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Zauberspruch das Leben in der Bewegung erstarrt. Auch die Gewänder, selbst wenn es um weiche Stoffe sich handelt, scheinen aus Stahl, namentlich jene steifen, starr abstehenden Mäntelchen, die so häufig auf seinen Bildern vorkommen. Um möglichst spitze, straffe Falten zu erzielen, pflegte er für seine Draperiemotive steifes geleimtes Papier zu verwenden. Noch lieber vielleicht hätte er Blechmodelle angefertigt. Dieser eherne Stil der Zeichnung wirkt auch auf die Farbe zurück. Indem er die Erscheinung so eisern erfaßt, war er naturgemäß gezwungen, auch der Farbe einen metallischen Klang zu geben. Manche Gestalten gleichen, obwohl sie nach der Natur gemalt sind, mehr Bronzestatuen, so hart sind die Umrisse, so metallisch wie polierte Bronze schillern die Falten.

      Auch die Art, wie er das Beiwerk auswählt, ist durch diesen Gesichtspunkt bestimmt. Wie er erzgepanzerte Krieger mit blitzenden Waffen, wie er Gewänder von steinernem Faltenwurf liebt, häuft er rings noch ähnliche Dinge zusammen: Harnische, Helme, Zinnkrüge, metallisch glänzende Beinschienen, zackige Strahlenglorien, Nägel. Die Heiligenscheine, bei anderen Künstlern ätherische Gebilde, sind bei Mantegna schwere blitzende Scheiben aus Messing. Die Seraphköpfe, von anderen leicht angedeutet, sehen aus, als schwebten Robbiaarbeiten in der Luft. Auf seinem Bild der Auferstehung funkelt hinter dem Heiland eine Strahlenglorie mit zackig abgeschliffenen Rändern, scharf wie ein Rasiermesser. Auf seinem Kupferstich der Kreuzigung Christi ist nicht nur oben am Kreuz die Inschrift JNRJ mit dicken eisernen Nägeln befestigt; unten im Vordergrund liegt eine schwere Thür aus trockenem Eichenholz mit rostiger eiserner Fassung. Urnen und Vasen, Kupfergeschirr und goldene Münzen steigern in anderen Bildern die metallische Wirkung.

      Am großartigsten ist, wie er die Landschaft in den ehernen Stil übersetzt. Denn Menschen, wie er sie schuf, konnten nicht auf der gewöhnlichen Erde leben. Sie brauchten eine Welt von derselben starren Erhabenheit. Mantegna schafft sie. Keine Wiesen und Gärten, kein Grün und keine Blumen giebt es auf seinen Bildern. Die ganze Schöpfung ist eine Vision aus dem Steinzeitalter geworden: kahl, der deckenden Erdenschicht beraubt, nur von erratischen Blöcken, vertrockneten Bäumen, Hecken, Steingeröll und sandigen Wegen belebt. Da starren auf Bergen zinnbekrönte Kastelle und hochummauerte Städte empor. Dort stirbt die Vegetation ganz ab, die spitzen Schieferbildungen der Felsen rücken in den Vordergrund und öffnen sich zur klaffenden Höhle. Gewiß hat er manche dieser Scenerien in Wirklichkeit sehen können. Wenn er die Kreuzabnahme Christi in einen Trachytsteinbruch verlegt, als Schauplatz für die Anbetung der Könige eine Höhle aus Blocklava wählt, auf dem linken Flügel dieses Bildes einen steilen vulkanischen Felsen auftürmt, so liegen diesen Dingen Studien zu Grunde, die er in den Euganeen gemacht. Doch in anderen Fällen benutzt er die Naturelemente zu ganz freien Schöpfungen. Wie er es liebt, Riesenkorallen, die kein Mineralog gesehen, irgendwo anzubringen, hat er in der Madonna della Petriera eine kleine Tropfsteinbildung ins Monumentale vergrößert. Im Steinbruch nebenan sind Steinmetzen mit dem Behauen von Blöcken beschäftigt. Auch sie nur beigefügt, um den steinernen Eindruck zu verstärken. Demselben Zweck dienen die konzentrischen Wege, die oft die Hügel durchfurchen. Indem er sie anbringt, entkleidet, enthäutet er die Erde, legt ihr steinernes Knochengerüst bloß.

      Ebenso verfährt er mit den Pflanzen. Die Reben mit ihren Trauben und Blättern hat er besonders geliebt. Man kann sie so wunderbar imitieren heute: die Beeren aus Glas, die Blätter aus Blech. Ebenso naturwahr und gleich hart malte sie Mantegna. Mehr Stilisierung war bei den Bäumen nötig. Es ist, als trügen sie eine schwere Rüstung aus Eisen. Fest wie Stahl, durch keinen Windhauch bewegbar, hängen die Blätter an den Aesten. Zackig und widerhakig, fast wie Wurfspieße starren die Aeste in die Luft. Auch die Kräuter, die dem steinigen Erdreich entsprießen, haben etwas Hartes, Metallisches, spröd Krystallinisches, das an Dentritenbildungen gemahnt. Die einen sehen aus wie Zink, das mit Bleioxyd oder Bleiweiß bespritzt ist, die anderen scheinen mit einer Schicht grüner Bronze überstrichen, auf der noch weiße Stahlreflexe glänzen. Die Luft sogar, den Himmel hat er in seinen Steinstil übersetzt. Das Weiche, Verschwommene, Ungreifbare der Wolkenbildungen bekommt harte, abgegrenzte, plastische Formen. Es ist kein Zufall, daß gerade der Künstler, der am meisten auf klare Formenbildung ausging, zuerst die Kupferstichtechnik sich dienstbar machte, die am meisten gestattet, frei von allem farbigen Schleier das Relief der Gegenstände, die Macht der Konture, die Festigkeit der Formen zum Ausdruck zu bringen.

