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und Arbeit, um einem Abenteuer nachzujagen. Im Konvent eingeschlossen, dreht er sich aus Betttüchern Seile, um durch das Fenster zu entwischen und auf nächtliche Streifzüge auszugehen. Lucrezia Buti, die hübsche Nonne aus Prato, läßt sich von ihm entführen. Spineta, ihre jüngere Schwester, flüchtet auch in das Heim des lustigen Pärchens. Und Cosmo de Medici, als er von all diesen Streichen hört, hat nur »herzlich darüber gelacht«.

      Diese Dinge, als Anekdoten gleichgültig, beleuchten den heiter weltlichen Zug, der durch das Zeitalter ging, erklären, warum auch die Bilder Fra Filippos so wenig mehr mit denen Fiesoles gemein haben. Nur über einigen Jugendwerken wie der zarten Anbetung des Kindes in Berlin liegt noch ein Hauch jener Gottesminne, die Fra Angelico malte. Das Thema der Anbetung sowohl wie die lichte, rosige Farbe und der weiche Fluß der Gewänder verrät den Zusammenhang mit der älteren Kunst. Später ist er ein frischer Erzähler, der mit sinnlichem Blick ins Leben schaut, muntere Mädchen, Frauen, die gar nichts Heiliges haben, in seinen Bildern vereinigt. Die »Krönung der Maria« ist ein ganzes Serail. Anmutige Backfische knieen da, Kränze von Rosen liegen in ihrem Haar, blühende Lilien an langen Stengeln tragen sie in der Hand. In seinen Madonnenbildern ist alles Feierliche, Repräsentierende abgestreift. Aus der demütigen Jungfrau ist eine frische Florentinerin geworden, die auf Toilette viel Wert legt. Goldgesäumte Kleider zieht er ihr an, mit Schärpen und Geschmeiden drapiert er sie, ordnet ihr Spitzenhäubchen mit dem gewählten Geschmack des Mannes, der sich auf derlei Dinge versteht. Selbstverständlich ändert sich mit der Hauptfigur auch die Umgebung. Maria thront nicht mehr, ist nicht von Heiligen umgeben. In ihrer Häuslichkeit sitzt sie, im Garten. Selbst in seinen Fresken in Prato, die das Leben des Täufers und des Stephanus darstellen, bleibt er der Verehrer der Frau. Manchmal bemüht er sich um einen ernsten, feierlichen Stil. Doch die meiste Freude hat ihm sicher das Bild gemacht, auf dem er das Fest des Herodes, den Tanz der Salome schildert. Ein Diner bei den Medici wäre der passendere Titel. »Filippo verkehrte gern mit fröhlichen Menschen, war immer vergnügt und guter Dinge.« So kennzeichnet ihn Vasari, und mit dem Menschen deckt sich der Künstler. Tiefe oder Größe darf man nicht bei ihm suchen. Als Sohn eines Schlächtermeisters hat er zeitlebens in sehr elementaren Empfindungen sich bewegt. Aber Gesundheit und gute Laune, harmloses Epikureertum und ein feiner Sinn für weibliche Anmut machen ihn zu einem echten Sohn dieses lebenslustig weltfrohen Zeitalters.

      Benozzo Gozzoli machte den gleichen Weg. Als er in seiner Jugend das entzückende Waldmärchen mit dem Zug der Könige für den Palazzo Medici schuf, war er noch der zarte Schüler seines Meisters, hatte sich in den Lenz schon verliebt, aber den Himmel noch nicht vergessen. Denn nicht nur eine Novelle aus dem Florentiner Leben trägt er vor. Engelgruppen von bestrickender Schönheit bilden den Abschluß des frischen, liebenswürdigen Werkes. Später schwindet dieser traumverlorene Zug. Nicht mehr der Lyriker, nur der Erzähler führt das Wort und schafft in San Gimignano und Pisa jene bekannten Cyklen, die unter biblischem Titel das ganze Leben des Quattrocento illustrieren. Aus dem einen Cyklus, der das Leben des heiligen Augustin darstellen soll, ist besonders das Bild berühmt, das über den Schulunterricht des 15. Jahrhunderts berichtet. In dem Pisaner Cyklus, der das Alte Testament behandelt, giebt er eine Kulturgeschichte von Florenz. Die Legende Noahs verwandelt sich in eine florentinische Weinlese. Der Turmbau von Babel giebt Anlaß, das rührige Treiben auf einem Bauplatz zu schildern, dabei Cosmo de Medici, der mit seinen Freunden den Bau besichtigt. Nicht vom Donnern der Propheten erzählt er und dem blutigen Zorn Jehovas, sondern von Kriegen und Städtegründungen, von den Freuden des ländlichen Lebens. Besondere künstlerische Feinheiten hat er nicht. Probleme kennt er so wenig wie die Giottisten, die vor ihm im Camposanto gearbeitet. Aber erstaunlich ist sein sprudelndes Erzählertalent und die mühelose Leichtigkeit seines Schaffens. Minarets und Obelisken, Triumphalsäulen und Paläste, Gärten und Weinberge, Menschen jeden Alters und Standes, Tiere und Blumen – alles windet er zu bunten Bouquets zusammen. Bessern und bekehren zu wollen, liegt ihm so fern wie möglich. Nur unterhalten will er, oberflächlich plaudern, die Chronik seines Zeitalters schreiben.

