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Gelegenheit zu mannigfachen Stellungen und reichem Muskelspiel. Einige der Henker, die sich bücken, um ihren Bogen zu spannen, thun es mit solchem Eifer, daß man sieht, wie ihre Adern schwellen. Wie in Bronze ciseliert sind ihre Sehnen, die Haare und die Falten ihres Gesichts. Aus dem gleichen Grund fügte er die Gestalt des Herkules seinem Repertoire hinzu. Er malte die Thaten des Herkules in einer Reihe dekorativer Bilder des Palazzo di Venetia. Er malte die Doppelbildchen der Uffizien »Herkules, den Antäus und die Hydra würgend«. Wie in diesem Antäusbild Herkules' Fußsohlen an der Erde sich festsaugen, wie seine Waden schwellen, wie er die Brust zurückwirft, mit welch erdrosselnder Kraft er seinen Gegner umkrallt, ist wieder ein Triumph der Bewegung und des Nackten. Selbst in der kleinen Tafel der Londoner Nationalgalerie, »Apoll und Daphne«, ist das Thema in diesem Sinne gewählt. Ein elastischer Jünglingsleib, ein herber Mädchenkörper, dieser verfolgend, jener fliehend – ein Kompendium schwieriger Bewegungsmotive und anatomischer Studien. Neben der Anatomie des Menschen beschäftigte ihn die des Pferdes. Zeugnis ist die Münchener Skizze für ein Reitermonument, die lange als Werk des Leonardo galt. Man versteht, daß die Künstler staunend vor solchen Werken standen. Denn kein Florentiner vor Pollajuolo war dermaßen in das Gefüge des Menschen- und Tierkörpers eingedrungen.

      Was bei Pollajuolo noch experimentierend war, erhebt sich bei Signorelli zu ruhiger Meisterschaft. Nachdem Mantegna und Pollajuolo die Bewegungsgesetze des nackten Körpers festgestellt, kann Signorelli noch einen Schritt weiter gehen: Bewegungen der Seele durch Bewegungen des Körpers ausdrücken. Also das Verbindungsglied zwischen Mantegna und Michelangelo.

      Signorellis Thätigkeitsfeld umfaßte alles. Er hat für alle Städte Toskanas und Umbriens Altarbilder gemalt, und schon diese zeigen ihn als ernsten männlichen Meister. Wie Mantegna kennt er keinen weichen Lyrismus. Seine Bilder sind schroff und herb, beinahe unwirsch und gewaltsam. Er liebt harte Köpfe, Profile von der Schärfe des Rasiermessers. Doch am allermeisten liebt er das Nackte, weniger das Weiche des Frauenkörpers als die sehnige Magerkeit des Jünglings. Nicht, weil die Legende ihn reizte, nur um die Pracht des nackten nervigen Menschenleibes zu feiern, malte er die Erziehung des Pan. In allen Bewegungen sind die nackten Figuren dargestellt. Man sieht sie von vorn, im Profil vom Rücken. Die einen stehen, die anderen sitzen, einer liegt. Ein ähnlicher Gesichtspunkt bestimmt ihn bei der Wahl seiner biblischen Stoffe. Die Taufe Christi ist ihm ein lieber Gegenstand, da sie gestattet, in den Gestalten der Täuflinge nackte Körper in verschiedenen Stellungen zu geben. Doch ebenso lieb ist ihm die Kreuzigung, weil das Thema erlaubt, einen Leichnam mit allen Sehnenstreckungen und Verzerrungen zu malen. Von den Heiligen, die den Thron Marias umstehen, ist ihm der greise Hieronymus am liebsten, weil er ermöglicht, einen alten Leib mit faltiger Haut und ausgearbeiteten Muskeln darzustellen. Ist eine solche Gestalt nicht im Vordergrund möglich, so bringt er sie wenigstens, mag sie mit dem Thema auch in gar keiner Beziehung stehen, im Hintergrund an. Es ist wie das Monogramm Signorellis, daß auf allen seinen Bildern, sogar den Porträts, nackte Jünglinge stehen, sitzen oder liegen. Die Rückenansicht – dralle Schenkel und feste Schulterblätter – reizt ihn besonders. Sind solche Figuren nicht nackt zu geben, so sucht er sie wenigstens in Tricot oder enganliegender Rüstung zu malen. Darum sind die Erzengel seine Freunde, Michael besonders in seinem schillernden Stahlhemd, und Landsknechte mit gespannten stählernen Sehnen. Namentlich diese energischen, wettergebräunten Gestalten, die mit gespreizten Beinen dastehen in einer Haltung, die alle Muskeln spielen läßt, herausfordernd, als hätten sie einer Gefahr zu trotzen, geben seinen Bildern eine reckenhafte, martialische Forschheit. Bei den weiblichen Figuren und den Heiligen ist die Gewandung einfach und feierlich, ohne Gefältel und koketten bauschigen Schwung. Er ordnet alles in schweren Massen, in großen einfachen Linien. Und dieser gewaltigen Formensprache entspricht die Farbe. Wie bei Mantegna hat sie eine gewisse metallische Schärfe, einen Klang von Kupfer oder Bronze, nicht hart und trocken, aber grau und düster. Obwohl ihn als Schüler des Piero della Francesca, auf dem Panbilde das Studium der Reflexe beschäftigt, ist er doch viel zu sehr Zeichner und Anatom, viel zu ernst und herb, um koloristischen Reizen nachzugehen.

