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Merkwürdigkeit, daß inmitten dieser gefühlseligen Generation ein Mann lebte, der gar nichts vom Mystiker hat. Man braucht, um diesen Zug seines Charakters zu erkennen, nur seine Madonnenbilder zu betrachten. Von der Zartheit und mystischen Innerlichkeit der Sienesen und Kölner sind diese Werke weit entfernt. Eine gewisse Nüchternheit, ungraziöse Härte und poesielose Sachlichkeit haftet ihnen an. Statt wie die andern nach ätherischer Holdseligkeit zu streben, trägt er realistisch-genrehafte Züge in das Thema hinein. Das Kind steckt den Finger in den Mund, spielt mit einem Vogel, ist im Begriff der Mutter auf den Schoß zu klettern. Auch die paar Züge, die aus seinem Leben bekannt sind, deuten seine Doppelstellung an. Er verherrlicht die Franziskanergelübde, verwahrt sich aber ausdrücklich dagegen, daß für ihn selbst Armut das Ziel des Strebens bedeute. Er ist Maler, bewegt sich aber mit gleichem Erfolg in der materiellsten aller Künste, die gar keine Empfindung, nur handwerkliche Tüchtigkeit und mathematische Berechnung voraussetzt: in der Baukunst. Er malt Mystisches, gilt aber seinen Zeitgenossen als sehr verständiger Mann, dessen moderne Anschauungen und kaustische Witze seltsam kontrastieren mit dem Wesen des Heiligen, als dessen Verherrlicher ihn die Kunstgeschichte feiert. Dem entspricht seine Kunst. Man ersieht aus ihr, wie aus den Werken der Sienesen, welche Tiefe des Gefühlslebens durch Franziskus erschlossen war. Alle Regungen des menschlichen Herzens, Zorn und Demut, Liebe und Haß, Mut und Entsagung hat er meisterhaft interpretiert. Aber er thut es ohne mystische Traumseligkeit, in verständiger Sachlichkeit. Seine Kunst ist klar und durchsichtig, spricht in knappen, lapidaren Sätzen wie ein mathematischer Beweis. Kein Schwärmer, aber ein positiver exakter Geist, kein Träumer, aber ein gewaltiger Arbeiter von gesunder, breitausgreifender Männlichkeit, hat er auf ein Jahrhundert hinaus die Bahnen der italienischen Kunst bestimmt.

      4. Die Freskomalerei des späteren Trecento.

      Inhaltsverzeichnis

      Nachdem Giotto der Malerei die Zunge gelöst, begann in ganz Italien eine ungeheure Thätigkeit. In Florenz bot die Kirche Santa Croce, wo Giotto seine letzten Bilder geschaffen, auch den Jüngeren ein reiches Arbeitsfeld. Gleichzeitig erhielt die Kirche Santa Maria Novella ihre Ausstattung. Siena, das lyrisch mystische Siena folgte ebenfalls dem episch gewordenen Zeitgeist, ließ seinen Palazzo publico mit Fresken dekorieren. In Pisa, der schlafenden, toten Stadt, enthält das Camposanto eine der gewaltigsten Bilderreihen mittelalterlicher Kunst. In Padua, wo Giottos Werk in der Arena den Sinn für monumentale Kunst geweckt, erprobten in der Kirche Sant Antonio und in der Kapelle San Giorgio nun auch einheimische Künstler ihre Kräfte.

      Die hauptsächlichsten Namen sind: für Florenz Taddeo Gaddi, Giottino, Maso di Banco, Giovanni da Milano, Andrea Orcagna, Agnolo Gaddi, Antonio Veneziano, Francesco da Volterra und Spinello Aretino – für Siena: Simone Martino, Lippo Memmi, Pietro und Ambruogio Lorenzetti – für Padua: Altichiero da Zevio und Jacopo d'Avanzo. Pisa, das ein Hauptsitz der Plastik war, hatte außer Francesco Traini keine einheimischen Maler sondern rief auswärtige zur Erledigung der großen Arbeiten herbei.

      Zunächst fand, nachdem Giotto mit dem Christusleben, der Franziskus- und Johanneslegende vorausgegangen, nun die ganze Bibel, die ganze Heiligenlegende Bearbeitung. Die Geschehnisse des Alten wie des Neuen Testamentes und die Erzählungen der Legenda aurea wurden in demselben episch anschaulichen Stil geschildert, in dem die Predigten des Franziskus gehalten waren.