      10. Piero della Francesca.

      Inhaltsverzeichnis

      Es dauerte nicht lange, da faßte dieser Geist des Realismus auch außerhalb der Arnostadt Wurzel. Denn die Thätigkeit der florentinischen Meister hatte nicht auf Florenz sich beschränkt, sondern über ganz Toskana verbreitet. Prato, die kokette kleine Stadt in der Ebene des Arno, Empoli, Pistoja riefen florentinische Künstler herbei. In Pisa, der altehrwürdigen Wiege der mittelalterlichen Malerei, entstanden durch Gozzolis Hand jene neuen Werke. In San Gimignano, der malerischen kleinen Bergstadt Arezzo, in Borgo San Sepolcro und Cortona – überall sind Florentiner beschäftigt.

      Dadurch wurde auch in diese entlegenen Landstriche die realistische Kunst getragen. Auch dort wollen die Maler nicht wie Ventile mehr den verklungenen Weisen vergangener Jahrhunderte lauschen. Auch sie vergessen die alten kirchlichen Ideale und ringen in ernster Forscherarbeit mit ihren florentinischen Genossen. Auf die Träumer, die so weltversunken dahinlebten, folgen ruhige, klare Beobachter. Ja, der Künstler, mit dem Umbrien in die realistische Bewegung eingreift, Piero della Francesca ist überhaupt der größte all jener suchenden Geister, die durch ihre wissenschaftlichen Experimente die Grammatik der modernen Malerei schufen, hat sich Probleme gestellt, die auf lange hinaus, bis in unsere Tage die Welt beschäftigten.

      Kaum zwanzig Jahre sind vergangen, seit die Freilichtmalerei in das Kunstschaffen der Gegenwart eingriff. Man wollte die Dinge darstellen in ihrer atmosphärischen Hülle, umflossen von Licht und Luft, wollte nicht mehr die Lokalfarben malen, sondern die bewegende Kraft des Lichtes, unter der jedes Ding jeden Augenblick seine Farbe wechselt. Die Thätigkeit Piero della Francescas bestätigt das alte Wort Ben Akibas. Schon vor 400 Jahren hat er das Problem der Wahrmalerei aufgeworfen, als Vorläufer der Modernsten festzustellen gesucht, in welcher Weise die Atmosphäre den farbigen Eindruck der Dinge verändert.

      Die Verhältnisse lagen damals ähnlich wie in unseren Tagen. Die Eycks und Pisanello hatten die Dinge in scharfen Umrissen, in bunten glitzernden Farben gemalt. Es kam zum Bewußtsein, daß ein Widerstreit bestand zwischen diesen lustigen Palettentönen und dem, was das Auge sieht. Die Dinge funkeln in Wirklichkeit nicht so, wie Jan auf dem Genter Altarwerk sie malte. Noch ein anderes Problem kam hinzu. Die Früheren, deren Auge an den Einzelheiten haftete, waren nicht fähig, weitere Fernblicke zu geben. Ihre perspektivischen Kenntnisse erlaubten ihnen nur, durch Berge und Kulissen das Zurückgehen der Pläne anzudeuten. Den weiten Himmel zu malen, der über einer Ebene liegt, waren sie nicht im stande. Darum vermeiden sie ihn womöglich ganz.

      Bis zu Zweidrittel der Bildfläche, fast vertikal steigt die Landschaft empor, oft wird überhaupt nur das aufsteigende Plateau ohne den Himmel gegeben. Das Bild ist Flächendarstellung, vermag den Eindruck der Tiefendimension nicht hervorzurufen.

      Piero war zur Inangriffnahme dieser Probleme durch seine Herkunft berufen. Das Städtchen Borgo San Sepolcro, wo er 1420 geboren ward, liegt mitten in der umbrischen Ebene. Während die Künstler, die in der dichtbelebten, dichtbebauten Großstadt arbeiten, gewohnt sind, mit scharfem Auge die Dinge aus der Nähe zu betrachten, sah Piero, wenn er auf dem Berg seines Heimatstädtchens stand, nur Licht und Raum. Er sah die Sonne, wie sie brütend über dem Thale stand und die Dinge bald in Morgenglanz, bald in zitterndes Mittagslicht oder weiche Dämmerung tauchte. Ueber zahllose Hügel, durch kein Ziel beengt, ins Unendliche schweifte sein Blick. Diese beiden Probleme, das Raumproblem und das Lichtproblem, wurden die großen Fragen seines Lebens.

      Auch die Florentiner waren schon an beides herangetreten. Uccello hatte sich bemüht, durch perspektivische Linien den Eindruck der Tiefendimension zu erwecken. Castagno liebte seine Figuren in einer Nische aufzustellen, um den Eindruck des räumlich Plastischen zu erzielen. Domenico, der Venetianer, hatte den leuchtenden Schimmer der Dinge zu interpretieren gesucht. Piero sah, als er 1438 mit Domenico, der in Perugia gearbeitet hatte, in die Arnostadt kam, die Werke aller dieser Meister. Was er in der Heimat gefühlt, wurde Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung. Ein Umberer zieht die Fäden in seiner Hand zusammen, löst die Fragen, um deren Erforschung sich die Florentiner mühten. Dasselbe Land, wo einst Franciscus seinen Hymnus an die Sonne gedichtet, schenkte der Welt den ersten Lichtmaler.

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