      Wenn er nicht auf das Format des Tafelbildes beschränkt ist, sondern großen Wandflächen gegenübersteht, kommt außerdem der Dramatiker zu Wort. Gleich unter den Bildern der sixtinischen Kapelle machen die Signorellis sich durch ihre Bewegtheit, eine gewisse Handwerksburschenschönheit bemerkbar. Bei seinem zweiten Cyklus, den Darstellungen aus dem Leben des heiligen Benedikt, die er 1497 für das Kloster Monte Oliveto bei Siena malte, ist schon die Art bezeichnend, wie er sich das Thema zurechtlegt. Er übergeht ganz die Jugendgeschichte seines Helden, beginnt ex abrupto mit einem Bild, das ermöglicht, wilde Bewegung darzustellen, der Bestrafung des Florens. Im weiteren Verlauf greift er solche Scenen heraus, wo es möglich ist, Landsknechtsfiguren mit martialischen Allüren, reisige Kriegsleute mit Hellebarde, Federbarett und straff anliegender gescheckter Uniform anzubringen. Als er, 60 Jahre alt, sein berühmtestes Werk, den Cyklus von Orvieto schuf, brauchte er nicht zu wählen. Das Thema selbst war ihm auf den Leib geschrieben. Das Jüngste Gericht sollte er darstellen, sein Herannahen, Himmel und Hölle. Hier, wo es nur um Nacktes sich handelte, kein Format ihn einengte, wuchs seine Kraft ins Ungeheuere. Hätte Fiesole, der das Werk begonnen hatte, es vollendet, so würde man in ein Reich ewigen Friedens und gottverklärter Anmut geführt. Für Signorelli verwandelt sich Himmel und Hölle in einen anatomischen Aktsaal. Feinheit und Zartheit des Gemütslebens ist bei ihm nicht zu suchen. Aber in der Art, wie er den nackten Menschenkörper zum Träger von Affekten macht, aus dem psychischen Motiv das Bewegungsmotiv entwickelt, liegt eine übermenschliche titanische Größe. Da verlassen langsam und feierlich die Toten ihre Gräber, einige noch bemüht, aus der Erde hervorzusteigen, andere schon auferstanden und die Glieder wie nach langem Schlafe reckend und dehnend. Dort herrscht Jubel und Seligkeit. Kniee beugen sich, Hände legen sich aufs Herz, Arme heben sich dankbar gen Himmel. Im letzten Bild, der Hölle, ein athletisches Schauspiel! Schreckgestalten fliegen durch die Luft. Wilde Dämonen knebeln ihre Opfer und würgen sie wie mit ehernen Zangen. Nackte Körper winden sich in krampfhaften Zuckungen auf dem Boden, bäumen sich auf gegen rasenden Schmerz. In Signorelli fanden die Bestrebungen, die mit Mantegna begonnen und die Lebensarbeit Pollajuolos gebildet, ihren krönenden Abschluß.

      14. Hugo van der Goes.

      Inhaltsverzeichnis

      In Florenz hatte sich unterdessen ein jäher Scenenwechsel vollzogen. Etwa zur selben Zeit, als Mantegna dort weilte, war ein Bild aus den Niederlanden angekommen, vor dem man noch heute staunend im Hospital von Santa Maria Nuova steht. Man kennt Hugo van der Goes, den Maler des Werkes, aus manchen kleineren Arbeiten, die in deutschen und niederländischen Galerien hängen. Auf einem Brüsseler Bild kniet ein junger Franziskaner inmitten gelbgrüner, herbstlicher Landschaft vor Maria in stiller Verehrung. Auf einer Verkündigung in München stellt er sich das sehr moderne Problem, eine Harmonie in Weiß zu schaffen. Statt warm und leuchtend sollte das Bild hell und silbern wirken. Aber es wurde hart, kühl und kreidig. Bei seinen Bildnissen erschreckt er oft durch ganz phänomenale Häßlichkeit. Es ist, als hätte er sich am Zwitterhaften gefreut, als er diesen Kardinal Bourbon malte, der aussieht wie eine alte Frau. Es geht etwas Mühsames, Gequältes, Ringendes durch das Schaffen des Malers. Er erscheint als esprit urmtoenté, der sich immer neue Probleme stellt, aber über der Arbeit das Selbstvertrauen, die Begeisterung verliert.

      Was wir aus seinen Bildern herauslesen, wird durch seine Biographie bestätigt. Anfangs ist er ein genußfrohes Kind der Welt. Ihn zieht der Rat von Brügge heran, wenn es gilt, prunkvolle Aufzüge anzuordnen, Ehrenpforten zu errichten, Fahnen mit den festlichen Bildern antiker Helden und antiker Göttinnen zu bemalen. Wein, Weib und Gesang beherrschen sein Leben. Da zieht er sich plötzlich in das Augustinerkloster im Walde von Soignies zurück, um nur dem Heile seiner Seele zu leben. Auch jetzt noch kämpfen in ihm die beiden Mächte, der Geist der Weltlichkeit und der Geist der Entsagung. Es freut ihn, teilzunehmen an den frohen Gelagen all der hohen Herren, die zur Porträtsitzung nach dem Kloster kommen. Doch mit solchen Stunden üppiger Schwelgerei wechseln Stunden tiefsten Trübsinns, in denen er sich für ewig verdammt wähnt. In seiner Gewissensangst malt er nur Bilder noch, die er den letzten Dingen, dem bitteren Leiden des Erlösers widmet. Auf einem Bilde in Frankfurt steht Maria da und blickt tiefernst,

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