Скачать книгу

über der Erde schwebend, mußten feststehen auf den eigenen Füßen, verwachsen sein mit ihrer irdischen Heimat.

      Aber nicht nur das Aeußere der Menschen, auch ihr Empfindungsleben hatte sich geändert. Strahlte damals Demut und Hingebung aus schüchtern niedergeschlagenen Augen und mild verklärten Zügen, so sah man jetzt trotzige Gesichter mit gerunzelten Brauen. Die ganze Menagerie der Leidenschaften war entfesselt. Wie alle jene Tyrannen des Quattrocento rückhaltlos ihrem Dämon, sei es Sinnlichkeit, sei es auflodernder Jähzorn, folgten, so forderte man in der Kunst die Darstellung viel stärkerer Gemütsaffekte, als die frühere Malerei sie gab. Es handelte sich, die vorübergehende Bewegung, die wechselnde Gebärde aufzugreifen, die Leidenschaft darzustellen, wie sie konvulsivisch den ganzen Menschenleib durchschüttelt.

      An diese Probleme waren Jan van Eyck und Pisanello noch nicht herangetreten. Sie malten die neuen Kostüme ihrer Zeit, aber in der zierlichen Art, wie sie die Menschen hinstellten, blieben sie Gotiker. Noch erzählen ihre Werke nichts von dem rauhen Atem des neuen Zeitalters und seiner breiten, ungezwungenen Gebärde, nichts von all den seelischen Untiefen, die sich plötzlich mit so elementarer Gewalt geöffnet. Erst Donatello brachte der Plastik das neue Ideal. Und es ist bezeichnend, daß auf ein Extrem sofort das andere folgt. Je gröber und ungefüger das Individuelle sich zeigt, desto schöner erscheinen die Gestalten. So erklären sich all die absonderlichen Physiognomien, die plötzlich in die Kunst einziehen: derbe Proletarier mit ungeschlachten, ausgearbeiteten Formen, Bauern mit ehernen Knochen und scharfkantigen verwetterten Gesichtern, halbverhungerte alte Bettler mit schlaffen Muskeln und schlotterigem Leib, verwahrloste Kerle mit kahlem Schädel, struppigen Bartstoppeln und langen muskulösen Armen. Standen früher die Personen zimperlich da, so ist jetzt jede Linie Nerv. In ihrem breitbeinigen, energischen Auftreten spiegelt sich der ganze Geist dieses knorrigen Jahrhunderts der Kondottieri. Und namentlich, unter der Gewalt der Leidenschaft ist der ganze Körper wie von Krampf durchbebt. In seinem Streben nach drastischer Mimik langt Donatello zuweilen beim Grimmassierenden an. Nicht zufällig ist es, daß er die Gestalten der Magdalena und des Johannes so liebt. Denn hier ist beides vereinigt, was jene Zeit verlangt: ein Körper, dem Hunger und Entbehrung alle Schwielen herber Naturwahrheit aufgedrückt, und dieses ausgedörrte, nur durch lederne Haut zusammengehaltene Knochengerüst obendrein von thränenvollem Weh, von feurigem visionären Pathos durchschauert.

      Der Donatello der Malerei ist Andrea del Castagno, ein kühner, unerschrockener Geist, der vor keiner Brutalität, vor keiner Uebertreibung zurückbebt, wenn sie dazu beiträgt, den Figuren mehr Charakter zu geben. Wie Donatello liebt er abstoßende Physiognomien, wilde Wüstenmenschen und ausgehungerte Asketen, deren mächtige, von schrecklich intensivem Leben verzerrte Züge doch unabweislich sich einprägen. Wie bei Donatello verbindet sich mit der physiognomischen Schärfe eine großartige statuarische Wucht. Seine Kreuzigung in Santa Maria Nuova ist ein wunderbares Stück von Pathos und Ausdruck, Maria namentlich, diese herbe, verkümmerte Matrone, deren ganzer Körper sich im Schmerze krümmt. Auf seinem Abendmahl in Santa Apollonia ist jede Gestalt ein Charakter von starrer, strammer Härte, von jener konzentrierten Lebensfülle, die in Donatellos Campanilestatuen geschnürt ist. Vor seiner Pietà in Berlin bleibt man stehen wegen ihrer enormen, grandios heroischen Häßlichkeit. Seine Magdalena, seine beiden Johannes in Sante Croce – nur in den Asketenfiguren des großen Bildhauers haben sie ihres Gleichen.

      Zuweilen erreicht er sogar mit seinem Realismus einen großen königlichen Stil. Denn sein Reiterporträt des Niccolo da Tolentino, das er als Gegenstück zu dem Werke Uccellos schuf, ist von trotziger Monumentalität. Die Porträts von Dante, Petrarka und Boccaccio, die von Acciajuolo, Uberti und Pippo Spano, die er für die Villa Pandolsini malte, imponieren durch ihre mächtige, heroische Wucht. Pippo Spano namentlich, der dasteht mit gespreizten Beinen, das Schwert in der Hand, wirkt wie der fleischgewordene Geist des Quattrocento, wie eine Verkörperung dieser elementaren, an Kunst und Leidenschaften gleich großen Zeit. Terribile, jenes oft mißbrauchte Wort – auf Castagno paßt es. Er ist der König jenes gewaltigen Zeitalters, das die Rusticamauern des Palazzo Pitti auftürmte.

