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dem Werk zu strömen. Nur ist nicht zu vergessen, daß noch viel engere Beziehungen zum Mittelalter vorliegen. Während die Florentiner weltlich erzählen, greifen die Ferraresen auf die mittelalterliche Allegorie zurück. Denn der Herbst ist eines jener »Monatsbilder«, wie sie in den mittelalterlichen Kalendern vorkommen. Die Schifanojafresken behandeln das mittelalterliche Thema, daß der Sternenlauf das Geschick der Menschen bestimme.

      Außer diesen Allegorien kommen lediglich Werke vor, die mit asketischem Ernst und fast grimassierendem Pathos das Thema der Beklagung Christi oder der thronenden Himmelskönigin behandeln. Magere, alte, häßliche Gestalten, knochige Greise und vergrämte Matronen beherrschen fast ausschließlich das Repertoire der ferraresischen Kunst. Keine andere italienische Schule steht dem Naturalismus Rogers so nahe, keine andere hat sich dermaßen an grausam schroffen Linien, an schwieligen Händen und abgezehrten, wie von Fieber durchschüttelten Körpern gefreut. Gerade dieser Einseitigkeit danken die Werke ihre macht- und charaktervolle Größe. Selbst die Farbe, dieses schroffe Nebeneinander von Zitrongelb, Blau und Zinnoberrot steigert noch die herb würzige, archaisch feierliche Wirkung.

      Sie ist grandios in ihrem wilden barbarischen Pathos, die Pietà des Cosimo Tura im Louvre. Sie glitzert und glänzt wie ein byzantinisches Mosaik, seine Madonna in Berlin. Auf Krystallsäulen ruht der Thron, mit vergoldeten Bronzereliefen und glitzernden Mosaiken geschmückt. Smaragdgrün, scharlachrot und gelb leuchten die Gewänder. In wuchtiger Plastik stehen die steifen, zelotischen, knochigen Körper da. Noch Ercole dei Roberti, obwohl der jüngern Generation angehörig, hat diesen knorrigen, streng archaischen Stil. Die Passion Christi malte er in San Petronio in Bologna, und Vasari spricht bei der Beschreibung nur von der ohnmächtig hinsinkenden Maria, von weinenden, schmerzverzerrten Köpfen. Sein bekanntestes Werk in Deutschland ist der Johannes der Berliner Galerie, jenes Skelett, das statuengleich aus einer rotglühenden, grandios ernsten Landschaft herauswächst. Man fühlt vor solchen Bildern, daß hier eine Geistesrichtung sich ankündigt, der die Zukunft gehörte. Man sieht von weitem denjenigen kommen, der berufen war, der Luther Italiens zu werden. Man versteht, weshalb Ferrara gerade den düsteren Dominikaner Savonarola gebar. Doch vorläufig war die Zeit noch nicht da. Eine andere Macht, die Antike, war stärker als das Christentum.

      12. Mantegna.

      Inhaltsverzeichnis

      Bisher hatte die Antike auf das Kunstschaffen des Quattrocento geringen Einfluß geübt. Das Wort Renaissance – im Sinne einer Wiedergeburt des Altertums – würde eigentlich besser auf das Trecento passen. Damals als Petrarka in jugendlicher Begeisterung daran ging, die versunkenen Schätze des Heidentums bekannt zu machen, als Cola Rienzi davon träumte, die Größe des alten Rom wieder herzustellen, Boccaccio seine genealogia deorum und jene leichtgeschürzten Novellen schuf, in denen ein ganz heidnischer Sinn scherzt und schäkert, – damals erlebte auch die Kunst eine antike Renaissance. In Florenz entstanden das Baptisterium und die Kirche San Miniato, in Pisa die Kathedrale, die Taufkirche und der schiefe Turm, in denen der romanische Stil durch Anlehnung an alte Vorbilder eine ganz hellenische Reinheit gewann. Die Pisani schufen ihre antikisierenden Bildwerke. Giotto als Maler füllte die antiken Formen mit neuem Leben aus, beseelte ihre ernsten Linien mit christlichem Inhalt. Kaum jemals war die christliche Kunst so durchsetzt von antiken Elementen wie damals, als der Meister vom Triumph des Todes seine nackten Putten malte und Lorenzetti seine Wandbilder schuf, in denen manche Figur direkt aus pompejanischen Wandgemälden zu stammen scheint.

