begriffen. Das dritte folgte, in einem altertümlichen Ländlerrhythmus. Nach der Coda klang wieder das Hauptmotiv auf, unendlich zart, wie die Erinnerung an vergangenes Glück. Vibrierend glitten Bernhards Finger in die hohen Lagen der E-Saite und die Töne waren wie singendes Licht.

      „Für diesen Jungen muß etwas geschehen!“ rief Teresa, lebhaft applaudierend. „Wir sollten ihn zu einem Meister nach Wien schicken!“ „Ja, an das Wiener Konservatorium. Ich beantrage eine Kollekte“, pflichtete Lambrecht bei und warf zwei Dukaten auf eine Silberschüssel, die er den Gästen der Reihe nach präsentierte.

      „Ich habe meine Geldbörse nicht bei mir“, entschuldigte sich Stasia.

      „Hier ist mein Obolus. Honny soit, qui mal y pense“, krähte Kwiecinski, der ein Viertelguldenstück in die Schüssel fallen ließ.

      „Meine Mutter unternimmt solche Dinge gern ohne die Mitwirkung anderer“, flüsterte Béla, hinter Lambrecht tretend. Der Oberleutnant wurde rot. Um nichts in der Welt wollte er sich die Gunst seiner zukünftigen Schwiegermutter verscherzen. „Übrigens“, lächelte Béla, „übrigens haben Sie mir einen guten Gedanken eingegeben ... Ich schenke dir die Geige Bernhard.“

      „Die Geige? ...“ stammelte der Knabe.

      „Ja. Du kannst sie behalten.“

      Jetzt nahm der allgemeine Tanz seinen Anfang. Die Sporen der Offiziere klirrten. Das Licht der Wachskerzen schimmerte auf den spitzenbesetzten Seidenroben, auf den Brillanten in den Chignons der Damen. Schwere Schleppen, mit einem Gewirr von Falbeln und Rüschen, glitten halb hoch genommen über das spiegelglatte Parkett. Stasia’s Dekolleté, das erheblich gewagter war, als der übliche Courausschnitt, bedeutete für die jungen Leutnants ein Erlebnis.

      Als sich

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