      Das dritte Gebiet, das Studium erforderte, war die Farbe. Gewohnt, im Fresko sich zu bewegen, hatte man der Technik der Tafelmalerei wenig Aufmerksamkeit geschenkt und war deshalb noch weit entfernt, jene Leuchtkraft zu erzielen, die man auf niederländischen, nach Italien gelangten Bildern sah. Hier einzugreifen war ein Künstler berufen, der aus der Stadt stammte, wo später der italienische Kolorismus seine höchsten Triumphe feierte: aus Venedig. Domenico Veniziano, der Pisanellos Fresken im Dogenpalast hatte entstehen sehen, dem Meister dann nach Rom gefolgt war und schließlich in Florenz sich niederließ, soll der erste gewesen sein, der unabhängig von den Niederländern in der Farbenmischung experimentierte. Obwohl seine Tafeln in Tempera gemalt sind, wußte er einen eigentümlichen Glanz und Schimmer, einen weichen, emailartigen Schmelz zu erreichen. Man steht vor der interessanten Thatsache, daß ein Venetianer, der aus seiner Heimat den Sinn für Farbe mitgebracht hatte, schon im Beginne des Jahrhunderts in diesem zeichnerisch strengen, plastisch denkenden Florenz die nämlichen Dinge anstrebte, die später zu Bellinis Tagen die venetianischen Maler beschäftigten.

      Sogar in der Empfindung ist der Venetianer kenntlich. Denn die schroffen Züge, die zuweilen in Domenicos Altartafeln hervortreten, dürfen nicht verleiten, ihn für einen wilden Naturalisten im Sinne Castagnos zu halten. Das Verhältnis beider ist ein gegenseitiges Nehmen und Geben. Welche Anregungen Castagno durch Domenico erhielt, spricht sich in den koloristischen Experimenten aus, die er zuweilen, besonders in der Kreuzigung machte. Es hieß sogar, er habe ihn umgebracht, weil er neidisch auf seine koloristischen Erfolge war. Domenico andererseits legte das Gewand Castagnos an, als er seine Heiligen Johannes und Franziskus in Santa Croce malte. Eigentlich entsprach aber dieses knorrig Bäurische sehr wenig seiner Natur. Nächst Pisanello ist er der erste, der Bildnisse malt, jene Profilköpfe, an denen man so deutlich das Herauswachsen des Porträts aus der Medaille verfolgt. Und alle Dargestellten sind junge Mädchen. Mit zärtlicher Verliebtheit hat er auf dem Porträt der kleinen Bardi die reizvollen Linien dieses neckischen Profils und dieses feinen Halses, das Auge mit dem freien backfischhaften Blick, das blonde, perlengeschmückte Haar gezeichnet. Die ganze knospenhafte Frische weiblicher Jugend ist in diesem Wunderwerk des Museo Poldi Pezzoli mit feinfühliger Grazie gegeben, zu einer Zeit, als die übrigen Porträtmaler so herb waren, sich nur wohl fühlten, wenn es galt, alte verrunzelte Gesichter, charaktervolle Häßlichkeit zu facsimilieren. Dieselbe junge Dame, nur ein paar Jahre älter, begegnet auf dem Profilporträt der Berliner Galerie. Dort der Backfisch, die Braut, noch gaminhaft spröde, hier ernster, ein wenig voller die junge Frau. Da wohl noch mehrere Mädchenporträts, die unter anderen Namen in den Galerien verstreut sind, von Domenico herrühren, so erscheint er inmitten der männlichen Florentiner Kunst als féminin, als der erste, der die Grazie der Jugend, den Reiz zarter Weiblichkeit fühlte. Venedig, dessen ganze Kunst später sich zu einem Hymnus auf das Weib gestaltete, brachte schon im Beginne des Jahrhunderts den ersten Mädchenporträtisten hervor.

      Freilich den ganzen Kunstbedarf ihrer Zeit zu decken, waren so ringende, mit Problemen beschäftigte Geister nicht im stande. So treten neben die Eclaireurs die Profiteurs, neben die Forscher die Popularisierer. Jene kannten keine Zersplitterung, keine Thätigkeit auf verschiedenen Gebieten. Sie legten in wenigen Werken, von denen jedes eine Eroberung bedeutet, die Resultate ihres Forschens nieder. Die Profiteurs gehen statt in die Tiefe in die Breite. Mit Hilfe der technischen Instrumente, die jene anderen geschmiedet, machen sie sich an die Eroberung der Welt. Die ganze Flut des Lebens dringt in die Kunst ein. Die ganze Kulturgeschichte der Zeit wird geschrieben.

      Fra Filippo namentlich und Gozzoli wurden die Chronisten ihrer Epoche: sorglose, leicht schaffende Geister, die ohne an wissenschaftliche Fragen sich zu kehren, mit freudigem Schauer in dem neuen weltlichen Zeitstrom plätschern. Beide wären durch Stand und Bildungsgang berufen gewesen, das Banner der alten religiösen Malerei zu halten. Denn der eine war Mönch, der andere der Lieblingsschüler des gottseligen Mönches von San Marco. Aber wie wenig ist in ihren Werken von kirchlicher Stimmung übrig!

      Fra Filippo ist schon als Mensch ein interessanter Typus der Zeit, nur acht Jahre jünger als Fiesole und doch von diesem verschieden wie ein galanter Abbé von einem heiligen Eremiten. Fra Giovanni in seiner stillen Klause kannte die Verführungen des Lebens, kannte die Leidenschaft zum Weibe

Скачать книгу