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sind die Farben nebeneinander gesetzt, gerade in ihrem Widerstreit sich gegenseitig zu höherer Wirkung steigernd. Teils schafft man sich durch die Erfindung der Oelmalerei ein Organ, das noch schmiegsamer den neuen Intentionen folgte. Diese Technik zuerst in der Tafelmalerei verwendet zu haben, war die That des großen Meisters aus Maaseyck.

       Wir wissen nicht, wo er hergekommen, können an keinen Jugendwerken seine Entwickelung verfolgen. Als er das Werk, mit dem sein Name für alle Zeiten verbunden ist, den Genter Altar begann, war er ein Greis von fast 70 Jahren und hinterließ es seinem Bruder zu Vollendung. Selbst inwieweit das Altarwerk, das wir heute kennen, dem Plane des ersten Meisters entspricht, ist daher fraglich. Nur das steht fest, daß die Tafeln mit Gottvater, Maria, Johannes und den musizierenden Engeln von Hubert herrühren.

      Ganz erstaunlich ist die malerische Kraft, die sich darin äußert. Diese blauen, grünen und roten Mäntel, die in lodernder Glut die Gestalten umfließen, diese schimmernde, mit Diamanten, Perlen und Amethysten übersäte Tiara, dieses mit Edelsteinen geschmückte Scepter wie die schweren Brokatgewänder der Engel, die glitzernden Agraffen, das Glänzen des Eichenholzes und das Funkeln der Orgel hätte ein Früherer vergebens zu malen versucht.

      Ebenso geht sein zeichnerisches Wissen über das Niveau der älteren Zeit hinaus. In wuchtiger Körperlichkeit sitzen die Gestalten da, keine ätherischen Spirits, sondern leibhaftige Wesen mit Knochen und Blut. Selbst den Engeln hat er das Schemenhafte genommen, sie auf den Chor der Johanniskirche versetzt, wo die Orgelklänge brausen, wo Geigen- und Harfenspiel ertönt.

      Die Parallele mit Masaccio ist trotzdem richtig. Der Naturalismus, die Farbenpracht der neuen Zeit ist mit der Feierlichkeit mittelalterlichen Monumentalstils verbunden. So körperlich die Gestalten sind, schweben sie doch unnahbar über dem Irdischen. So gut gemalt und gezeichnet sie sind, denkt man weniger an das Quattrocento, als an jene ernsten Heiligen, die von strahlendem Mosaikglanz umflossen in der Apsis altchristlicher Kirchen thronen. Wie in Italien hatte es in den Niederlanden während des Mittelalters eine große Monumentalkunst gegeben, und ein Abglanz davon liegt in Huberts Werken. Machtvolle Erhabenheit, einfache Großheit, sakramentale Würde sind die Worte, die man vor seinen Tafeln gebraucht. Und wie verwandt sie darin den Werken Masaccios sind, zeigt auch die Wirkung, die sie auf die folgenden Geschlechter übten. Die Künstler des Quattrocento erinnerten sich Huberts van Eyck nicht mehr. Aber als die naturalistische Begierde gestillt war, als wieder die Sehnsucht nach dem Lapidarstil kam, stand vor dem Genter Altarwerk sinnend ein großer Deutscher. Vor Huberts Gott Vater sah Dürer die Vier Apostel.

      III. Natur und Antike

      Inhaltsverzeichnis

      8. Die ersten Realisten

      Inhaltsverzeichnis

      Bis hierher bietet also die Kunst des 15. Jahrhunderts nichts Neues. Sie hat sich ein festeres zeichnerisches Können erworben, hat koloristisch ein neues Ausdrucksmittel sich geschaffen. Aber stilistisch hält sie an den Anschauungen der Vergangenheit fest. Erst nachdem sie mit dieser sich auseinandergesetzt, nachdem sie noch einmal die Stilentwicklung des Mittelalters vom Byzantinismus über die Mystik hinaus bis zur Giottoschen Monumentalkunst durchlaufen, lenkt sie in andere Bahnen ein. Es treten Künstler auf, die, ohne jeden Zusammenhang mit der Vergangenheit, ganz von vorne anfangen, als sei der Gebrauch von Pinsel und Farbe erst für sie erfunden. Und nun folgt Schlag auf Schlag. Es kommt ein Umwandlungsprozeß, wie wir ihn gleich rapid kaum in unserem nervösen Jahrhundert erlebten.

      Wohl bleibt auch jetzt der Stoffkreis kirchlich. Denn die Kirche war noch immer der vornehmste Auftraggeber, Aber da es den Künstlern nicht gestattet war, das Irdische ohne biblische Maske zu malen, sucht sich der weltliche Sinn in anderer Weise Befriedigung: die ganze religiöse Malerei wird verweltlicht.