      Dann trat der Dominikanerorden als mächtiger Faktor in das Kunstleben ein. Den Bettelmönchen, schlichten Männern des Volkes, gesellten sich die gelehrten Advokaten der Kirche, die Vertreter jenes Ordens, der seine Hauptaufgabe in der wissenschaftlichen Formulierung und strengen Aufrechterhaltung der reinen Kirchenlehre sah. Diesem starr gelehrten, streng scholastischen Geist entspricht die Kunst, die unter dem Schutze des Dominikanertums sich entfaltete. Während in den Franziskanerbildern nur ausnahmsweise Allegorien vorkommen, gewöhnlich der schlichte Legendenton gewahrt ist, handelte es sich hier darum, in lehrhaften allegorischen Darstellungen das System und die Moral des heiligen Thomas von Aquino, des scholastischen Dominikanerfürsten zu verherrlichen. Und erstaunlich ist, mit welch heiligem Ernst die Maler versuchten, auch diese ganz abstrakten, sinnlich kaum zu packenden Dinge in die Sprache der Kunst zu übertragen. In der berühmten Glorie des heiligen Thomas von Francesco Traini sollte die geistige Einwirkung, die der Heilige von verschiedenen Seiten empfangen und seinerseits auf die Gläubigen ausgeübt, symbolisch dargestellt werden. Traini thut es durch ein kompliziertes System von Strahlen, die auf Thomas fallen und von ihm ausgehen. In dem Freskencyklus der spanischen Kapelle in Santa Maria Novella war die kulturgeschichtliche Bedeutung des Dominikanerordens, sein wissenschaftliches System und strenges Hüteramt der Wahrheit darzustellen. Man sieht also um den Thron des Statthalters Christi Hunde ( Domini canes) gelagert, wie sie des Rufes harren, sich auf die Wölfe (die Ketzer) zu stürzen; weiter Mönche, wie sie predigen, und sündige Seelen, die durch die Geistlichen bekehrt, ins himmlische Jenseits eingehen. Wie hier die praktische ist auf dem andern Bild die wissenschaftliche Thätigkeit des Ordens dargestellt. Der heilige Thomas sitzt auf gotischem Thron, zu dessen Füßen die überwundenen Ketzer Arius, Averroes und Sabellius kauern. Dann folgen, durch Frauengestalten personifiziert, die weltlichen und geistlichen Wissenschaften. Eine der Gestalten, mit Erdkugel und Schwert soll die Majestät, eine andere mit Pfeil und Bogen die Schrecken des Krieges, eine dritte mit der Orgel die Musik bedeuten. Männliche Gestalten sind noch als Vertreter der allegorischen Begriffe beigegeben.

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      Die ähnlichen politischen Allegorien, wie sie in Gerichts- und Ratsälen üblich wurden, sind auf den größten dichterischen Genius der Zeit, auf Dante zurückzuführen. Nachdem dieser das Ideal des Staatslebens definiert, konnte Ambruogio Lorenzetti von Siena seine Wandbilder des Palazzo publico malen, die halb sittenbildlich, halb allegorisch die Segnungen des guten, die Schrecken des schlechten Regimentes vorführen.

      Teils auf Dante, teils auf die Lehren der beiden Mönchsorden gehen auch die symbolisch visionären Stoffe zurück, die neben den Allegorien aufkamen. Denn in dem Hinweis auf das Jüngste Gericht, auf Paradies und Hölle sahen diese Prediger das wirksamste Mittel die Gemüter zu erschüttern. Ein Bruder Giacomino da Verona beschreibt das Paradies als einen himmlischen Königshof. Die Patriarchen und Propheten, in grüne, weiße und blaue Gewänder gehüllt, die Apostel auf goldenen und silbernen Thronen, die Märtyrer, rote Rosen im Haar, scharen sich um den Ewigen, in nie getrübter Freude dahinlebend. Zur Seite Christi thront Maria, schön wie eine Blume, von den Engeln durch Harfenspiel und jubelnde Hymnen geehrt. Die Hölle wird als eine Stadt der Unterwelt beschrieben. Giftige Gewässer fließen durch sie hin. Ein Himmel von Metall überwölbt sie. Mit großen Stöcken hauen die Teufel auf ihre Opfer ein. Feuer sprüht aus ihrem Munde; wie die Wölfe heulen, wie die Hunde bellen sie. Dann gab Dante in der Divina commedia diesen Ideen die klassische Form. Nicht bloß die Gliederung des Jenseits in Hölle, Fegfeuer und Paradies, auch die Art der Verteilung und Abwägung der Strafen erhielt durch ihn die dogmatische Fassung.

      Die Künstler folgten, indem sie den typischen Darstellungen des Jüngsten Gerichtes, wie sie schon früher üblich waren, ebenfalls umfangreiche Schilderungen des Paradieses und der Hölle zur Seite stellten. Namentlich Orcagna und der große Unbekannte des Pisaner Camposanto ragen durch Werke dieser Art hervor. Während in den byzantinischen Darstellungen des Jüngsten Gerichtes alles in lebloser Steifheit verlief, herrscht hier seelische Bewegung. Christus ist leidenschaftlich erregt, die Madonna Fürbitterin der Menschheit. Die Apostel folgen in angstvoller Spannung dem Vorgang. – Die Hölle ist als Durchschnitt eines unterirdischen Gebirges gedacht, dessen Felswände die verschiedenen Klassen der Sünder trennen. Satans Schreckgestalt nimmt die Mitte ein. Unter ihm lodern Flammen. Alle Arten von Martern erfüllen den Schreckensraum. – Von Jubel und Seligkeit ist das Paradies durchwogt. Gerade indem Orcagna hier jede Bewegung meidet, nur jugendliche Köpfe und strahlende Augen malt, die in leuchtendem Glanz auf den Betrachter blicken, erreicht er überirdische Wirkung: selbst der gewaltige Akt des Gerichtes kann die Seligen in ihrem himmlischen Frieden nicht stören.

      Die Todesallegorien bilden gleichsam die Einleitung zu diesen Darstellungen des Jenseits. Hungersnot und Krieg hatte damals die Völker heimgesucht. Die Pest hatte ihren Triumphzug durch Europa gehalten. Man glaubte sich von Gottes Strafgericht

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