      Wenn überhaupt bei einem Geiste wie Mantegna von äußeren Einflüssen gesprochen werden darf, so dürfte er seine entscheidenden Eindrücke damals erhalten haben, als Donatello in Padua arbeitete. Sowohl den Gattamelata wie die Reliefe des Hochaltars sah er unter seinen Augen entstehen. Vielleicht ist er sogar persönlich Donatello nahegetreten. Jedenfalls hat der große Florentiner seinen gelehrigsten Schüler in keinem Bildhauer, sondern in dem Maler Mantegna gehabt. Bronzestatuen waren die ersten Kunstwerke, auf die der Blick des Knaben fiel, und dieser am Bronzeguß großgezogene Geschmack ließ ihn auch als Maler so plastische Wirkung erstreben, als schlösse die Malerei die Plastik in sich. Nächst Donatello war Paolo Uccelo, der im Gefolge des großen Bildhauers nach Padua gekommen war und im Palazzo Vitaliani gemalt hatte, sein Lehrmeister. Durch ihn erhielt er die Anregung, sich der Wissenschaft der Perspektive zuzuwenden, die er durch umwälzende Entdeckungen bereicherte. Daß er auch frühzeitig Werke des Piero della Francesca kennen lernte, ergiebt sich aus der Aehnlichkeit seines Auferstehungsbildes in Tours mit Pieros Fresko in San Sepolcro, aus dem pleinairistischen Element, das durch seine Darstellungen der Christophslegende geht, wie überhaupt aus den Raumproblemen, die er sich stellt.

      Schon in den berühmten Bildern, die er 1454–59, also im Alter von 23 bis 28 Jahren in der Eremitanerkirche in Padua malte, klingen diese Elemente zusammen. Wie er die Figuren in der Untensicht giebt, also so verkürzt, wie der von unten emporblickende Betrachter sie in Wirklichkeit sehen würde, sucht er durch die Art, wie er sie der Räumlichkeit einordnet, den Eindruck der Tiefendmiension hervorzurufen. Später in Mantua, als er im Castello di Corte die Deckenbilder der Camera degli Sposi schuf, führten ihn die perspektivischen Studien wieder zu neuem Ergebnis. Indem er Uccellos Principien auf die Plafondmalerei übertrug, die Decke öffnete und die Putten so malte, als seien es wirkliche Wesen, die, von unten gesehen im Räume schweben, wurde er der Erfinder der perspektivischen Gewölbemalerei, der Ahn Correggios, Veroneses und Tiepolos.

      Ebenso reichen in den Porträtgruppen, die er an den Wänden dieses Saales malte, zwei Jahrhunderte sich die Hand. Nachdem man anfangs sich darauf beschränkt hatte, Stifterbildnisse in religiöse Darstellungen einzuführen, nachdem dann Castagno die ersten lebensgroßen Einzelbildnisse geschaffen, sind in diesen Scenen aus dem Leben der Gonzaga die ersten selbständigen Porträtgruppenbilder gegeben. Die Bahn ist betreten, die zu Tintoretto, von da zu den holländischen Regentenstücken des 17. Jahrhunderts führt.

      Doch für das Quattrocento am folgenreichsten war sein Verhältnis zur Antike. Es ist bezeichnend, daß der Meister, der die Büste Mantegnas schuf, ihn wie einen Helden der Alten Welt auffaßte, das lange Haar von einem Lorbeerkranz geschmückt. Denn wie der Sproß einer versunkenen Heldenzeit, wie ein nachgeborener Hellene ragt er in seine Epoche herein. Es ist, als hätte die Vorsehung sich des Squarcione nur bedient, um Mantegna erstehen zu lassen. Erst in Mantegnas Geist gewann das, was Squarcione gesammelt hatte, Leben und Seele. Im Verkehr mit den Paduaner Humanisten arbeitete er sich in die Antike ein, wie Menzel in das Zeitalter Friedrichs des Großen, suchte mit dem Eifer des Antiquars und der wissenschaftlichen Strenge des Archäologen die geringsten Fragmente zusammen, die dazu dienen konnten, das Bild jener versunkenen Welt heraufzubeschwören: Reliefe, Münzen, Inschriften, Marmorwerke und Bronzen. Bis in das geringste Detail bemühte er sich, das Kostüm, die Bewaffnung der Alten kennen zu lernen, beruhigte sich nicht, bis er wußte, wie ein Pferdezaum, eine Fußbekleidung bei den Römern ausgesehen, kannte die Architekturformen der Alten so gut wie ihre Gewänder, Gerätschaften und Gebräuche. Später gab ihm ein Aufenthalt in Rom von neuem Gelegenheit, seine antiken Studien aufzufrischen. Er stand staunend vor dieser Welt von Bauten und Statuen, weilte mit dem Skizzenbuch vor der Trajanssäule und dem Titusbogen.

      Schon der Eindruck seiner Paduaner Fresken ist, obwohl sie Heiligenlegenden behandeln, der einer festlichen Klassicität. Den streng hellenischen Charakter dieser Räumlichkeiten konnte nur ein Meister erreichen, der groß geworden war in antiken Anschauungen. Die römischen Rüstungen all dieser Soldaten vermochte nur ein Maler zu geben, dessen Kopf eine ganze Encyklopädie des Altertums war. Wenn er in der Camera

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