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dieser Kleinmalerei eine specifisch nordische Eigentümlichkeit zu sehen. Sie war die natürliche Reaktion auf den Monumentalstil der älteren Epoche und hat daher in Italien ebenso begeisterte Apostel wie in den Niederlanden gefunden. Was hier Jan van Eyck heißt, nennt sich im Süden Pisanello. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Beziehungen zwischen beiden bestanden, da in Verona – nach Facius' Bericht – niederländische Künstler arbeiteten. Jedenfalls steht Pisanello dem Niederländer Jan ebenso nahe, wie er von seinem Landsmann Masaccio sich trennt. Wo jener noch ideale Typen gegeben hatte, malt Pisanello seine Zeitgenossen ab. Wo Masaccio das Idealkostüm Giottos verwendete, kann Pisanello sich nicht genugthun, kokette Mäntelchen und Tricots, enorme Hüte und zierliche Schnabelschuhe anzubringen. Die ganze Kostümfreude des Quattrocento hält auch in Italien an heiliger Stätte ihren Einzug. Lachende Landschaften dehnen sich aus. Tiere wie bei Jan van Eyck treiben neben den biblischen Figuren ihr Wesen.

       Die Fresken, die er in Verona malte, unterscheiden sich von denen der Brancaccikapelle ebenso, wie die unteren Tafeln des Genter Altarwerkes von den Monumentalfiguren der oberen Reihe. Sie sind das Wert eines koketten Charmeurs, der weder geistige noch formale Gedanken ausspricht, aber mit feinem, vornehmen, frischen Blick die Dinge und die Menschen betrachtet. Statt biblischer Geschichten werden ritterliche Aufzüge und Jagden gegeben. Rebhühner und Drachen, Hunde und Pferde mischen sich in die ehrbare Versammlung der Heiligen, die in ihren stutzerhaften, enganliegenden Kostümen eher aus Boccaccio als aus der Bibel zu stammen scheinen. Seine drei Könige haben, um das Christkind zu besuchen, all ihre Pagen und Stallmeister, ihre Jagdhunde und Jagdfalken mitgenommen. Eine Landschaft vom Gardasee mit Villen und Weinbergen, mit Schafherden und Vögeln dehnt sich ringsum aus. Sein heiliger Georg, mit dem Küraß und dem riesigen Filzhut gleicht einem Kondottiere des Quattrocento. Und den Nimrod Hubertus malte er auch nur, weil sich Gelegenheit bot, einen dichten Wald mit Hunden und Hasen, mit Kaninchen und Bären zu bevölkern. Selbst seine Zeichnungen verraten, daß er im Grunde seines Herzens weit mehr als Tiermaler denn als Sänger des biblischen Epos sich fühlte.

      Schließlich berührt er sich mit Jan van Eyck darin, daß er die ersten rein profanen Kunstwerke schuf. Die Porträtmalerei tritt als gesonderter Kunstzweig der biblischen Malerei zur Seite.

      Vor dem 15. Jahrhundert gab es keine Bildnisse. Nur den Souveränen wurde das Recht zugestanden, sich in Statuen und Mosaiken verewigen zu lassen, während man sonst Porträts höchstens als plastischen Schmuck von Grabmälern zuließ. Im 14. Jahrhundert erwachte der Geist der neuen Zeit. Der Mensch will Spuren seiner irdischen Laufbahn zurücklassen, seinen Namen, sein Bild fernen Generationen überliefern, die Unsterblichkeit sich auf Erden erobern. Giotto malte den Dichter der göttlichen Komödie unter den Seligen des Paradieses auf einer Wand des Bargello. Von Simone Martino wird erzählt, daß er eigens nach Avignon reiste, um Petrarka zu porträtieren. Aber Giottos Bild ist mehr Silhouette als Porträt. Einen Begriff von der Bildniskunst des Simone Martino giebt dessen Fresko des Guidoriccio Fogliani de Ricci, dessen Ähnlichkeit gewiß nicht groß ist. Die Kunst war noch zu sehr vom Typischen beherrscht, als daß individuelle Charakteristik ihr gelingen konnte.

      Im 15. Jahrhundert ist nicht nur der Ruhmessinn derart gewachsen, daß jeder reiche Bürger fortan das Bedürfnis fühlt, seine Züge der Nachwelt zu hinterlassen. Auch die Kunst hat jetzt die Fähigkeit, das, was das Auge sah, in scharfer Naturtreue festzuhalten. In den italienischen Privathäusern kam die Sitte auf, Kamine und Gesimse mit farbigen Bildnisbüsten zu schmücken. Andere lassen wenigstens auf einer Bronzemedaille ihr Bildnis herstellen.

      Pisanellos Ruhm ist, daß er von antiken Denkmünzen ausgehend die Medaille wieder erweckte, und diesen Medaillenstil hat er auch auf seine gemalten Bildnisse übertragen. Da die Medaille auf die Negation der Tiefe angewiesen ist, giebt er auch gemalten Porträts ausschließlich Profilstellung. In scharfer Seitenansicht, plastisch streng sind die Köpfe gezeichnet. Wie in den Medaillen der Reliefgrund die Folie abgiebt, breitet hier ein teppichartiges Ornament oder eine einfarbige Masse sich aus, auf der das Profil fest aufruht.

