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geschult war. Alle seine Gestalten wirken körperlich, nicht planimetrisch flächenhaft wie bei Gozzoli, weil Verrocchio die plastische Herausarbeitung der Formen gelehrt hatte. Der Faltenwurf seiner Gewänder wie die antiken Denkmale und antiken Ornamente, die er im Hintergrund und als schmückenden Zierat anwendet, sind von klassischer Stilreinheit, weil er Rom gesehen und seit dem Bekanntwerden von Mantegnas Kupferstichen das Studium der Draperiemotive auch in Florenz systematisch betrieben worden war. Manchmal überrascht er sogar durch intime Details, durch Blumen und Tiere – weil durch Hugo van der Goes der Geschmack für diese Dinge geweckt war. Ghirlandajo hat das ganze Kunstkapital, das die Zeit zusammengebracht hatte, verwertet, sich alles zu Nutzen gemacht, was die großen Forscher ergründet hatten. Das erhebt ihn über Gozzoli, zeigt aber zugleich, daß er – ganz wie Gozzoli – einen Abschluß bedeutet. Denn so oft eine Kunstepoche ihrem Ende entgegengeht, folgen auf die Eclaireurs die Profiteurs, die statt Neues zu erstreben das Erreichte zusammenfassen.

      Auch sonst war auf der Bahn Ghirlandajos kein weiterer Schritt möglich. So sehr man ihm Dank weiß, daß er das Bild jenes großen Zeitalters dokumentarisch treu überlieferte, ist doch die Frage, ob, wenn zeitgenössische Modenbilder gegeben werden sollen, dazu die Johannes- und Marienlegende der geeignete Vorwand ist. Kirchliche Stimmung ist in seinen Bildern nicht mehr zu finden. Der letzte Rest von Heiligkeit, den das Quattrocento noch bewahrt hatte, ist abgestreift. Selbst die Franzlegende, die Giotto in so feierlichem Ernst gemalt, wird unter Ghirlandajos Händen eine Schilderung kirchlicher Ceremonien und architektonischer Scenerien. Der Veronese des Quattrocento, hat er die biblischen Stoffe mehr verweltlicht, als es einer seiner Vorgänger gethan. Selbst über Gozzolis Werken liegt noch Märchenstimmung, ein gewisser ländlich patriarchalischer Hauch, der zu den biblischen Themen paßt. Bei Ghirlandajo sind sie reine Salonscenen, mondäne Gesellschaftsstücke geworden. Durch sein bekanntes Wort »er bedaure, nachdem er diese Art Kunst beherrschen gelernt, nicht die ganzen Stadtmauern von Florenz bemalen zu können«, hat er selbst verraten, wie rein äußerlich er seinen Beruf auffaßte.

      Seine Altarbilder, obwohl sie die Figuren weniger ins Moderne übersetzen, liefern dazu den logischen Kommentar. Sie sind tüchtig, aber prosaisch, nüchtern und derb. Als gewiegter Geschäftsmann trieb er die Anfertigung von Altarwerken rein fabrikmäßig, wies keinen Auftrag zurück, aber ließ ihn in seiner Werkstatt erledigen. So erklärt sich, daß seine Werke weder psychische Qualitäten noch koloristische Reize haben. Schreiende rote und blaue Farben stehen, wie sie aus der Tube kommen, hart nebeneinander. Bilder, die für Fiesole Seelenbekenntnisse waren, sind für Ghirlandajo Geschäftsartikel, die er mit Hilfe von Gesellen schlecht und recht in seiner Bottega herstellt.

      Und man begreift wohl, daß in einem Zeitalter, das keine christlichen Ideale mehr hatte, dessen feine Geister ins Land der Hellenen gepilgert waren, die religiöse Malerei diesen mondänen oder rein fabrikmäßigen Anstrich bekommen mußte. Man findet es imposant, daß eine Weltanschauung, die keinen christlichen Himmel mehr kannte, sich mit solcher Unbefangenheit ausspricht. Aber man versteht zugleich, daß bei dem Fonds von Religiosität, der noch immer vorhanden war, gerade auf eine Kunst wie die Ghirlandajos die allerschärfste Reaktion folgen mußte.

       Geschichte der Malerei: Band 2

      Inhaltsverzeichnis

       I. Die kirchliche Reaktion.

       1. Savonarola

       2. Piero di Cosimo

       3. Botticelli

       4. Filippinu Lippi

       5. Die religiöse Säkularstimmung

       6. Crivelli

       7. Perugino

       8. Bellini

       9. Memling

       10. Leonardo

       II. Die germanische Malerei des Reformationszeitalters.

       11. Der Anschluß an Italien

       12. Die Niederländer

       13. Die Kölner

       14. Dürer

       15. Franken und Bayern

       16. Elsaß und Schwaben

       17. Holbein

      I. Die kirchliche Reaktion.

      Inhaltsverzeichnis

      1. Savonarola

      Inhaltsverzeichnis

      »Man kann nicht wissen, was das Morgen bringt.« Lorenzo selbst sollte es noch erfahren. Als er am Schlusse seines Lebens die »Laudi« dichtete, war eine seltsame Wandlung in ihm vorgegangen. Der übermütige Sänger der Karnevalslieder erörtert die düsteren Probleme des Menschenschicksals, fragt nach dem Wozu des Lebens, spricht von den bösen Stunden innerer Leere, von dem bleichen Grauen, das die Seele packt. In einem solchen Moment innerer Leere mag es gewesen sein, daß er hinüberschickte von seinem Krankenbett in der Villa Careggi nach dem Kloster von San Marco, um den Dominikanerprior Girolamo Savonarola zu sich zu bitten, daß er ihm Trost bringe und die Absolution erteile. Savonarola kommt. An dem Sterbelager des Lieblings der Grazien steht die düstere Gestalt des Mönchs von San Marco. Lange steht er, schweigend, ein ernstes drohendes Phantom durchbohrt mit seinem Falkenauge den Sterbenden. Wendet sich ab, geht – ohne zu verzeihen.

      Und die Jahre des theokratischen Regiments brechen an. Der Platonismus der aristokratischen Kreise hatte das Gemüt nicht ausfüllen können. Es herrschte Uebersättigungsstimmung nach all der Schönheitstrunkenheit, glühendes Heilsverlangen nach all den weltlichen Freuden, puritanischer Fanatismus nach all dem Sinnenkult, dem genußfrohen Epikuräertum von früher. Savonarola gehörte zu den seltenen Männern, die zu ihrer Stunde kommen. Dasselbe kleine Kloster von San Marco, wo zu Fiesoles Zeiten der heilige Antonin gewirkt, warf sich von neuem zum Bollwerk des Christentums auf. Jene Ideen von Askese und Weltverneinung, die damals nur in engen Mönchskreisen ihr Dasein fristeten – Savonarola trug sie wieder in die leidenschaftlich erregten Massen hinaus. Den lockenden Idealen des Altertums, dem Sirenensang der Sinnenfreude und antiken Schönheit trat die Macht der tausendjährigen kirchlichen

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