      Demgegenüber spielt in der Frühkunst des Quattrocento die Antike eine sehr bescheidene Rolle. Der Rat, den Leo Battista Alberti dem Künstler giebt, der Anschluß an die Formenbildung der Antike sei durch selbständiges Naturstudium zu ersetzen, kennzeichnet deutlich die Wandlung. Was aus dem Trecento herübergenommen wird, ist lediglich die Freude an antikem Beiwerk. Wie auf Giottos Bildern die Trajanssäule und der Minervatempel von Assisi, die Rosse der Markuskirche und palmenhaltende Viktorien vorkommen, wimmelt es nun in den Bildern von antiken Bauwerken und Ornamenten. Noch bevor die Baukunst in die neuen Bahnen einlenkte, gaben die Maler der Architektur ihrer Hintergründe antiken Charakter. Palmetten und Rosetten, Sphinxe und Satyrn, Füllhörner und Mäander, Guirlanden und Triglyphen, Kandelaber und Urnen, Sirenen und Trophäen werden als heiterer Schmuck über die Flächen verteilt. Antike Statuetten, da ein Eros, dort eine Venus, werden in Nischen aufgestellt, Masken, antike Büsten, die Medaillons der Kaiser irgendwo angebracht. Die Künstler freuen sich am antiken Detail wie ein Kind an einem neuen Spielzeug und spielen damit, wo immer es angeht. Doch über diese tändelnde Verwendung klassischen Zierwerks gehen sie nicht hinaus. Nichts entfernt sich mehr von der Einfachheit antiker Linien als eine Statue Donatellos mit dem scharf accentuierten Kopf, den knochigen Gliedern und den kapriciös verknitterten Draperien. Nichts ähnelt weniger der Klassicität antiken Reliefstils als die Arbeiten Ghibertis mit ihrer Einführung der malerischen Perspektive. Ebensowenig haben Uccellos und Castagnos, Fra Filippos und Gozzolis Werke in Typen und Kostümen, Haltung und Anordnung irgendwelche antike Anklänge. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fängt die Antike an, stilistischen Einfluß zu gewinnen. Padua, das kleine Padua war nicht nur die Stadt des heiligen Antonius, auch die Geburtsstadt des Livius. Als im Jahre 1413 das angebliche Grab des römischen Historikers entdeckt wurde, fühlte jedermann, selbst der Niedrigste, sich als Mensch der Antike. Wohin Paduaner kamen, waren sie begeisterte Sammler. Der Kardinal Scarampi besonders ist ein Typus der Zeit, ein Kirchenfürst, dessen höchster Stolz war, daß die Arena von Padua ihm gehört, ein Verehrer der Antike, der römische Aquädukte erbauen läßt und im Verein mit Cyriacus von Ancona eine vielbeneidete Sammlung griechischer Gemmen zusammenbringt. Sein Gegenstück auf dem Gebiete der Malerei ist Francesco Squarcione, der, um die gefeierten Werke alter Kunst zu sehen, selbst nach Griechenland ging, Gipsabgüsse formte, Büsten, Statuen, Reliefe und Architekturfragmente sammelte und, heimgekehrt, auf dieser Grundlage seine Akademie eröffnete.

      Freilich so wenig Squarciones eigene Werke einen Einfluß der Antike verraten, so falsch wäre es, Andrea Mantegna, seinen großen Schüler, ausschließlich als Parteigänger der Antike zu bezeichnen. Wenn irgendeiner, findet Mantegna nur in sich selbst seine Erklärung. Piero della Francesca und er – sie bedeuten in der italienischen Kunst Scholle und Felsen. Die Schafe hatte er in seiner Jugend gehütet. Giotto, Castagno, Segantini und er – das sind die vier großen Hirtenbuben der Kunstgeschichte. Auch durch seine Werke weht schneidige Alpenluft. Sie haben Granitgehalt wie die Felsen der Euganeen.

      Man betrachte sein Porträt. Schon die Form der Büste ist bezeichnend. Während von anderen Künstlern des Quattrocento gemalte Bildnisse vorliegen, hatte der Meister, der Mantegnas Porträt schuf, das Gefühl, nur Bronze sei für diesen Bronzekopf das geeignete Material. Und welche Macht und Willensgröße, welch unbeugsame Stärke liegt in diesen Zügen! Das war kein milder, liebenswürdiger Mensch, sondern ein harter, eiserner, stachelicher Charakter. Wie seine Beziehungen zu Squarcione, der ihn als armen Buben adoptiert hatte, bald in Feindschaft übergingen, wahrt er auch seinen späteren Fürsten, den Gonzaga, gegenüber seinen steifnackigen Stolz. Jedes Wort in seinen Briefen ist beißend, scharf und spitz wie frisch geschliffene Messer. Wie er jeden Augenblick einen Konflikt mit seinem Fürsten hat, kann er mit keinem Nachbar in Frieden leben. Er beschuldigt, prozessiert, kennt keine Gnade, wenn er einen Gegner verfolgt. Jeder verwundete sich, der in Berührung mit ihm kam. Dem entsprechen in seinen Bildern all diese gezackten Glorien und steifen Baumblätter, die auch den Eindruck machen, als könnte man sich blutig daran ritzen. Dem entspricht die ganze Kunst des Meisters. Einem festumfriedeten Garten gleicht sie, wo eiserne Fußangeln liegen. Scharf und schrill klingt sie, wie wenn man mit einem Schwert auf einen ehernen Schild schlägt. In dieser Härte, der alles Milde, Schmeichelnde, Versöhnliche fehlt, liegt seine Einseitigkeit und seine Größe. Le style c'est l'homme.

      Der Mann mit dem Bronzekopf, dem steinernen sicheren Blick, schafft seine Menschen nach seinem eigenen Bild. Wie sie dastehen, eingepreßt in ihren eisernen Panzer, gleichen sie Fabelriesen, deren muskelstarrende Rücken und sehnige feste Beine von einem Bildhauer, keinem Maler geformt scheinen. Ihr ganzer Körper ist in Spannung, wie der Pfeil auf der Bogensehne: so wie Mantegna selbst stets auf Widerstand gefaßt, zur Verteidigung bereit war. Mürrisch und verschlossen blicken

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