      Noch Giotto hatte alle Bildniselemente vermieden, und Masaccio beschränkte sich darauf, im Zinsgroschenbild sich selbst und Masolino unter den Zuschauern darzustellen. Jetzt sind mit einemmal alle Werke mit Bildniselementen durchsetzt. Es genügt den Malern nicht, ihr eigenes Porträt auf biblischen Bildern anzubringen. Auch die Stifterporträts, früher gar nicht vorhanden oder ganz klein gehalten, wachsen zu lebensgroßen Figuren an. Der Mensch fühlt sich nicht als Zwerg neben den Heiligen, sondern als Gleicher unter Gleichen. Dann geht man weiter. Die Protektoren und Freunde der Maler werden als Patriarchen, Apostel oder Märtyrer in die biblischen Scenen eingeführt. Schließlich legen die Heiligen selbst ihren überirdischen Charakter ab. All die Wesen, die bisher im Reiche des Idealismus gewohnt, verwandeln sich in Menschen von Fleisch und Blut, die von den wirklichen nur durch den Heiligenschein sich unterscheiden.

      Und diese Porträtähnlichkeit beschränkt sich keineswegs auf die Köpfe, sondern erstreckt sich auf den kostümlichen Teil. Das Quattrocento war die prachtliebendste Epoche der Kulturgeschichte, ein Jahrhundert, das unerschöpflich war in der Erfindung neuer Moden, durch keine Luxusedikte sich die Freude am Toilettenprunk rauben ließ. All diese bizarren Dinge halten in der Kunst ihren Einzug. Noch Masaccio hüllte, den Principien Giottos folgend, seine meisten Figuren in jene Manteldraperien, wie die antiken Rhetorstatuen sie tragen. Diesem Idealstil gegenüber wirkt die folgende Kunst wie ein großes Modejournal. Die Maler schwelgen in allen Kleinigkeiten des Kostüms. Die pikantesten Toiletten, die kokettesten mit Federn garnierten Mäntelchen, die abenteuerlichsten Kopfbedeckungen werden den Heiligen gegeben. Ein raffiniertes Gigerltum scheint wie in die Menschen in die Bewohner des Jenseits gefahren. Handelt es sich um Madonnenbilder, so ist in Wahrheit eine irdische Familienscene gegeben. Maria, mit kokett frisiertem Haar, hat auf das hieratische Kostüm verzichtet, hat ein enges Mieder mit reichem Besatz und zierlichen Stickereien angelegt. Das Kind hält einen Stieglitz oder eine Blume, lauscht dem Wort der Mutter, liegt an ihrer Brust. Der kleine Johannes wird ihm gern als kindlicher Spielkamerad gesellt. Rein genrehafte Scenen treten an die Stelle der Andachtsbilder. Auch die Anbetung der Könige wird zu einem völligen Sittenbild. Man malt nicht die biblischen Könige und nicht Bethlehem, sondern die Fürsten des Quattrocento, wie sie mit reichem Troß, mit Kriegsleuten und orientalischen Sklaven als Gäste an einem fremden Hofe erscheinen.

      Und wie man die Geschichten selbst in die unmittelbare Gegenwart versetzt, da nur die Gegenwart wahr, nur die Gegenwart schön scheint, werden überhaupt die verschiedensten Dinge eingestreut, die ohne jeden Zusammenhang mit dem Hauptvorgang nur der Freude des Künstlers an der Schönheit der Welt ihr Dasein danken: da eine amüsante Episode, dort ein graziöses Tier, ein Vogel, ein Hase, ein Affe, ein Hund; dort Blumen und Früchte. Heiterkeit, Glanz, Reichtum, nur nicht Frömmigkeit ist der Charakter der Bilder. Alles Schöne, was das Leben bietet, webt man zu schillernd farbenfreudigen Bouquets zusammen.

      Selbst die technische Ausführung verrät, wie sehr die Freude am Irdischen die religiöse Gesinnung überwiegt. Dieselbe Sorgfalt wie auf die Hauptpersonen erstreckt sich auf das kleinste Detail. Während in den Bildern des Trecento, noch bei Fiesole und Masaccio das Beiwerk gar keine Rolle spielte, nur angedeutet wurde, wenn es zur Verdeutlichung des Vorganges diente, sind jetzt Gefäße und Teppiche, Waffen und Blumen mit einer Sorgfalt ausgeführt, als ob es um selbständige Stillleben sich handelte. Das Resultat ist, daß in der Kunst des Quattrocento, obwohl die Stoffe biblisch sind, doch schon die ganze Profanmalerei späterer Jahrhunderte beschlossen liegt, daß in den Werken, obwohl sie nur Heilige darstellen, doch die ganze Zeit mit ihren Menschen und Trachten, ihren Waffen und Geräten, ihren Zimmereinrichtungen und Bauwerken wie in einem großen kulturgeschichtlichen Bilderbuch fortlebt.

      Denn auch der Hintergrund der Werke weist eine durchgreifende Neuerung auf. Nachdem schon Giotto durch Bauwerke und Felsen die Räumlichkeit angedeutet, Lochner aus Hecken und Blümchen seine Paradiesesgärten zusammengesetzt, ist für die menschgewordenen Heiligen des Quattrocento die Erde überhaupt der natürliche Wohnplatz. Die Zimmer, in denen sie sich aufhalten, sind die gleichen, die man noch jetzt in altertümlichen Städten sieht, mit schweren Holzdecken, vertäfelten Wänden, Majolikafliesen und geschnitzten Möbeln. Die Landschaften, durch die sie schreiten, sind dieselben, auf die heute die Sonne scheint. Hatten noch Masaccio,

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