      In den Niederlanden fehlte dieser Zusammenhang mit der Medailleurkunst. Die Bildnisse Jan van Eycks unterscheiden sich also von denen Pisanellos dadurch, daß sie die Köpfe nicht in Profil, sondern in Dreiviertelansicht geben. Während der Italiener die charakteristische Linie zeichnet, malt der Niederländer die farbige Fläche. Beiden gemein aber ist das Streben, die menschliche Physiognomie mit der unerbittlichen Strenge, der unbegrenzten Genauigkeit des photographischen Apparates wiederzugeben. Wie die Landschafter, nachdem sie vorher nur Goldgründe hatten geben dürfen, nun jeden Kieselstein und jedes Blättchen, jeden Tautropfen und jeden Grashalm zeichneten, so schwelgen die Porträtmaler, nachdem man vorher nur allgemeine Typen gekannt, nun mit wahrer Wolllust im krausen Detail, in Runzeln und Schwielen, in Bartstoppeln und Falten. Selbst bei der Wahl ihrer Modelle verfahren sie nach diesem Gesichtspunkt. Denn keine Köpfe junger Mädchen kommen vor, selten Jünglingsbilder. Hauptsächlich Greisen- und Matronenköpfe mit alter schrumpflicher Haut sind Aufgaben nach dem Herzen dieser realistischen Kunst. Der knorrige Alte der Berliner Galerie, der mit komischem Ernst eine Nelke hält – die moderne Blume, die gerade damals nach Europa gebracht war und ähnliches Aufsehen machte wie in unseren Tagen die Orchidee – kommt sofort in Erinnerung. Auch an den abenteuerlichen Kopf des Arnolfini denkt man und an das Verlobungsbild desselben Kaufherrn, das mit seinem reichen sittenbildlichen Apparat schon die Keime der späteren Genremalerei in sich birgt.

      Auf diesem Wege ging die Entwicklung weiter. Eine Malerei, die einmal die Poesie des Irdischen entdeckt hatte, konnte auch nicht auf dem Boden stehen bleiben, den Jan van Eyck und Pisanello ihr bereitet. Die zierliche tändelnde Kleinkunst dieser beiden mußte in eine ernste Malerei sich verwandeln, die nicht mehr bloß an der farbigen Oberfläche haftete, sondern in das Wesen der Dinge eindrang, ihren realistischen Stil wissenschaftlich begründete.

      An dieser Forscherarbeit haben sich die Niederländer nicht mehr beteiligt. Nachdem sie durch die Vervollkommnung der Oelmalerei eine wichtige Anregung gegeben, beschränkten sich die Folgenden darauf, in dem Eyckstil weiter zu arbeiten.

      Die Werke des Petrus Cristus bringen nichts, was nicht die Jans schon enthielten. Er verwendet die Modelle des Meisters und die Versatzstücke des Eyck'schen Ateliers, nimmt ganze Figuren aus Jans Bildern in die seinen herüber. Wie er in seiner Frankfurter Madonna Jans türkischen Teppich und die Adam- und Evafiguren des Genter Altarwerks anbringt, giebt er in der Madonna von Burleighouse eine Kopie des Karthäusers, der auf dem Rothschildschen Madonnenbilde kniet. Interessant, weil keine ähnlichen Werke Jans erhalten, ist sein heiliger Eligius in Köln, – ein Bild, das wieder zeigt, welche weltlichen, rein malerischen Gesichtspunkte jetzt die Wahl der Stoffe bestimmten. Glitzernde Dinge, goldene Kannen und Pokale, Halsbänder, Agraffen und Ringe wollte man malen. Da das in Form reiner Stillleben noch nicht geschehen konnte, erinnert man sich des braven Eligius, den man pro forma in den Vordergrund setzt.

      Den gleichzeitigen Holländern mag Jan, während er im Haag weilte, die entscheidenden Anregungen gegeben haben. Wenigstens fügt Albert Ouwaters Hauptwerk, eine Auferweckung des Lazarus, sich vollständig der Eyckschule ein. Da Jan seine Madonnen gern in einer Kirche, einer romanischen Kirche darstellte, verlegt auch Ouwater den Vorgang in einen romanischen Dom. Ebenso eyckisch wie der Hintergrund ist der figürliche Teil, die Zierlichkeit und Ruhe der Gestalten, die gar nicht durch das Wunder überrascht sind.

      Dem Dirk Bouts wird nachgerühmt, er sei als Landschafter über Jan hinausgegangen. Doch einen Fortschritt vom Preciösen zum Intimen bedeuten die Flügelbilder des Löwener Altars nicht. Im Gegenteil, Bouts setzt noch mehr zusammen, türmt die willkürlichsten Dinge aufeinander. Es ist merkwürdig, wie der Geist des Realismus hier zur Phantasielandschaft führt. Bouts empfand, daß biblische Scenen nicht in den Niederlanden spielen dürften. Wie er die Figuren durch Turban, Kopftücher und seltsame Waffen als Orientalen kennzeichnet, sucht er der Landschaft ein exotisches Gepräge zu geben. Für Jan van Eyck, der weite Reisen gemacht hatte, war das leicht. Er gab Portugal als den Orient aus. Bouts, nie aus der Heimat herausgekommen, mußte erfinden. Und da Holland ein so flaches, ebenes Land war, dachte er sich den Orient felsig. Indem er das Gegenteil von dem malte, was die Heimat bot, glaubte er am richtigsten den Charakter biblischer Scenen zu treffen. Neu ist ferner, daß er als erster bestimmte Lichterscheinungen zu interpretieren sucht. Während Jan van Eyck alles in gleichmäßig scharfer

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